LINZ/SALZBURG. Seit zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Linz gegen einen Salzburger Psychologen wegen des Verdachts des schweren Betrugs und falscher Beweisaussage.
Mit Textschablonen, dubiosen wissenschaftlichen Methoden bis hin zur Verfälschung von Ergebnissen streng genormter Psychotests soll der 49-Jährige jahrelang für Familiengerichte in Oberösterreich und Salzburg Gutachten „wie am Fließband“ erstellt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Familienpsychologe, der nach dem Aufkommen
der Vorwürfe Ende 2009 aus der Liste der gerichtlich beeideten
Sachverständigen ausschied, lieferte bis zu 66 Gutachten pro Jahr und
verrechnete bei der Justiz zwischen 3000 und 5000 Euro Honorar.
Inhaltlich bewertete der Salzburger Familienbeziehungen, um die
Zivilgerichte bei der Entscheidung über Obsorge- und Besuchsrechtsfragen
zu unterstützen. Um die Qualität der Expertisen zu bewerten,
beauftragte die Staatsanwaltschaft Linz den renommierten forensischen
Psychologen Max Steller von der Berliner Charité.
Steller überprüfte 15 Expertisen. Sein
„Über-Gutachten“ über die Arbeit des Salzburger Sachverständigen liegt
den OÖNachrichten vor. Das Ergebnis ist verheerend. Zusammengefasst sei
die Qualität der Gutachten in den geprüften Fällen so schlecht, dass sie
als „Hilfe für familienrechtliche Entscheidungen unbrauchbar“ seien.
Allen Gutachten mangle es an Transparenz und Nachvollziehbarkeit,
schreibt Steller. Zudem ortete der Berliner grobe inhaltliche und
fachliche Mängel und sprachliche Defizite in den Gutachten. Bei den
Interviews habe der Gutachter Fragemethoden für Kinder bei Erwachsenen
angewendet und umgekehrt.
„In allen Gutachten ist eine Tendenz zur
ungerechtfertigten Pathologisierung der Beteiligten festzustellen“,
schreibt der Berliner. So habe der Salzburger „in abwertender Form“ und
„in der Regel nur bei Vätern“ über deren angebliche Sexualstörungen
gefachsimpelt. Vor allem von krankheitswertigem „Narzissmus“ war
regelmäßig die Rede. So entstehe der Eindruck der „Voreingenommenheit“.
Dies sei auch sehr problematisch, schreibt Steller, weil: „Eine
sexualmedizinische Beurteilung durch einen Psychologen ist eine
Kompetenzüberschreitung.“
In vielen der überprüften Fälle prozessierten
getrennte Eltern oft jahrelang und zermürbend um ihre Rechte. Das
Gutachten aus Berlin – es umfasst mehr als 280 Seiten – werde nun
strafrechtlich gewürdigt, sagt der Linzer Staatsanwalt Rainer Schopper.
Drei Fragen an Margreth Tews
Die Prozessbegleiterin Margreth Tews spricht über ihre Erfahrungen mit dem beschuldigten Gutachter.
OÖN: Wie kamen Sie mit dem beschuldigten Gutachter in Berührung?
Margreth Tews: In einem von mir betreuten Fall
wurden Vater und Kind ungerechtfertigt mit psychischen Störungen
punziert – das Kind mit dem äußerst seltenen Asperger-Syndrom, der Vater
mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Wir entdeckten
gefälschte Zahlenergebnisse streng normierter psychometrischer
Testverfahren und grob verzerrte Wiedergaben der Aussage meines
Klienten.
OÖN: Welche Folgen hatte dies für den betroffenen Vater und das Kind?
Margreth Tews: Das überdurchschnittlich
intelligente Kind wurde zwei Jahre lang in einer Behinderteneinrichtung
ganztags betreut. Für den Vater war das ein jahrelanger geld- und
zeitaufwändiger Kampf.
OÖN: Wurde das aktuell sehr kritisierte Gutachten vom Gericht akzeptiert?
Margreth Tews: Die Richterin untersagte Fragen
zu den mutmaßlich gefälschten Psychotest-Ergebnissen und verteidigte das
Gutachten. Erst die zweite Instanz konnte eine gute Lösung
herbeiführen.
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