Berlin
(MOZ) Der Skandal um die Kinder- und Jugendheime der Haasenburg in
Brandenburg haben unter anderem auch schwere Versäumnisse der
staatlichen Heimaufsicht zutage gefördert. Berlin will nun als erstes
Bundesland eine unabhängige Beschwerdestelle für Heimkinder einrichten.
Misshandlungen durch
überlastete Pfleger, Missachtung von Grundrechten, körperliche
Zwangsmaßnahmen - über die Missstände in den drei Haasenburg-Heimen
wurde über Jahre hinweggesehen. Die Behörden in Brandenburg reagierten
erst, als die Heimkinder mit ihren Berichten an die Presse gingen. Doch
wohin können sich die Kinder und Jugendlichen wenden, wenn sie sich von
der Jugendhilfe schlecht behandelt fühlen?
Berlin
will nun im kommenden Jahr als erstes Bundesland eine unabhängige
Ombudsstelle aufbauen. "Zielgruppe sind grundsätzlich alle Kinder,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Hilfen zur Erziehung in
Anspruch nehmen, also nicht nur allein Heimkinder", erklärt Ilja
Koschembar, Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend
und Wissenschaft. Die Ausschreibung für die neue Stelle sei gerade
fertiggestellt worden. Sie soll Anfang des Jahres besetzt werden.
An
die Ombudsstelle könnten sich Kinder und Jugendliche nicht nur bei
schweren Fällen wie Missbrauch oder Misshandlung wenden, sondern auch
wenn sie sich zum Beispiel im Heim gemobbt fühlen oder der Kontakt zu
den Eltern nicht in dem Maße gewährleistet werde, wie sich es die Kinder
wünschen, erklärt Winfried Flemming, Referent bei der
Bildungsverwaltung in der Abteilung Jugend und Familie. Es sei generell
sinnvoll, wenn bei Konflikten eine unparteiische Person die Probleme mit
etwas Abstand betrachten und zwischen den Jugendlichen und Erziehern
sowie Behörden gegebenenfalls auch vermitteln könne.
Bestehende
Regelverfahren der Jugendhilfe und Beschwerdeverfahren sollen durch die
neue Ombudsfrau oder den Ombudsmann allerdings nicht außer Kraft
gesetzt werden. Zusätzlich können aber Minderjährige dort um Hilfe
bitten, die mit ihren Eltern in betreuten Wohnformen wie zum Beispiel in
Mutter-Kind-Heimen leben.
Bisher
konnten sich Kinder bei Konflikten in Heimen oder Pflegefamilien
höchstens an den unabhängigen Jugendnotruf wenden, der 2007 vom
Kinderschutzbund in Berlin eingerichtet wurde. Doch dieser habe nur
bedingt Zugriffsmöglichkeiten und könne zum Beispiel bei ernsthaften
Problemen von den Heimbetreibern keine unverzügliche Stellungnahme
anfordern, erklärt Ilja Koschembar. "Die Ombudsperson soll dagegen mit
der Macht ausgestattet werden, kritisch von oben draufzuschauen und bei
Missständen entsprechende Hebel in Bewegung zu setzen. Das können auch
strukturelle Probleme in der Jugendhilfe sein", so der
Verwaltungssprecher.
Die
Kommission, welche die Missstände in den drei Brandenburger
Haasenburg-Heimen untersuchte, spricht von einem "Versagen der
Kontrollgremien" und fordert in ihrem Abschlussbericht den Aufbau einer
unabhängigen Kontrollagentur zur Überprüfung der Qualität der Arbeit
sowie der dazugehörigen Verwaltungseinrichtungen der Hilfe zur
Erziehung, in Jugendämtern sowie in den zuständigen Landesbehörden. Der
aktuelle Skandal ist aber nicht der Grund, warum Berlin jetzt den
Modellversuch startet.
Die
Ombudsstelle ist vielmehr eine Konsequenz des Runden Tisches zur
Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren und zum sexuellen
Kindesmissbrauch. "Aufarbeitung ist nicht nur Vergangenheitsbewältigung,
sondern bringt auch Anstöße für die Zukunft", erklärte
Bildungs-Staatssekretärin Sigrid Klebba jüngst auf einer Tagung zur
DDR-Heimerziehung in Berlin-Zehlendorf. Durch die Beschäftigung mit den
Schicksalen ehemaliger Heimkinder, die oftmals Jahrzehnte zurückliegen,
habe die Frage der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und deren
Möglichkeiten zur Beschwerde an Aktualität gewonnen.
Als
Konsequenz aus dieser Debatte sollen die Mitspracherechte junger
Menschen und ihrer Familien bei der Gestaltung von Erziehungshilfen
künftig gestärkt werden. Die Erprobung einer unabhängigen Ombudsstelle
in der Jugendhilfe soll dazu beitragen. "Wir erhoffen uns von dem
Pilotprojekt auch eine Strahlwirkung auf andere Bundesländer", sagt
Koschembar.
http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1212497
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