19.04.12

Frauenministerin Schröder stellt ihr Buch vor - Eine goldene Schürze für die Herdprämie


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Frauenministerin Schröder stellt ihr Buch vor 

Robert Roßmann, Süddeutsche.de 18.04.2012


Was Familienministerin Schröder sagt, passt nicht zum Lebensgefühl ihrer Altersgenossinnen: In der Realität leiden Frauen nicht unter dem Joch der Feministinnen, sondern an den gläsernen Decken in den Unternehmen und der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und genau da fühlen sie sich bei Schröder besonders schlecht aufgehoben.


Und dann kommt er tatsächlich. Der Moment, an dem sie einem leid tut und man sie vom Podium holen möchte. Raus aus dem Keller der Berliner Backfabrik, an die frische Luft - weit weg von all diesem Klamauk.

Kristina Schröder hat sich in die Tiefen von Prenzlauer Berg gewagt, um ihr Buch vorzustellen. Dass die Präsentation kein Triumphzug werden würde, war nach den Verrissen der vergangenen Tage klar. Dass sie derart ausufern würde, überraschte dann aber nicht nur die Veranstalter. Die Debatte über die Thesen der Ministerin ist kaum eröffnet, als ein Dutzend Frauen aufsteht und zur Melodie von "Das bisschen Haushalt" ein ironisches Loblied auf das Betreuungsgeld anstimmt: "Unsere Kinder erzieh'n wir von daheim, vielen Dank! In eine Kita kommt mein Kind nicht rein, vielen Dank!" Der Saal tobt.

Die Interventionistische Linke verteilt Schmähschriften. Und dann stürmt auch noch der Reporter einer Satiresendung auf die Bühne, um Schröder wegen ihres Einsatzes für die "Herdprämie" eine goldene Schürze umzuhängen. In Berlin werden viele Politikerbücher vorgestellt - dergleichen hat es aber noch nicht gegeben. Schröder sitzt versteinert auf der Bühne.

Die Debatte um die Frauenministerin, das kann man nach diesem Abend sagen, wird mit Leidenschaft geführt. Und das ist angesichts der gewagten Thesen Schröders auch nicht sonderlich erstaunlich. Wie in ihrem Kampf gegen die angebliche Bedrohung Deutschlands durch Islamisten fühlt sich Schröder auch in der Familienpolitik von Extremisten umgeben: Auf der einen Seite lauern die Strukturkonservativen mit ihrer Mutterideologie. Auf der anderen die Feministinnen, die die Karrierefrau zum alleinigen "Leitbild der emanzipierten Frau erhoben" haben.

Wir sind zu einer Gesellschaft der Rollenleitbildfanatiker geworden", klagt Schröder auch an diesem Abend. Rechts die alten Unionsmänner, links Alice Schwarzer und die Ihren. Dieses "Diktat der Rollenbilder" will sie brechen - und stilisiert sich dabei zu einer Art Freiheitskämpferin für die heutigen Mütter. Schröder beklagt ein "feministisches Helikoptersyndrom" - die Überbemutterung und -behütung durch andere Frauen. Frau sein heiße heute deshalb vor allem: "Rechenschaft schuldig sein."

"Das Private ist politisch"

 

Insofern beschreibt der Buchtitel "Danke, emanzipiert sind wir selber!" schon das ganze Programm des Werkes: Lasst uns in Ruhe, wir wollen unser Ding alleine machen, das private ist nicht politisch. Und genau damit versetzt Schröder ihre Kritiker in Rage.

Sie negieren damit doch die wichtigste Errungenschaft des Feminismus", wirft ihr eine Frau aus dem Publikum entgegen. "Das Private ist politisch." Dass das ausgerechnet eine Frauenministerin nicht anerkenne, sei erschütternd. Der Staat müsse doch die Voraussetzung dafür schaffen, dass Frauen wirklich frei entscheiden könnten.

Genau in dieser unpolitischen Lasst-uns-in-Ruhe-Haltung Schröders sehen viele Kritiker auch den Grund für ihre angebliche Tatenlosigkeit: Eine Frauenministerin, die gegen eine feste Frauenquote kämpft, aber gleichzeitig klaglos das Betreuungsgeld akzeptiert. Da sei es auch kein Wunder, dass sich das Buch über weite Strecken nur wie eine Abrechnung mit dem Feminismus lese, die Strukturkonservativen aber kaum vorkämen.

Bei jungen Frauen verhasst 

Schröder hält derlei Kritik für ungerecht. Der Feminismus sei "halt eine wirkmächtige Bewegung". Außerdem seien die Strukturkonservativen im Gegensatz zu den Feministinnen nicht angetreten, die Frauen zu befreien. Deren Argumente seien deshalb "leichter auszuräumen". Und bei der Frage, wie politisch das Private sei, gehe es doch vor allem um Selbstbestimmung, sagt die Ministerin. Das sei ja auch ganz wunderbar. Wenn sich Frauen dann aber anders entschieden, als die Feministinnen es wollten, sei es "auch wieder schlecht". Sie nerve das gewaltig. Das "linke Spektrum" wolle Menschen "in eine bestimmte Richtung drängen und umerziehen". Sie dagegen sei für echte Wahlfreiheit - und keine "Gouvernante der Nation".

Belege dafür, dass die Umerzieherinnen nicht nur Schröders Welt, sondern auch den Alltag beherrschen, bleibt die Ministerin an diesem Abend schuldig. Das Publikum ist am Ende fast feindselig. "Geschwätz" und "neoliberaler Quatsch" sind noch die feinsten Zwischenrufe.
Es ist schon erstaunlich, wie verhasst Schröder ausgerechnet bei jungen Frauen ist. Dabei könnte sie doch Vorbild einer ganzen Generation sein. Sie lebt den Fortschritt. Sie ist die erste Bundesministerin, die in der Amtszeit ein Kind bekommen hat. Sie vereinbart Karriere und Familie tatsächlich. Der Mann ist nur Staatssekretär, sie Ressortchef. Und: Schröder hat sich in der politischen Männerwelt durchgesetzt. 34 ist sie, sitzt aber schon seit zehn Jahren im Bundestag, ist Deutschlands jüngste Ministerin. Sie ist trotzdem bar jeder Attitüde, aufmerksam - und vertritt, was sie denkt.

Im politischen Berlin ist Schröder der Sandsack, den jeder boxen darf

Aber genau das ist ihr Problem: Das was sie denkt. Es passt zum Lebensgefühl ihrer Altersgenossinnen so wenig wie die Perlen-Ohrringe. Feministische Umerzieherinnen stehen in Deutschlands Städten schon lange auf der Roten Liste. Außerhalb von Frauenbuchläden finden sich kaum noch Biotope.
In der Realität leiden Frauen nicht unter dem Joch der Feministinnen, sondern an den gläsernen Decken in den Unternehmen und der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und genau da fühlen sie sich bei Schröder besonders schlecht aufgehoben: Ausgerechnet die Frauenministerin kämpft gegen eine feste Frauenquote und akzeptiert das Betreuungsgeld. Genau umgekehrt müsste es sein, schimpfen die Kritiker. Schröder gibt nicht auf.

Schröder ist darob in den vergangenen Monaten zu einer Art personifizierter FDP geworden: Sie kann tun, was sie will, es ist immer falsch. Im politischen Berlin ist sie der Sandsack, den jeder boxen darf. "Nix ist öder als die Politik von Frau Schröder" titelte die Bild-Zeitung am Mittwoch fast zehn Zentimeter groß. In diesen Wochen gibt es keinen Tag, an dem kein Verriss über Schröder erscheint.

Andere würden ob dieser Schläge aufgeben. Doch Schröder hat kein Glaskinn. Auf die Frage, warum sie sich das alles antue, antwortet sie nur: "Wenn sie ein Problem damit haben, angegriffen zu werden, dürfen sie keine Familienpolitik machen. Die sei nun mal "weltanschaulich besonders aufgeladen".

 


Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bei ihrer Buchvorstellung in Berlin. (© dapd)

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