ALTMÜNSTER/LINZ. Im Alter von elf Jahren wurden die heute 13-jährige Lena (Vornamen geändert) und ihr Bruder Emil (11) vom Freund der Mutter sexuell missbraucht. Der Mann wurde verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt, die er seither verbüßt.
Weil die Mutter (32) daraufhin einen
seelischen Zusammenbruch erlitt und weil die Wohnverhältnisse als
desolat beschrieben wurden, kamen die missbrauchten Kinder und ihre zwei
Geschwister im März 2010 in ein Heim des SOS-Kinderdorfs in Altmünster.
Lena, die älteste der vier Geschwister, berichtet den OÖN über Vorfälle
von Gewalt und dubiosen Erziehungsmaßnahmen in der Einrichtung.
So habe ein Betreuer ihren Bruder Emil mehrfach
geschlagen, sodass er blaue Flecken gehabt habe. Ihr kleiner Bruder
Andreas (6) sei zur Strafe, weil er nicht habe einschlafen können, in
einer Herbstnacht bei strömendem Regen 20 Minuten vor die Tür gestellt
worden. „Seither wurde er oft krank, bekam 40 Grad Fieber“, sagt das
Mädchen. Sie selbst sei vor anderen Heimkindern von Betreuern gedrängt
worden, doch endlich über die „sexuelle Belästigung“ durch ihren
Stiefvater zu erzählen. Es gebe in dem Heim auch Kollektivstrafen und
Zimmerarrest.
„Wenn wir nicht brav waren, bekamen wir kein
Essen mehr. Ich kenne das Gefühl, hungrig ins Bett oder in die Schule zu
gehen“, sagt die 13-Jährige. Ein anderer Bub sei auch geschlagen worden
und über Nacht im Zimmer eingesperrt worden – mit einem Topf für die
Notdurft. Als der Bub einmal eingenässt habe, habe ein Betreuer die
anderen Kinder aufgefordert, ihn deswegen auszulachen. „Erst als vor
kurzer Zeit das Besuchsrecht unter Aufsicht gelockert wurde und ich mit
meinen Kindern außerhalb des Heimes sprechen konnte, haben mir die
Kinder von den Vorfällen erzählt“, sagt die Mutter. Sie hat Anzeige
erstattet.
Nach einer Suizidandrohung befindet sich die
13-Jährige seit vier Wochen im Wagner-Jauregg-Spital. „Dort geht es mir
viel besser und die Therapeutin akzeptiert es, wenn ich nicht mehr über
die Sachen von früher reden möchte“, sagt Lena.
Annemarie Lammer vom Kinderdorf in Altmünster
weist die Vorwürfe von Schlägen entschieden zurück. „Auch Essensentzug
gibt es bei uns nicht.“ Das Personal sei sehr qualifiziert.
Sexueller Kindesmissbrauch
Am 5. November 2009 entdeckt die Mutter von
Lena und Emil auf dem Handy ihres Lebensgefährten pornografische
Aufnahmen der beiden Kinder und erstattet sofort Anzeige. Der Mann wird
noch am selben Tag festgenommen und die Untersuchungshaft verhängt. Der
Angeklagte wird im April 2010 rechtskräftig verurteilt: vier Jahre Haft
wegen schwerer Sexualdelikte, die der Mann derzeit verbüßt. Die Mutter
bittet direkt nach der Anzeige in ihrer Not das Jugendamt um Hilfe. „Ich
habe erst nach einem Monat einen Rückruf erhalten.“
Im März 2010 verliert die 32-Jährige das Sorgerecht für ihre vier Kinder.
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