„Gegen Mitternacht fand man den Bruder tot an einem Baum hängend auf.“
So steht es in einem Urteil, das am 8. August 2008 mit dem Aktenzeichen 1 O 177/08 vom Mönchengladbacher Landgericht gesprochen worden ist und schon gibt es eine neue Merkwürdigkeit im Todesfall Raymund Beckers, der am 3. September 1995 vor dem Kinderdorf Sankt Josef in Wegberg Selbstmord begangen haben soll.
Der Bruder des Toten will sich mit dieser Erklärung nicht abfinden, er
stellt immer neue Fragen, geht allerdings manchmal auch ziemlich ruppig
mit dem heutigen Heimleiter um, der deswegen Klage erhoben hat und den
Prozess gewann. Bestimmte Dinge darf der Bruder von Raymund Beckers
nicht mehr behaupten.
Doch: Woher hat das Möchengladbacher Landgericht diesen Todeszeitpunkt?
Im Widerspruch dazu stehen die Aussage eines Taxifahrers, der zu
Protokoll gegeben hat, dass er dem 37-Jährigen kurz vor Mitternacht vor
dem Kinderdorf aus dem Auto
helfen musste, weil Raymund Beckers zu tief ins Glas geschaut hatte,
die Aussage einer Erzieherin, die angab, der angebliche Selbstmörder
habe um 0.15 Uhr Einlass begehrt, geöffnet worden sei ihm von einem
17-jährigen Heimkind, im Aufenthaltsraum hätten mehrere Heimkinder
gesessen, doch sie habe Raymund Beckers wegen der späten Stunde wieder
weggeschickt, die Berichte von zwei Polizeibeamten, der Totenschein, in
dem die Todeszeit mit 5 Uhr angegeben wurde, und die Aussage des
Heiminsassen René K., der zu Protokoll gab, er sei mit dem Auto gegen 4.30 Uhr zum Kinderdorf gebracht worden und habe im Scheinwerferlicht einen Mann gesehen, der an einem Baum hing
Von 1959 bis 1972 hat Raymund Beckers in diesem Kinderdorf gelebt, warum
er an diesem September-Wochenende des Jahres 1995 seinem ehemaligen Heim
einen Besuch abstatten wollte, ist ebenso rätselhaft wie jetzt der
Todeszeitpunkt im Urteil des Mönchengladbacher Landgerichtes.
Weitere Merkwürdigkeiten in diesem Fall: Wenige Stunden vor seinem Tod
hat Raymund Beckers mit seiner Ex-Frau für den nächsten Tag einen
Gesprächstermin vereinbart, bevor er gegen 20.30 Uhr sein Zimmer
verließ, lieh er sich von seinem Vermieter 100 Mark, obwohl er bereits
über 200 Mark verfügte, die Taxifahrt zum Kinderdorf konnte er gegen
Mitternacht aber nicht mehr bezahlen, weil er nur noch 50 Pfennig bei
sich hatte, verbürgt ist für die Zwischenzeit ein Gaststättenbesuch,
doch nach Aktenlage hat niemand gefragt, wie hoch die Zeche des
37-Jährigen war.
Monatelange Recherchen meinerseits münden in immer neue Widersprüche, um
die sich aber keine Behörde kümmert. Den Sachverhalt aufklären können
wohl nur damalige Heimkinder, die auf mehr erfahren können.
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