06.06.12

Elterliches Sorgerecht im Hauruck-Verfahren entzogen




Sieben Kinder zog ein Ehepaar auf, vier gemeinsame und drei weitere Kinder der Mutter. Diese wandte sich an das Jugendamt - von dem sie schon ein Mal sozialpädagogische Unterstützung erhalten hatte - und bat um Erziehungshilfe. Dafür sollte der Psychologe des Jugendamts ein Konzept entwickeln. Als der Gutachter jedoch Anzeichen für Verwahrlosung der Kinder feststellte und das der Behörde meldete, beantragte das Jugendamt statt dessen bei der Justiz, den Eltern das Sorgerecht für die Kinder zu entziehen.

So ordnete es der Amtsrichter noch am gleichen Tag an, ohne die Eltern anzuhören: Nur die Trennung von den Eltern könne das Wohl der Kinder gewährleisten, lautete die Begründung, man dürfe ihnen nicht einmal den Aufenthaltsort der Kinder mitteilen. Daraufhin wurden die Kinder abgeholt, ein Neugeborenes sogar aus der Entbindungsstation mitgenommen. Als auch das Oberlandesgericht (auf die Beschwerde der Eltern hin) diese Entscheidung bestätigte, legten die Eltern Verfassungsbeschwerde gegen die Gerichtsbeschlüsse ein.

Und sie bekamen Recht: Weil die Beschlüsse das grundrechtlich geschützte Elternrecht verletzten, wurden sie vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben (1 BvR 605/02). Auch in einem Eilverfahren müssten Gerichte die Familienverhältnisse sorgfältig prüfen. Im Bereich des Sorgerechts würden bereits durch vorläufige Maßnahmen Tatsachen geschaffen, die kaum noch rückgängig zu machen seien. Ein so radikaler Eingriff in die Familie habe auf die Kinder erhebliche Auswirkungen - das sei hier überhaupt nicht berücksichtigt worden.

Zum Ausmaß der Gefährdung des Kindeswohls hätte das Amtsgericht Gutachter und Jugendamt genauer befragen und sich persönlich einen Eindruck von den Kindern verschaffen müssen. So schwer wiegende Maßnahmen dürfe ein Gericht nicht anordnen, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären. Auffallend sei auch der Widerspruch, dass die Mutter um Hilfe zur Erziehung nachgesucht habe, während der Gutachter behaupte, es käme wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft der Eltern kein milderes Mittel als der Entzug des Sorgerechts in Betracht.
Diesen Punkt müsse das Gericht ebenfalls noch klären.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2002 - 1 BvR 605/02

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