Ich bin seit knapp sechs Monaten Vater.
Die ersten Wochen mit dem neuen Menschen sind eine Zeit, die vermutlich nur andere Eltern nachvollziehen können. Aufregend, ermüdend, an die Grenzen treibend. Aber schön, wunderschön. Ursprünglich wollte ich die ersten zwei Monate nicht arbeiten und nur bei meiner Frau und dem Baby sein, aber dann kam das kleine Gemeinschaftsprodukt zwei Wochen früher als erwartet, einige Texte waren noch nicht fertig, ich musste also erst einmal weiterarbeiten. Es kamen neue Aufträge, die ich nicht absagen wollte, und auf einmal merkte ich, dass ich Geld viel wichtiger als zuvor fand. Ich war in einem Versorgermodus, ich fing eine Sache nach der anderen an, weil ich auf einmal das Bedürfnis nach einem satten Polster auf dem Konto hatte, ein Polster, das auch noch halten würde, wenn ich einmal krank wäre, ein Windelpolster, ein Fläschchenpolster, ein Medikamente- und Spielzeugpolster, ein Größerewohnungspolster.
Ich redete mit meinem alten Freund K. über diesen Versorgermodus. K. sagte, ich solle vorsichtig sein. Er fahre in diesem Modus seit fünf Jahren und sei mittlerweile „stresskastriert“. Im Bett laufe deswegen schon ewig nichts mehr. Dazu verachte ihn seine Frau, weil sie nur halbtags arbeite, während er ja unbedingt Karriere machen müsse, während sie bei den Kindern zu bleiben habe.
Eine Scheidung käme aber nicht infrage: Dann würde er seine beiden Töchter nie wieder sehen. Mütter würden doch immer das Sorgerecht bekommen.
Von solchen Dingen will ich im Moment eigentlich nichts wissen. Und erst recht nichts von Geschlechterkrieg und Kampf um das Kind. Und außerdem: Haben wir das nicht überwunden? Wenn es die für alle frischen Eltern düstere Bedrohung am Horizont schon gibt – dass man eines Tages keine Familie mehr ist –, kann man dann nicht wenigstens darauf hoffen, dass das alles zivil über die Bühne geht?
Je mehr ich mich umhörte, desto klarer wurde mir: kann man nicht. Im Gegenteil, die Frauen und Männer rüsten auf im Kampf um das Kind, es wird, fein säuberlich getrennt nach Geschlechtern, in Lagern gekämpft. Es gibt nicht mehr nur die Vätervereine, die sich bereits seit 40 Jahren bemühen, die Rechte der Väter zu vertreten, sondern seit kurzem auch zum Beispiel den Verein „Mütterlobby“ für weibliche Scheidungskriegsopfer. Zweite, unschöne Erkenntnis: Die Weichen für diese traurigen Rosenkriege werden zu einer Zeit gestellt, zu der viele an Trennung noch gar nicht denken. In dem Moment nämlich, in dem wir in die Geschlechterrollenfalle tappen. Und das passiert den allermeisten Paaren. Weil, dritte Erkenntnis: Die Politik immer noch versagt, wenn es darum geht, Gleichberechtigung in Familien- und Arbeitsleben zu unterstützen.
Die Kinder sollen beide Eltern haben, klar, das klingt logisch. Aber warum erst nach der Scheidung?
Foto: Getty Images/iStockphoto
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Im Sorgerechtsverfahren behauptete ihr Ex-Mann dann, sie habe ihn und die Kinder massiv geschlagen. Auf den Gedanken, das zu behaupten, habe ihn wohl ein Väterverein gebracht, glaubt Natalie Bauer, die sich inzwischen vom Verein „Mütterlobby“ beraten lässt.
Nur so sah ihr Ex-Mann wohl eine Chance, das Umgangsrecht zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Während die gemeinsame Sorge inzwischen Standard ist, ist die Frage des Umgangsrechts zurzeit das umstrittenste Thema zwischen organisierten Vätern und Müttern. Die Väter befürworten ein Modell, bei dem die Kinder jeweils für einige Tage bei der Mutter und dann beim Vater leben. Gängiger ist das Residenzmodell, bei dem das Kind einen Hauptaufenthaltsort hat. Das von den Vätern favorisierte Wechselmodell, inzwischen in den USA, Frankreich, Spanien und anderen Ländern gesetzlich verankert, scheint sich auch in Deutschland durchzusetzen.
Die Kinder sollen beide Eltern haben, klar, das klingt logisch. Aber warum erst nach der Scheidung?
Im Rückbildungskurs meiner Frau waren acht Frauen, es gab acht Termine. 64 Gelegenheiten für einen der Väter, der Mutter das Kind abzunehmen. Einmal tatsächlich hat ein Vater während der einen Stunde das Kind versorgt, einmal ein Onkel. Ich selbst: kein einziges Mal.
Eine Geburt verbindet, eine Geburt trennt aber auch. Kann man einen Opernbesuch ähnlich erleben, kommt man aus dem Kreißsaal doch mit sehr unterschiedlichen Erlebnissen heraus. Und ehrlich: Mir schmerzt nicht die Brust, wenn das Baby brüllt.
Mit dem Stillen fängt es spätestens an: Die Mutter ist dem Baby näher, sie nährt es. Ich kann den Kleinen trösten, wenn er Weltschmerz hat, aber ich bekomme ihn nicht satt.
Die Politik hat sich nun etwas überlegt, von dem sie glaubt, etwas für ein moderneres Rollenverständnis getan zu haben: Das Paar bekommt in den ersten 12 Monaten nach der Geburt Elterngeld. Das Elterngeld kann auf 14 Monate erweitert werden, wenn auch der Mann mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt.
Nur 38 Prozent aller Paare haben allerdings diese Erweiterungsmöglichkeit in Anspruch genommen, bei der großen Mehrheit hat der Mann weitergearbeitet.
77,9 Prozent der Paare, die 14 Monate Elterngeld bezogen haben, haben genau die Mindestanforderung erfüllt, der Mann hat sich also zwei Monate um das Kind gekümmert, die Frau ein Jahr lang.
Ausgeglichen war das Verhältnis bei gerade einmal 1,5 Prozent der Paare. Beide haben in diesem Fall jeweils sieben Monate das Kind überwiegend betreut. Und in nur 0,9 Prozent der Fälle hat der Vater mehr Zeit mit dem Kind verbracht als die Mutter.
Also weniger als ein Prozent der 38-Prozent -Minderheit, bei der nicht von vornherein ausschließlich die Mutter beim Kind bleibt, praktiziert tatsächlich eine Rollenumkehr.
Neue Väter: seltener als Wähler der Tierschutzpartei.
Im Sorgerechtsverfahren soll das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Wenn es aber kein Problem für das Kindeswohl ist, wenn der Nachwuchs während der Ehe ausschließlich von der Mutter erzogen wird, warum ist dann nach der Trennung auf einmal der Vater unerlässlich?
Zwei Aspekte sind dabei interessant: Zum einen führt die alleinige Pflege durch die Mutter dazu, dass der Anspruch des Vaters nach der Trennung fragwürdig erscheint. Zum anderen ist diese Art der Arbeitsteilung Gift für das Verhältnis der Eltern.
Aus Schweden, wo das Elterngeld bereits 1974 eingeführt wurde, ist bekannt, dass das Scheidungsrisiko um 30 Prozent sinkt, wenn der Vater die Auszeit in Anspruch nimmt.
Aber wir Männer gehen ja nicht so vor, weil wir ein Geschlecht von Arschlöchern wären. Ich renne nicht herum und erzähle, dass Frauen möglichst lange stillen sollen. Hebammen machen das.
Es wäre auch schon eine riesige Hilfe, wenn das Elterngeld wie in Schweden 80 Prozent des sonstigen Gehalts betragen würde (maximal 100 Euro pro Tag, in Deutschland 60) oder gar wie in Norwegen 100 Prozent, nicht 65 Prozent wie bei uns. Aber selbst wenn ich als Mann zuhause bliebe, hätte ich einfach dieselben Probleme, die jetzt eine Frau hat. In Firmen gilt stur das Senioritätsprinzip. Wer länger dabei ist, verdient mehr. Wer Kinder pflegt, muss dafür büßen.
Nun gibt es natürlich genügend Wissenschaftler, die sagen, Kindererziehung liege sowieso nicht in der Natur des Mannes. So antwortet etwa der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt auf die Frage der Süddeutschen Zeitung, ob Männer und Frauen sich die Erziehungsarbeit teilen könnten: „Nein, Männer verlieren zu schnell das Interesse, wenn sie mit Kindern spielen.“ Dank ihrer Gehirne seien Frauen besser geeignet für pflegende Aufgaben. Bei den Yanomami sehe man ja schließlich, dass Frauen durch ihre Kinder gar nicht belastet seien, obwohl die Yanomami-Frauen ihre Kinder drei Jahre lang stillten.
Was ist also mit meiner Natur? Zugegeben: So sehr ich das Baby liebe, ich finde es auf Dauer etwas langweilig. Da bin ich ganz bei Eibl-Eibesfeldt. Aber jetzt kommt der Clou: Meiner Frau geht es genauso.
Kinder sind entzückend, aber Arbeit auch. Gerade macht sie noch ihre Doktorarbeit, jetzt ist sie eine Art Laien-Tierpflegerin.
Und meine Frau ist keineswegs in einer natürlichen Situation, wenn sie sich rund um die Uhr um den Kleinen kümmert. In allen indigenen Kulturen werden die Kinder von allen Familienmitgliedern mitbetreut. Eine in der Nähe wohnende Verwandtschaft ist in Deutschland gerade in Großstädten jedoch genauso selten wie nachbarschaftliche Hilfe. Die meisten unserer Freundinnen sind den ganzen Tag mit dem Kind allein, wie es auch Natalie Bauer war. Die Mit-Kind-Vereinsamung, die eine Frau in Deutschland erlebt, ist ein historischer Sonderfall. Nun noch einmal zu der Natur des Mannes: Menschen haben eine natürliche Tötungshemmung. In allen Kulturen wird eine enorme Anstrengung unternommen, jungen Männern die Tötungshemmung abzutrainieren, um sie zu Kriegern zu machen. Von Soldaten der US-Armee ist bekannt, dass sie durch Videospiele, Drill, Gehorsam und Training bis zur Erschöpfung dazu gebracht werden, andere Menschen leichterhand töten zu können. Kann es da nicht möglich sein, in Männern Interesse an Babys zu wecken?
Es scheint dringend an der Zeit zu sein. Denn die Arbeit allein ist es nicht, die Väter von ihren Kindern abhält: Erwerbslose Väter verbringen weniger Zeit mit ihren Kindern als berufstätige Mütter.
Und doch besteht kein Zweifel an dem Leid, das es für Männer bedeutet, ihre Kinder nicht mehr sehen zu dürfen. Für seine Doktorarbeit hat der Familienberater Herbert Pagels weltweit als Erster über gegen ihren Willen verlassene Väter geforscht. „Das Ausmaß der Verwundung ist bei diesen Vätern unheimlich groß“, sagt Pagels. „Die Parteilichkeit der Vätervereine ist da zunächst eine Hilfe.“ Manche Vereinsmitglieder agierten durchaus aggressiv, würden aber auch immer wieder zu konstruktivem Verhalten aufgefordert. „Außer bei den ganz Radikalen sind diese destruktiven Ansätze allerdings Teil eines Prozessgeschehens“, sagt Pagels. In der ersten Wut und Hilflosigkeit treffe man sich mit Gleichgesinnten, schimpfe auch mal über „die Schlampen“ – wie auch in Frauenforen über „die Verbrecher“ geschimpft werde. Es sei eine erweiterte Variante des Sich-bei-Freunden-Ausheulens. Es komme darauf an, aus dieser Phase der extremen Belastungen wieder herauszufinden.
Das gelingt nicht immer, nicht wenige der verlassenen Väter flüchten sich in den Alkohol, sind verzweifelt, denken daran, sich das Leben zu nehmen. Viele fühlten sich als Vater abgewertet, sagt Pagels, litten unter Schlaf- und Essstörungen, Magenproblemen, Herzbeschwerden und massiven Gewichtsverlusten. „Kinder sind eben sinnstiftend“, sagt er. „Der, der die Kinder behält, verliert den Partner, der andere alles.“
Die Väter berichten in überwiegender Mehrheit (79 Prozent) davon, dass der Kontakt zu ihrem Kind durch die Mutter erschwert werde. „Kinder wollen oft unbewusst der Mutter gefallen, indem sie schlecht über den Vater reden“, sagt Pagels. „Das schmerzt sehr und wirkt auf die Väter, als habe die Mutter die Kinder aufgehetzt.“ Die manchmal brachial wirkende Rhetorik einiger Männerrechtler werde schnell als frauenfeindlich interpretiert, wobei man leicht verkenne, dass sich in dieser Weise massives Leid ausdrücke.
Etwas fällt auf: Die verlassenen Väter in der Studie von Herbert Pagels wurden von der Trennung durch ihre Frau vollkommen überrascht.
Wenn ein Partner vom anderen aus heiterem Himmel verlassen wird, dann war der Himmel meistens nicht annähernd so heiter wie gedacht. Der Partner, der geht, hat im Gegenteil das Gefühl, immer und immer wieder gesagt zu haben, was ihn stört. Die Männer aus der Studie berichteten von Eheproblemen, die Überraschung bestand nicht darin, dass eine als harmonisch erlebte Beziehung sich auflöste; sie hatten eher daran geglaubt, dass man Schwierigkeiten eben aushält.
Was sind das für Schwierigkeiten? Und warum sind so häufig die Frauen diejenigen, die gehen?
Führen wir uns noch einmal vor Augen, was nach der Geburt des Kindes geschieht. In der Regel ist es so wie bei mir: Die Mutter versorgt den Säugling, der Vater versucht mehr zu arbeiten als zuvor, weil er jetzt eine Familie zu versorgen hat. In Ratgebern wird vor genau dieser Situation gewarnt: Mutter und Vater sollten sich nicht von Rollenanforderungen unter Druck setzen lassen. Leider haben diese Ratgeber nicht alle gelesen, besonders nicht die, die keine Kinder haben. Nach sechs Monaten als Vater kann ich diese nicht-repräsentative Faustregel aufstellen: Man bekommt als Vater – wenn man mal etwas verschieben muss, weil das Baby Babytypisches macht – viel Verständnis von Frauen mit Kindern, einiges von Männern mit Kindern, etwa ebenso viel von Frauen ohne und gar keins von kinderlosen Männern.
Ich habe es in einer Branche, in der viele Frauen arbeiten, also noch verhältnismäßig leicht. Ein kinderloser Auftraggeber konnte um nichts in der Welt begreifen, dass ich nicht eine Woche nach der Geburt des Kindes wieder voll am Start war. Bevor der neue Chefredakteur des Spiegels seinen neuen Posten antritt, will er einen Monat Elternzeit nehmen. Einer seiner neuen Mitarbeiter findet das albern: „Wir sind doch nicht bei „Frau im Spiegel“.
Nun ist es natürlich so, dass der Mann meistens mehr verdient. Im Schnitt ist er über zwei Jahre älter, hat seinen Beruf eher danach ausgewählt, was er verdient, als danach, ob er durch ihn erfüllt wird, er kann also mit einem Taschenrechner beweisen, dass es richtig ist, wenn eine klassische Rollenverteilung eingenommen wird. Allerdings wird in dieser Rechnung die Scheidung nicht berücksichtigt.
Meine Realität sieht zurzeit so aus: Ich arbeite etwa doppelt so viel wie vorher in der Hälfte der Zeit.
Meine Frau hat unterdessen gelernt, ohne Schlaf auszukommen. Noch bemühe ich mich, ich wickle, ich bespaße, ich singe, ich trage, ich tröste. Aber meine Frau verbringt viel mehr Zeit mit dem Kind.
Nach 14 Jahren befinden sich die meisten Paare, selbst wenn sie es anders geplant hatten, in einer so genannten stark traditionalen Rollenverteilung, fand das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg heraus. Stark traditional bedeutet: Die Frau kümmert sich allein um Haushalt und Kinder. War zu Beginn noch ein Drittel der Ehen partnerschaftlich organisiert, waren es nach vier Jahren nur noch 22 Prozent, nach sechs Jahren 18 und nach 14 Jahren gerade einmal noch 13 Prozent. Der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann spricht hier vom „Widerstand des Konkreten“, der der „prinzipiellen Idee“ der Gleichheit gegenüberstehe. Der gute Wille zur Abkehr von der alten Rollenverteilung reicht nicht. Die Realität ist stur.
Vielleicht kann man die zwiespältige Vaterrolle mit dem Videorecorder-Paradox erklären: Mein Vater war Ingenieur und betrieb Mathematik als Hobby, aber er konnte einen Videorecorder nicht programmieren. Jeder kennt diese kleinen Hürden im Kopf, die ihn von etwas abhalten, das er eigentlich kann und sogar tun muss. Es ist eine psychologische Einstiegsschwelle, Dinge nicht zu versuchen, die einem nicht intuitiv liegen. Aus dem kleinen Kompetenzunterschied, der durch das Stillen entsteht, durch die schwangerschaftsbedingte Nähe oder vielleicht sogar aus der Natur, wächst so eine Kluft, die irgendwann dazu führt, dass der Satz „Das Kind schreit, geh du mal“ einem Geschlecht zugeordnet werden kann.
Aber wie immer, wenn ein scheinbar individuelles Problem bei beinahe jedem vorkommt, reicht es nicht, sich zusammenzureißen. Der Widerstand des Konkreten, das ist man nicht allein. Der Widerstand des Konkreten, das ist die Kinderärztin, die meine Frau anraunzt, weil sie nicht beim Impfen dabei sein will, aber ignoriert, dass ich bei dem Kleinen bin, das ist die Frauenärztin, die mich nicht ins Untersuchungszimmer lässt, das ist die Tatsache, dass man mit 65 Prozent eben einfach nicht auskommt, das sind die Mails, die um acht Uhr abends noch eine dringende Nachbearbeitung verlangen, das sind männliche Freunde, die schon das Wort „Geburtsvorbereitungskurs“ zum Davonlaufen finden, das sind all die unerwünschten Ratschläge, die einer Frau immer wieder von Neuem ein schlechtes Gewissen machen, und das ganz unabhängig davon, welche Entscheidung sie trifft.
Galten lange Zeit Kitas als direkter Weg in die Psychiatrie (gerade erst hat ein Journalist sich nicht entblödet, den Weg Beate Zschäpes in den Nationalsozialismus damit zu begründen, dass ihre Mutter sie bereits mit vier Monaten in die Kita gegeben hat), müssen sich nun auch Mütter, die zunächst bei den Kindern bleiben, anhören, ihren Kindern würde es dadurch an Sozialkompetenz fehlen.
Kinder sind etwas Unnatürliches geworden, etwas, das nicht mehr passt in die Umstände, die wir uns geschaffen haben. Und das also ist die Situation der Eltern in diesem Land.
Da gibt es einen Staat, der Kindeswohl produzieren will, aber die traditionelle Rollenverteilung eher zementiert als auflöst. Eine Gesellschaft, in der der Vater sich lächerlich macht, wenn er sich Zeit für das Kind nehmen will. Und eine unflexible Arbeitswelt. Dass sich jetzt selbst die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft für Kitaplätze stark macht, zeigt, woher der Wind eben auch weht: Vielleicht will man nicht Müttern helfen, vielleicht braucht man nur mehr billige Arbeitskräfte.
Muss Gleichberechtigung heißen, dass sich beide nicht mehr um die Familie kümmern? Es müsste sich die Arbeit um die Familie herum organisieren. Nicht die Familie um die Arbeit. „Die Lebensumstände von Müttern, vor allem in Bezug auf eine lebenswerte Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft, müssen verbessert werden“, heißt es auf der Homepage der Mütterlobby. „Lebenswerte“ ist fettgedruckt.
Aber der Staat fördert im Grunde immer nur das Althergebrachte, es wird kaum kreativ gedacht. (Warum etwa gibt es keine staatliche Babysitteragentur?) Und so kommt es, dass Männer und Frauen einander als Konkurrenz um Zeit und Ressourcen betrachten.
Wenn dieser Text hier fertig ist, kann ich mich endlich ganz auf den Kleinen konzentrieren. Bloß eine Sache muss ich noch kurz schreiben. Ich werde mich beeilen.
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