Von
Mathis Neuburger
Das letzte Foto von Chantal (✝11). Sie starb an einer Überdosis
Methadon. Die Pflegeeltern waren drogenabhängig. Das Jugendamt wusste
davon, unternahm aber nichts.
Foto: RUEGA
Foto: RUEGA
Im Januar starb Chantal (✝11) aus Wilhelmsburg
– auch weil Jugendamt und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) versagten.
Jetzt liegt ein zweiter, geheimer Untersuchungsbericht der MOPO vor.
Ergebnis: Auch in anderen Bezirken herrschen skandalöse Zustände.
Regeln werden missachtet, Pflegefamilien nicht überprüft. Ein zweiter
Fall Chantal ist jederzeit möglich.
20 „vergleichbare“ Pflegefälle
in sozialen Brennpunkten hat die Innenrevision jetzt untersucht. Fazit:
Die gravierenden Mängel, die nach dem Methadon-Tod Chantals öffentlich
wurden, „stellen keine Einzelfallproblematik dar.“
Damals wurde
ein komplettes Versagen der Fachkräfte moniert, die unter anderem
Chantals Pflegeeltern nicht überprüften, Hinweisen über Probleme nicht
nachgingen und freie Träger nicht kontrollierten. Doch das scheint
normal zu sein, wie der neue Bericht, der gestern auch Thema im
Sonderausschuss war, zeigt:
Niemand verantwortlich
In sieben der 20 untersuchten Fälle war wegen Personalmangels bis zu 20 Monate lang niemand zuständig!
Keine interne Beratung
Vorgeschriebene Beratungen mit Kollegen fanden nur in der Hälfte der Fälle statt.
Keine Hausbesuche
In elf der 20 Fälle gab es keine Hausbesuche oder sie waren in den häufig mangelhaft geführten Akten nicht vermerkt.
Kinder gefährdet
Weil Mitarbeiter von ASD und freien Trägern sich in Sachfragen nicht einigen konnten, wurden wichtige Entscheidungen verzögert.
Kinder einfach weggegeben
Informationen
über Pflegeeltern wurden nicht eingeholt, „Entscheidungen in mehr als
der Hälfte der Fälle unzureichend begründet“, „die Voraussetzungen für
eine Pflegschaft waren mindestens formal nicht gegeben“. Verwandten
wurden die Kinder „ohne Prüfung“ überlassen – trotz „katastrophaler“
Zustände. Zudem wurden in sieben Fällen die Pflegeeltern überhaupt nicht
auf ihre Aufgabe vorbereitet.
Keine Kontrolle
Ob
ein Kind gefährdet ist, entscheidet allein und subjektiv die
Fachbetreuerin, verbindliche Kriterien gibt es nicht. Die Arbeit freier
Träger wird nicht oder völlig unzureichend kontrolliert. Ob das Geld
vom Amt wirklich für die Kinder ausgegeben wird, wird auch nicht
überprüft.
Mitarbeiter überfordert
Mitarbeiter sind nicht auf ihre Arbeit in sozialen Brennpunkten vorbereitet, sind oft überfordert und geben auf.
Bürgerschaft und Senat wollen das gesamte System jetzt überarbeiten.
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