Behrend K (2009)
Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Bielefeld Doctoral Thesis
|
German
Authors:
Behrend, Katharina
Department:
Abteilung für Psychologie
Abstract:
Die Fragestellung der Studie entstammt dem Berufsfeld des Psychologischen Sachverständigen am Familiengericht: Umgangsverweigerung (UV) ist ein bindungspsychologisch paradoxes, oft aber stabiles Verhalten von Kindern bei hochstrittigen Trennungen. Das vom amerikanischen Kinder- und Jugendpsychiater Richard Gardner vorgestellte Parental Alienation Syndrome ist bisher vorherrschend, erklärt aber weder Psychodynamik noch Spektrum des in der Praxis beobachtbaren kindlichen Verhaltens bei UV. Gardner sieht als einzige Ursache die Instrumentalisierung des Kindes durch den Alleinerziehenden ("Gehirnwäsche"). Seine Interventionsvorschläge zielen im Wesentlichen auf Sanktionierung des betreuenden Elternteils ab. Ziel dieser zweiteiligen Studie ist der Entwurf eines Modells, das die noch bestehenden Erklärungslücken schließt.
In einer Fragebogenerhebung
werden (N=256) junge Erwachsene (M = 23,5 Jahre) zu ihren Gefühlen und
Reaktionen angesichts früher miterlebten häuslichen Elternstreits
befragt. Es werden retrospektiv drei Altersgruppen erhoben: Kindesalter,
Jugendliche, Erwachsenenalter. Dabei zeigt sich, dass "Rückzug" die in
allen Altersklassen am häufigsten gewählte Strategie angesichts
elterlicher Konflikte ist. Ab dem Grundschulalter treten jedoch
zunehmend auch "Parteinahme" und "Schlichtungsversuche" auf.
Methodisches Kernstück der Untersuchung ist die als induktive
Einzelfallstudie angelegte qualitative Analyse der
Ablehnungsbegründungen von 103 Kindern im Alter von 4 - 17 Jahren. Dazu
wurde ein differenzierteres Konzept von Instrumentalisierung entwickelt,
das die Motivlage des beeinflussenden Erwachsenen einbezieht. Danach
lässt sich UV auf 3 ursächliche Dimensionen zurückführen: 1. Elterliches
Konfliktniveau, 2. Grad der Instrumentalisierung, 3. Kränkungen im Zuge
der Trennung. Weiter werden 4 kontextuelle Risikofaktoren gefunden
(Entwicklungsstand, Stieffamilienstruktur, Bindungsgeschichte zum
Abgelehnten, Gerichtsverfahren). Die neu konzipierte Typologie ist in
der Lage, kindliches Verhalten bei UV umfassend abzubilden:
Typ 1: Streitmeidung, Typ 2: Instrumentalisierte Parteilichkeit, Typ 3:
Kränkung / seelische Verletzung.
Die von Gardner beschriebenen PAS-Kinder stellen eine Subgruppe des Typs
2 dar, Typ 1 und 3 sind neu. Das Modell ermöglicht die differenzierte
Einzelfallanalyse, Prognose einer Reversibilität der Haltung sowie
individuell abgestimmte Interventionen. Diese reichen von Deeskalation
des Elternkonflikts über Kontaktherstellung (Typ 1 u. 2) bis hin zur
Hinnahme der Verweigerungshaltung (Typ 3).
PUB-ID:
2301270 | Link: http://pub.uni-bielefeld.de/publication/2301270
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