Kommentar Schließung Haasenburg
Endlich glaubt man den Jugendlichen
Die
Kinderquälheime zeigen, wie Jugendhilfe nicht arbeiten soll. Junge
Menschen brauchen Anlaufstellen, wo sie ihre Geschichte erzählen können.
Die angekündigte Schließung der Haasenburg-Heime
ist der vorläufige Höhepunkt eines der größten Jugendhilfeskandale der
Nachwendezeit. Endlich wird den Jugendlichen geglaubt, die von Willkür
und Misshandlungen berichteten. Endlich hat die zuständige Ministerin
den Mut, zu sagen, dass die Einrichtung durch Auflagen nicht mehr zu
retten ist. Endlich wird so vorgegangen, wie es bei Kindeswohlgefährdung
in Familien üblich wäre. Weil die Gefahr von Kindesgefährdung besteht,
wird die Betriebserlaubnis entzogen.
Der Skandal liegt nicht nur im Versagen der
Heimaufsicht. Auch die örtlichen Jugendämter und professionelle Helfer
wie Gutachter, Richter, Verfahrenspfleger haben nicht richtig zugehört,
wenn die Kinder sich beschwerten. Sie haben die Eckpfeiler des
Haasenburg-Konzepts mitgetragen, etwa die Einhaltung von „Regeln und
Normen“ als wichtiges Hilfeplanziel.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
erfahren jetzt erstmals, dass man ihnen glaubt. Eltern und Kinder, die
mit dem Jugendamt zu tun haben, sehen sich oft einer „Wand“ von
Professionellen gegenüber, die alle dieselbe Sprache sprechen. Das muss
aufgebrochen werden.
Der Untersuchungsbericht betont an vielen
Stellen, dass einiges – etwa ein Belohnungssystem für erwünschtes
Verhalten und das System geschlossener und später offenen Phasen – auch
in anderen Heimen üblich sei. Der Unterschied wird an weichen Faktoren
festgemacht, wie Mangel an Empathie. Aber birgt Geschlossenheit nicht
immer die Gefahr von Machtmissbrauch? Der Fall Haasenburg macht
anschaulich, wie sehr solche Konzepte schiefgehen können.
Aber auch aus anderen halb oder ganz
geschlossenen Einrichtungen hört man Beschwerden. Auch anderswo gibt es
Time-out-Räume und rigide Regeln. Auch dort gehören Zwangsmaßnahmen auf
den Prüfstand. Eine vierwöchige Sperre des Kontakts zu den leiblichen
Eltern zum Beispiel, wie sie jüngst eine Schulschwänzerin in einem
bayerischen Mädchenheim erlebte, ist eine zu harte Strafe.
Auch aus anderen Heimen laufen Jugendliche
weg. Diese Jugendlichen brauchen unabhängige Ombudsstellen, wo sie ihre
Geschichten erzählen können. Es darf nicht sein, dass sie von der
Polizei zurück ins Heim gefahren werden. Der Fall Haasenburg muss als
mahnendes Beispiel dafür in die Geschichte eingehen, wie Jugendhilfe
nicht arbeiten soll.
Seit fast einem Jahr berichtet die taz über die Missstände in den Haasenburg-Heimen. Hier eine Übersicht, was bisher geschah.
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