10.08.2012, 11:10
Eine Frau ersticht in Dortmund mutmaßlich die drei Kinder
ihres Lebensgefährten. Bei den Ermittlungen kommen Details aus dem
Vorleben der Familie ans Licht: Die leibliche Mutter der toten Kinder
stürzte vom Balkon, der Vater saß mehrmals im Gefängnis. Das zuständige
Jugendamt will jedoch keine "nennenswerten Auffälligkeiten" festgestellt
haben.
Ein Fahrschulauto kommt angefahren, der Wagen hält, Lehrer und
Schüler steigen aus, zünden sich eine Zigarette an, schauen auf das Haus
und rauchen. Dortmund
hat eine Attraktion, das Haus in der Fichtestraße 18, das Haus in dem
am Freitag drei Kinder starben. Auch am Donnerstag ist die Polizei noch
in der Wohnung, sichert die Spuren, was es an Spuren noch zu sichern
gibt. Die Ermittler haben sich nun auch noch entschieden, den ganzen
Keller zu entrümpeln, auf der Suche nach etwas, das erklären soll, wie
Silan, Mustafa und Mehmet starben und warum.
Die Frage nach dem Warum beschäftigt Polizei und
Staatsanwaltschaft in Dortmund. Bei einer Familientragödie waren drei
Kinder gestorben - verdächtigt wird die Stiefmutter.
(© dapd)
Die Kinder wurden mittlerweile in der Türkei beerdigt, am
Mittwoch hatte es noch eine Trauerfeier gegeben in der alevitischen
Gemeinde in Dortmund. "Wir müssen mit großer Trauer und Betroffenheit
Abschied von drei fröhlichen und liebenswerten Kindern nehmen, die für
uns alle unfassbar aus unserer Mitte gerissen wurden", sagte
Oberbürgermeister Ulrich Sierau bei der Feier.
Das ihm unterstellte Jugendamt hatte lange geschwiegen zu der
Frage, wie intensiv der Kontakt war zur Familie der Kinder. Nachbarn
hatten berichtet, sie hätten das Jugendamt mehrmals darauf aufmerksam
gemacht, dass der Vater Muharrem T. öfters abwesend gewesen sei und die
Kinder sich selbst überlassen. Dem widerspricht die Stadt nun, solche
Meldungen habe es nie gegeben.
Vielmehr sei das Jugendamt Ende 2011 über
den Zuzug der Familie und den tragischen Tod der Mutter informiert
worden - die 28-Jährige war vom Balkon gestürzt. Die Familie hatte
deshalb Hilfe bei Behördengängen und der Bewältigung des
Traumas erhalten.
Im Frühjahr 2012, als der Vater für einige Tage ins Gefängnis
musste und ankündigte, die Kinder in die Türkei bringen zu wollen, wurde
sein Sorgerecht eingeschränkt und eine Ergänzungspflegerin
eingeschaltet. Diese Mitarbeiterin besuchte die Wohnung der Kinder, auch
bei Schulen und Kindergärten wurde nachgefragt, ob es Probleme gebe.
"Von dort wurde nicht über nennenswerte Auffälligkeiten berichtet - mal
eine Verspätung, mal ein Fehltag (meist mit Entschuldigung am Folgetag),
Dinge, die jeden Tag bei Tausenden von Kindern vorkommen", so das Fazit
des Jugendamtes.
Keine Hinweise auf Kindeswohlgefährdung
Ein Gericht hebt die Einschränkung des Sorgerechts wieder auf,
ausgerechnet am 29.2, dem Tag an dem die Wohnung der Familie T. das
erste Mal ausbrennt, ein zündelndes Kind soll das Feuer verursacht
haben. Den Brand meldet damals die 29-jährige Lebensgefährtin Milka D.
dem Jugendamt, eine gebürtige Bulgarin. Sie ist seit Freitag in Haft,
die Staatsanwaltschaft sieht einen dringenden Tatverdacht, dass sie die
Kinder erstochen und ein Feuer gelegt hat. Nur ein Motiv gibt es noch
nicht. Wollte sie nicht, dass ihr Freund wegen der Kinder in die
Türkei zurückgeht?
Milka D. hat auf das Jugendamt damals einen guten Eindruck
gemacht, sie spricht besser Deutsch als ihr Freund und übersetzte in den
Gesprächen mit der Behörde. Sie hatte - wie auch der Vater der Kinder -
keine regelmäßige Beschäftigungen. Milka D. hatte einige Vorstrafen,
"Kleinkrams", sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Schwarzfahren
und andere kleinere Vergehen.
Viele Umzüge, der Tod der Mutter, eine Gefängnisstrafe des
Vaters und seine mangelnden Sprachkenntnisse - vieles lief nicht gerade
optimal in der Familie der Kinder.
Das Jugendamt sagt, es habe aber
keinerlei Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben. "Die
Interaktion zwischen Vater und Kindern war liebevoll."
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