Artikel vom 31.07.2012 - 11.14 Uhr
Adoption: »Schwierig, mit Halbwissen zu leben«
Beate Kuhn arbeitet seit �ber 30 Jahren beim st�dtischen Jugendamt, seit
28 Jahren vermittelt sie Kinder an neue Familien – In den
zur�ckliegenden Jahren hat sich vieles ver�ndert, sagt die heutige
Abteilungsleiterin im AZ-Gespr�ch.
Gie�en (kw). 102 Frauen, die ein Kind zur Welt gebracht und sich
entschieden haben, es zur Adoption freizugeben. 102 Paare oder Menschen,
die auf diese Weise Eltern wurden. Und 102 Menschen, die so zu ihrer
Familie kamen und von denen manchmal einer anruft: »Sie haben mich als
Baby vermittelt, kann ich Sie mal besuchen?« Beate Kuhn spielt eine
entscheidende Rolle in etlichen Lebensgeschichten. 102 Adoptionen hat
die Leiterin des Sozialen Dienstes im st�dtischen Jugendamt in den
vergangenen 28 Jahren in die Wege geleitet; dabei sind die Adoptionen
durch Stiefvater oder -mutter nicht ber�cksichtigt. In dieser Zeit habe
sich viel ver�ndert, erz�hlte die 58-J�hrige im Gespr�ch mit der
Gie�ener Allgemeinen Zeitung: So w�ssten die Beteiligten heute oft
einiges voneinander.
»Fr�her hat man gesagt: Freigegeben, abgeschnitten, aus«, erinnert sich Beate Kuhn, die seit 1978 im Jugendamt arbeitet und seit 1984 unter anderem f�r Adoptionen zust�ndig ist. »Aber dann habe ich von Menschen erfahren, die ihre leiblichen Eltern suchten, wie schwierig es war, mit Nichtwissen, Halbwissen oder L�gen zu leben.« Auch f�r die abgebenden und annehmenden Erwachsenen sei ein offener oder halboffener Umgang mit dem Thema »beziehungs- und gesundheitsf�rdernd«. Deshalb »werbe ich daf�r« – auch wenn die Gesetzeslage der Beh�rde verbietet, gegen den Willen eines Beteiligten Informationen herauszugeben.
Gute Erfahrungen mit Offenheit
Offen oder halboffen, das kann zum Beispiel so aussehen: Die leibliche Mutter und die Adoptionseltern begegnen sich einmal im Jugendamt, ohne Namen und Adressen zu nennen. Oder: Die neuen Eltern verfassen jedes Jahr einen Brief �ber die Entwicklung des Kindes, legen Fotos bei, und Beate Kuhn leitet das Schreiben an die Frau weiter, die das Kind zur Welt gebracht hat. »Mit der Wahrheit habe ich gute Erfahrungen gemacht.« Von der leiblichen Mutter h�re sie etwa: »Es ist so schwer, das Foto anzusehen – aber wie gut, dass ich es habe!« F�r das Kind sei es hilfreich zu wissen: »Die Mama, die mich geboren hat, wei�, wie es mir geht.« Und Adoptiveltern sollten ihrem Kind so wichtige Tatsachen nicht vorenthalten.
Die Zahl der Adoptionen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. F�r die Sozialarbeiterin erfreulich: Immer weniger Kinder m�ssten eine Trennung von den leiblichen Eltern verarbeiten. Das habe viel mit gesetzlichen und gesellschaftlichen Ver�nderungen zu tun, berichtet Beate Kuhn. Sahen sich M�tter fr�her oft au�erstande, ein unehelich geborenes Kind gro�zuziehen, so helfe ihnen heute beispielsweise der Unterhaltsvorschuss (das Jugendamt streckt Geld vor, wenn der Vater nicht zahlt) und die Tatsache, dass sie nicht mehr schief angesehen werden. Heute spielten immer mehrere Gr�nde – Einkommen, Wohnsituation, Ausbildung – eine Rolle, wenn M�tter sich entschlie�en, ihr Kind zur Adoption freizugeben. In den meisten F�llen sei in ihrem Leben zu diesem Zeitpunkt im �bertragenen Sinne kein Platz f�r ein Kind.
Zugleich wei� die 58-J�hrige nur zu gut, wie sehr einige ungewollt kinderlose Paare auf ein Kind hoffen. »Ich berate hier beide Seiten.« In der Regel vermittle sie – nach deren �berpr�fung – nur an Bewerber aus Gie�en. Etliche warten jahrelang, in dieser Zeit gebe es regelm��ig Gespr�che. In manchen Jahren wird gar kein Kind zur Adoption freigegeben. Im Jahr 2011 waren es vier und damit besonders viele; darunter waren allerdings zwei Annahmen durch ein Stiefelternteil. Diese machen mittlerweile den Gro�teil der Adoptionen aus.
»Fr�her hat man gesagt: Freigegeben, abgeschnitten, aus«, erinnert sich Beate Kuhn, die seit 1978 im Jugendamt arbeitet und seit 1984 unter anderem f�r Adoptionen zust�ndig ist. »Aber dann habe ich von Menschen erfahren, die ihre leiblichen Eltern suchten, wie schwierig es war, mit Nichtwissen, Halbwissen oder L�gen zu leben.« Auch f�r die abgebenden und annehmenden Erwachsenen sei ein offener oder halboffener Umgang mit dem Thema »beziehungs- und gesundheitsf�rdernd«. Deshalb »werbe ich daf�r« – auch wenn die Gesetzeslage der Beh�rde verbietet, gegen den Willen eines Beteiligten Informationen herauszugeben.
Gute Erfahrungen mit Offenheit
Offen oder halboffen, das kann zum Beispiel so aussehen: Die leibliche Mutter und die Adoptionseltern begegnen sich einmal im Jugendamt, ohne Namen und Adressen zu nennen. Oder: Die neuen Eltern verfassen jedes Jahr einen Brief �ber die Entwicklung des Kindes, legen Fotos bei, und Beate Kuhn leitet das Schreiben an die Frau weiter, die das Kind zur Welt gebracht hat. »Mit der Wahrheit habe ich gute Erfahrungen gemacht.« Von der leiblichen Mutter h�re sie etwa: »Es ist so schwer, das Foto anzusehen – aber wie gut, dass ich es habe!« F�r das Kind sei es hilfreich zu wissen: »Die Mama, die mich geboren hat, wei�, wie es mir geht.« Und Adoptiveltern sollten ihrem Kind so wichtige Tatsachen nicht vorenthalten.
Die Zahl der Adoptionen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken. F�r die Sozialarbeiterin erfreulich: Immer weniger Kinder m�ssten eine Trennung von den leiblichen Eltern verarbeiten. Das habe viel mit gesetzlichen und gesellschaftlichen Ver�nderungen zu tun, berichtet Beate Kuhn. Sahen sich M�tter fr�her oft au�erstande, ein unehelich geborenes Kind gro�zuziehen, so helfe ihnen heute beispielsweise der Unterhaltsvorschuss (das Jugendamt streckt Geld vor, wenn der Vater nicht zahlt) und die Tatsache, dass sie nicht mehr schief angesehen werden. Heute spielten immer mehrere Gr�nde – Einkommen, Wohnsituation, Ausbildung – eine Rolle, wenn M�tter sich entschlie�en, ihr Kind zur Adoption freizugeben. In den meisten F�llen sei in ihrem Leben zu diesem Zeitpunkt im �bertragenen Sinne kein Platz f�r ein Kind.
Zugleich wei� die 58-J�hrige nur zu gut, wie sehr einige ungewollt kinderlose Paare auf ein Kind hoffen. »Ich berate hier beide Seiten.« In der Regel vermittle sie – nach deren �berpr�fung – nur an Bewerber aus Gie�en. Etliche warten jahrelang, in dieser Zeit gebe es regelm��ig Gespr�che. In manchen Jahren wird gar kein Kind zur Adoption freigegeben. Im Jahr 2011 waren es vier und damit besonders viele; darunter waren allerdings zwei Annahmen durch ein Stiefelternteil. Diese machen mittlerweile den Gro�teil der Adoptionen aus.
Manche Menschen, die sich ein Leben mit Kindern w�nschen,
entschieden sich schlie�lich, Pflegefamilie zu werden. Diese werden
stets gesucht. Andere wichen auf die Auslandsadoption aus. Zur Zeit
k�men besonders viele Kinder aus Osteuropa, wei� Beate Kuhn. Vor 50, 60
Jahren �brigens wurden zahlreiche Kinder deutscher Frauen ins Ausland
vermittelt. War der Vater etwa ein schwarzer US-Soldat, war es schwer,
in Deutschland ein Zuhause f�r sie zu finden. Diese Kinder kamen oft
nach Norwegen oder D�nemark.
Fr�her hatten nur �ltere eine Chance
In Deutschland musste man bis 1961 mindestens 50 Jahre alt sein, um ein Kind adoptieren zu d�rfen: Wer nicht mehr auf eigenen Nachwuchs hoffen konnte, konnte auf diesem Wege zu einem Erben kommen. Heute gelten etliche Interessierte als zu alt. H�chstens 40 Jahre sollen zwischen dem Kind und den neuen Eltern liegen, so die Empfehlung. »Ich finde das grunds�tzlich richtig«, sagt Beate Kuhn. Es sei im Interesse des Kindes, dass es auch im Pubert�tsalter noch m�glichst »stabile« Eltern hat.
Im kommenden Fr�hjahr geht Beate Kuhn in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Viele weitere Adoptionen wird sie also nicht mehr einf�deln. Auf »ihre« 102 Vermittlungen blickt sie gern zur�ck: »Das ist ein verh�ltnism��ig kleiner, aber sehr befriedigender Teil meiner Arbeit.«
Fr�her hatten nur �ltere eine Chance
In Deutschland musste man bis 1961 mindestens 50 Jahre alt sein, um ein Kind adoptieren zu d�rfen: Wer nicht mehr auf eigenen Nachwuchs hoffen konnte, konnte auf diesem Wege zu einem Erben kommen. Heute gelten etliche Interessierte als zu alt. H�chstens 40 Jahre sollen zwischen dem Kind und den neuen Eltern liegen, so die Empfehlung. »Ich finde das grunds�tzlich richtig«, sagt Beate Kuhn. Es sei im Interesse des Kindes, dass es auch im Pubert�tsalter noch m�glichst »stabile« Eltern hat.
Im kommenden Fr�hjahr geht Beate Kuhn in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Viele weitere Adoptionen wird sie also nicht mehr einf�deln. Auf »ihre« 102 Vermittlungen blickt sie gern zur�ck: »Das ist ein verh�ltnism��ig kleiner, aber sehr befriedigender Teil meiner Arbeit.«
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