22.06.12

Einer gegen alle - Der Vater und seine Richter: Herr S. kämpft um seinen Sohn – und zieht zum zweiten Mal vors Bundesverfassungsgericht

 

 

Osnabrück. Und plötzlich war Niklas* weg. In Obhut genommen vom Jugendamt der Stadt Osnabrück, weil der Dreijährige aus Sicht der Behörde bei seinen Eltern gefährdet war. Die wehren sich und wollen ihren Jungen zurück. Zum zweiten Mal ziehen sie vor das Bundesverfassungsgericht. Kein Einzelfall: Zehntausende Kinder werden Jahr für Jahr aus ihren Familien geholt. Mal für kurze Zeit, mal für immer.

Missverständnisse?

S. spricht von vielen Missverständnissen mit den Mitarbeitern der Familienhilfe. Ein Arzt habe zudem bestätigt, dass Niklas’ Gewicht im unteren Bereich des Normalgewichts liege. Dass sein Sohn Sprachprobleme habe, sei ihm nicht entgangen. Die Familienhilfe sprach von „quietschenden und gurgelnden Lauten“, die der Junge von sich gebe.
Nach dreieinhalb Monaten beendete S. die Zusammenarbeit mit der Familienhilfe. Das Jugendamt wandte sich an das Familiengericht wegen einer Überprüfung einer sogenannten Kindeswohlgefährdung – mit bekanntem Ausgang. Dagegen legte S. Beschwerde ein, verlor aber zunächst vorm Oberlandesgericht in Oldenburg.

Er beklagt: „Bei beiden Gerichten wurde einseitig die Sichtweise des Jugendamtes übernommen. Unsere Zeugen wurden teilweise nicht einmal angehört.“ Das OLG schmetterte die Beschwerde ab, bei einem Verbleib des Kindes in der Familie sei das körperliche Wohl akut gefährdet. S. zog weiter vor das Bundesverfassungsgericht.
Und in Karlsruhe gab man seiner Verfassungsbeschwerde statt – zumindest teilweise. In Sachen Kindeswohl stimmten die Karlsruhe Richter den Kollegen aus Oldenburg und Osnabrück zu. Das scheint S. zu übersehen, wenn er davon redet, recht bekommen zu haben. Die Richter monierten lediglich, dass die Inobhutnahme und Unterbringung des Jungen in einer Pflegefamilie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. „Als mildernde Maßnahme wäre insbesondere die Anordnung der Vormundschaft der Großmutter in Betracht zu ziehen gewesen“, stellten die Karlsruher Richter fest und gaben das Verfahren zurück nach Oldenburg.

Im zweiten Anlauf scheiterte S. aber erneut. Die Großmutter sei zu alt, um den kleinen Jungen zu betreuen, befand das OLG. S. gibt nicht auf. „Nächste Woche wollen wir wieder Verfassungsbeschwerde einlegen“, kündigt sein Anwalt Patrick Katenhusen an. Gegen die Richterin am Amtsgericht sowie die Mitarbeiter des Jugendamtes haben sie ein Verfahren wegen Kindesentzugs eingeleitet.
Beim Jugendamt Osnabrück will man sich nicht zu dem Fall äußern. „Auch zum Wohl des Kindes“, wie Paulus Fleige sagt. Er erklärt: In gut der Hälfte der Inobhutnahmen durch das Jugendamt lande der Kampf ums Wohl des Kindes vor Gericht. Nicht immer geht es vors Verfassungsgericht.

S. sitzt derweil vor zwei prall gefüllten Aktenordnern zum Fall seines Sohnes. Er schüttelt den Kopf: „Ich verstehe das alles nicht; das ist unverantwortlich“, sagt er und deutet auf die Berichte des Jugendamtes. Ob er finde, dass er ein guter Vater sei? „Ich hoffe das zumindest“, sagt S.

*Namen von der Redaktion geändert





Mehr zum Thema

 

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen