Die Ehe von Renate und
Ernst F. ist längst zerrüttet - Scheidung ist für beide klar. Aber der
Streit um den Aufenthaltsort der Kinder eskaliert. Keine leichte
Entscheidung für den Familienrichter: Wo sind die Kinder besser
aufgehoben? In solchen Situationen schalten Richter gerne psychologische
Gutachter ein. Ihre Arbeit ist prozessentscheidend.
Wer hat Recht in hochstrittigen Fällen?
Paare in Scheidung - am häufigsten werden Gutachter in "hochstrittigen Fällen" eingeschaltet.
Pflicht ist die Beauftragung eines psychologischen Gutachters immer
dann, wenn es um den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung geht, etwa bei
psychischen Erkrankungen der Eltern oder bei möglichem sexuellem
Missbrauch. Pflicht ist ein psychologisches Gutachten auch, wenn ein
Ehepartner vom Umgang oder von der elterlichen Sorge ausgeschlossen
werden soll. Besonders häufig aber wird der Gutachter dann
eingeschaltet, wenn ein Scheidungspaar sich partout nicht einigen kann,
bei welchem Elternteil das Kind leben soll. In diesen sogenannten
"hochstrittigen Fällen" hat der Richter einerseits zu wenig Einblick in
die Familien. Andererseits ist er als Jurist kein Fachmann für die
Frage: Wo ist das Kindeswohl eher gewährleistet?Wie arbeiten die psychologischen Gutachter?
In der Regel entscheidet der Richter nach den Empfehlungen des Gutachters. Dazu ist er gemäß der Rechtssprechung auch angehalten - wenn er nicht gewichtige Gegenargumente anführen kann."Das Abweichen von einem fachpsychologischen Gutachten bedarf einer eingehenden Begründung und des Nachweises eigener Sachkunde des Gerichts. Außerdem muss das Gericht dann anderweitig über eine möglichst zuverlässige Grundlage für die am Kindeswohl orientierte Entscheidung verfügen."
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2007
Kritik am Gutachterwesen der Familiengerichte
Die Scheidung ist durch - aber wo soll das Kind leben?
Kritiker der psychologischen Gutachter klagen über ihren großen
Einfluss auf den Ausgang familienrechtlicher Verfahren. Dabei kommen
zwei Faktoren zusammen: Die Familienrichter sind zwar als Juristen
kompetente Fachleute, um das gerichtliche Verfahren zu führen. Bei
Familienstreitigkeiten brauchen sie aber auch psycholgische Kenntnisse -
und daran hapert es in der Praxis oft. Wie wirkt sich die
Trennungssituation auf ein Kind aus? Wie erlebt es das Kind, wenn einem
Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird? Häufig wissen die Richter
zu wenig über die Folgen ihres Handelns Bescheid. Auf der anderen Seite
stehen die psychologischen Gutachter. Ihre Berufsbezeichnung ist nicht
geschützt. Meist arbeiten Psychologen als Sachverständige. Aber ein
Psychologie-Studium ist keine Zugangsvoraussetzung für diese Tätigkeit.
Man findet auch Sozialpädagogen oder Fachfremde wie Heilpädagogen unter
den Gutachtern.Gesetzesreform 2007: Gutachter als Teil der Lösung
Wo sind die Kinder besser aufgehoben? Wenn sich ein Paar nicht einigen kann, gibt der Gutachter seine Empfehlung ab.
In der Praxis treffen Gutachter - im Auftrag der Richter - häufig
eine Entscheidung, wer der "bessere Elternteil" ist. Diese Art der
Begutachtung führt in der Regel zu noch mehr Spannungen unter den
Eltern. Seit der Reform des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen 2009 können Richter den Gutachtern aber auch einen
lösungsorientierten Auftrag mitgeben. Das bedeutet: Statt die Defizite
der Eltern aufzuzählen, sollen sie sich mit Vater und Mutter an einen
Tisch setzen. Die zerstrittenen Eltern sollen sich hinsichtlich ihrer
Kinder einigen. Der Richter kann dann einfach das von beiden Seiten
ausgehandelte Verhandlungsergebnis übernehmen."Die früheren Spielregeln im Verfahren waren: wer es schafft, mit Hilfe eines guten Anwalts den anderen zu demontieren, hat gewonnen. Das hat sich geändert. Die neue Regel heißt: En guter Elternteil ist der, der weiß, wie wichtig der andere Elternteil für die Entwicklung des Kindes ist, und der diese Beziehung auch fördert."
Ursula Kodjoe, psycholgische Gutachterin und Mediatorin
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