28.08.12

Geheimer Bericht - So gefährdet das Jugendamt Pflegekinder

Von Mathis Neuburger
Das letzte Foto von Chantal (✝11). Sie starb an einer Überdosis Methadon. Die Pflegeeltern waren drogenabhängig. Das Jugendamt wusste davon, unternahm aber nichts.
Das letzte Foto von Chantal (✝11). Sie starb an einer Überdosis Methadon. Die Pflegeeltern waren drogenabhängig. Das Jugendamt wusste davon, unternahm aber nichts.
Foto: RUEGA
 
 
Im Januar starb Chantal (✝11) aus Wilhelmsburg – auch weil Jugendamt und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) versagten. Jetzt liegt ein zweiter, geheimer Untersuchungsbericht der MOPO vor. 

Ergebnis: Auch in anderen Bezirken herrschen skandalöse Zustände. Regeln werden missachtet, Pflegefamilien nicht überprüft. Ein zweiter Fall Chantal ist jederzeit möglich.
20 „vergleichbare“ Pflegefälle in sozialen Brennpunkten hat die Innenrevision jetzt untersucht. Fazit: Die gravierenden Mängel, die nach dem Methadon-Tod Chantals öffentlich wurden, „stellen keine Einzelfallproblematik dar.“ 

Damals wurde ein komplettes Versagen der Fachkräfte moniert, die unter anderem Chantals Pflegeeltern nicht überprüften, Hinweisen über Probleme nicht nachgingen und freie Träger nicht kontrollierten. Doch das scheint normal zu sein, wie der neue Bericht, der gestern auch Thema im Sonderausschuss war, zeigt:


Niemand verantwortlich

In sieben der 20 untersuchten Fälle war wegen Personalmangels bis zu 20 Monate lang niemand zuständig!


Keine interne Beratung

Vorgeschriebene Beratungen mit Kollegen fanden nur in der Hälfte der Fälle statt.


Keine Hausbesuche

In elf der 20 Fälle gab es keine Hausbesuche oder sie waren in den häufig mangelhaft geführten Akten nicht vermerkt.


Kinder gefährdet

Weil Mitarbeiter von ASD und freien Trägern sich in Sachfragen nicht einigen konnten, wurden wichtige Entscheidungen verzögert.


Kinder einfach weggegeben

Informationen über Pflegeeltern wurden nicht eingeholt, „Entscheidungen in mehr als der Hälfte der Fälle unzureichend begründet“, „die Voraussetzungen für eine Pflegschaft waren mindestens formal nicht gegeben“. Verwandten wurden die Kinder „ohne Prüfung“ überlassen – trotz „katastrophaler“ Zustände. Zudem wurden in sieben Fällen die Pflegeeltern überhaupt nicht auf ihre Aufgabe vorbereitet.


Keine Kontrolle

Ob ein Kind gefährdet ist, entscheidet allein und subjektiv die Fachbetreuerin, verbindliche Kriterien gibt es nicht. Die Arbeit freier Träger wird nicht oder völlig unzureichend kontrolliert. Ob das Geld vom Amt wirklich für die Kinder ausgegeben wird, wird auch nicht überprüft.


Mitarbeiter überfordert

Mitarbeiter sind nicht auf ihre Arbeit in sozialen Brennpunkten vorbereitet, sind oft überfordert und geben auf.
Bürgerschaft und Senat wollen das gesamte System jetzt überarbeiten.



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