Erziehungsheim
Ihr 15 Jahre alter Sohn sei von Haasenburg-Betreuern
in einem Brandenburger Heim gedemütigt und isoliert worden, sagt die
Frau. Ein Sprecher der Einrichtung weist die Anschuldigungen zurück.
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Die Mutter des aus der Haasenburg
weggelaufenen 15-Jährigen erhebt schwere Vorwürfe gegen das Kinder- und
Jugendheim in Brandenburg. "Mein Sohn war die meiste Zeit alleine in
seinem Zimmer eingesperrt", sagte sie der Berliner Morgenpost. "Er hat
bis zuletzt schlimm gelitten." Nicht einmal aus dem Fenster habe er
gucken dürfen. Er hätte sonst Kontakt mit anderen Jugendlichen aufnehmen
können.
"Mein Sohn war zwar in einer
Wohngruppe untergebracht, doch bis auf ein paar Mal durfte er nicht mit
den anderen zusammen essen", sagt die Frau, die ihren Namen nicht
veröffentlicht sehen will. Auch sei er nur selten an die frische Luft
gekommen. "Sein Gesicht ist grau, ganz fahl", erzählt die Mutter. Fast
ein Jahr war der 15-Jährige in der Haasenburg in Neuendorf am See im
Kreis Dahme-Spreewald untergebracht. "Es war das absolute Grauen", sagt
die Frau.
Der alleinerziehenden Mutter
war im Jahr 2009 das Sorgerecht entzogen worden, der Junge erhielt einen
Vormund. Die 43-Jährige kämpft darum, das Sorgerecht zurückzuerhalten –
und mittlerweile auch darum, dass ihr Sohn nicht mehr in die Haasenburg
zurück muss. "Dass er in keine geschlossene Einrichtung mehr muss", wie
sie sagt. Denn er sei nicht durch Straftaten aufgefallen. Auch nicht,
indem er sich oder andere gefährdet. Allerdings, so räumt sie ein, habe
er "schon viel Mist gebaut". Was genau er getan hat, sagt sie nicht.
Die Mutter beklagt, dass der
Junge in der Einrichtung nicht gefördert worden sei. Er habe einen sehr
hohen Intelligenzquotienten, leide aber unter einer
Lese-Rechtschreibschwäche. "Für seine Entwicklung war die Haasenburg
alles andere als gut", sagt die Mutter.
Sie kündigte an, dass der
Hamburger Anwalt Rudolf von Bracken, der die drei weggelaufenen
Jugendlichen vertritt, Anzeige erstatten werde. "Mein Sohn selbst will
bei der Polizei nicht aussagen", sagt sie. "Denn dann würde die ihn ja
wieder in so eine Einrichtung bringen." Inzwischen soll das Jugendamt
Charlottenburg-Wilmersdorf einen Platz in einer geschlossenen
Einrichtung in Thüringen für den 15-Jährigen gefunden haben.
Aussage gegen Aussage
Von den drei aus der
Haasenburg ausgerissenen Jungen ist nur noch er "auf der Flucht".
Zusammen mit zwei 16-Jährigen war der 15-Jährige vor etwa zwei Wochen
nachts aus dem Toilettenfenster des Kinder- und Jugendheims geklettert.
Die anderen beiden sind inzwischen in die geschlossene Einrichtung
zurückgebracht worden. Nach Aussage der Hamburger Sozialbehörde hat der
Hamburger Jugendliche seine Vorwürfe inzwischen zurückgezogen.
Der dritte Junge aus dem
Saarland belastete in einem Gespräch mit einem Mitarbeiter des
Landesjugendamtes Beschäftigte der Haasenburg dagegen schwer.
Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) suspendierte
daraufhin drei Mitarbeiter und verhängte für alle drei
Haasenburg-Einrichtungen einen vorläufigen Belegungsstopp.
Der private Betreiber weist
seit Wochen die Vorwürfe zurück, in der Haasenburg würden Kinder und
Jugendliche drangsaliert und über Tage fixiert. Zum Fall des 15-jährigen
entlaufenen Jungen will sich Haasenburg-Sprecher Hinrich Bernzen nicht
konkret äußern. Es handele sich um personenbezogene Daten, die er in der
Öffentlichkeit nicht preisgeben dürfe. Das mache die Angelegenheit aber
auch so schwierig. Denn immer wieder steht Aussage gegen Aussage.
"Ich kann mit Sicherheit
sagen, dass kein Kind und kein Jugendlicher in der Haasenburg die meiste
Zeit allein in seinem Zimmer eingesperrt ist", sagt Bernzen der
Berliner Morgenpost. Es kann im Fall des Jungen durchaus eine
Einzelbetreuung gegeben haben. Er habe aber in der Wohngruppe gelebt und
auch Kontakte mit anderen Jugendlichen gehabt. "Es ist nicht der
Regelfall, dass einer alleine essen muss", sagt er. "Nur in
Ausnahmefällen, wenn er ein Zusammenleben in der Gruppe unmöglich
macht."
Auch kämen die Jugendlichen
regelmäßig an die frische Luft. Sie dürfen sich in Begleitung eines
Betreuers auf dem Gelände aufhalten und auch am Sport teilnehmen. Dass
die Jugendlichen nicht aus dem Fenster schauen dürfen, sei eine Mär. "Es
geht uns darum, den Jugendlichen zu helfen und nicht darum, sie ständig
zu bestrafen", sagt Bernzen.
Richtig sei allerdings, dass
die Bereitschaft des Jugendlichen, zusammenzuarbeiten, belohnt werde.
"Wir setzen nun alles auf die von der Bildungsministerin eingesetzte
unabhängige Expertenkommission", sagt Bernzen. "Sie muss den Vorwürfen
nachgehen." Er sei davon überzeugt, dass sie sich nicht bestätigen
werden. "Ich rechne damit, dass dann auch die drei suspendierten
Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können", so Bernzen.
"Zu Tode gelangweilt"
Der 15-Jährige, nach dem
immer noch gesucht wird, erhob im Interview mit der Tageszeitung "taz"
den Vorwurf, er sei von einem Betreuer mit der Fußspitze heftig ins
Gesäß getreten worden. Außerdem habe ein Betreuer ihm befohlen, in den
Müllcontainer zu steigen. "Dann sagte er auf einmal: ,Wieso bist du denn
da reingestiegen, du bist ja ein Müllbobby, haha, ich lach mich tot'."
Der Erzieher habe ihn fotografiert und die Klappe zugemacht. Später habe
er die Bilder rumgezeigt.
In dem knappen Jahr in der
Haasenburg "habe ich meist nur an meinem Tisch gesessen und mich zu Tode
gelangweilt", so der 15-Jährige. Die Zeit dort habe nichts Positives
für ihn bewirkt. "Ich bin gefühlskälter geworden."
Offenbar haben nicht alle
Betroffenen schlechte Erfahrungen gemacht. So liegen der Berliner
Morgenpost Briefe vor, in denen ehemalige und jetzige
Haasenburg-Bewohner andere Schlüsse ziehen.
Carsten K. schreibt: "Vor der
Haasenburg hab ich viel Mist gebaut und war teilweise kriminell." Zum
Beispiel habe er regelmäßig Marihuana geraucht und alkoholische Getränke
konsumiert. "Ich denke, dass die Betreuer in der Haasenburg sich
redlich bemühen, dass es jedem, der einen kurz- oder langfristigen
Aufenthalt hat, hier gut geht." Weiter schreibt er, dass der Vorwurf,
Insassen würden geschlagen, eine "absurde Lüge" sei. Der Brief endet mit
dem Satz: "Mein Leben ist teilweise wieder im Normalbereich."
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