DER FALL. Vor 829 Tagen nahm das Jugendamt Sascha Keller und
Christina Fangerow ihre Tochter Sally Amanda (3) weg. Jetzt kann der
Fall bis vors Bundesverfassungsgericht gehen.
Sally war ein „Frühchen“, 1810 Gramm leicht, 42 Zentimeter groß, per
Kaiserschnitt geholt. Die Ärzte hatten festgestellt, dass das Kind im
Mutterleib nicht weiter wuchs. Sie hatten keine Erklärung dafür. Nach
der Geburt wurden zehn Tage lang Tests gemacht, ohne Ergebnis. Die
Eltern gingen einmal pro Woche mit Sally zu ihrem Kinderarzt, und
schließlich zur Ernährungsberaterin. Sie kümmerten sich mit Liebe und
professioneller Hilfe um ihr Kind. Trotzdem nahm Sally zu langsam zu.
Auch
bei einer weiteren gründlichen Untersuchung kam nur heraus, wie der
Vater an BILD schrieb, „dass sie keine medizinischen und körperlichen
Probleme hat“.
Keine gute Nachricht, denn im Krankenhaus folgerte jemand: Wenn die Ärzte nichts finden, dann sind die Eltern schuld. Sie lassen Sally verkümmern.
Keine gute Nachricht, denn im Krankenhaus folgerte jemand: Wenn die Ärzte nichts finden, dann sind die Eltern schuld. Sie lassen Sally verkümmern.
Am 5. September 2008 wurden Sascha Keller
und Christina Fangerow zu einem Chromosomen-Test ins Krankenhaus
bestellt. Der Vater: „Dort sagten sie uns in einem Gespräch mit dem
Chefarzt, dass wir unserem Kind keine Liebe und auch nicht genug zu
essen geben würden.“
Sallys Vater schlug dem Jugendamt vor, dass
man sie jederzeit unangemeldet zu Hause überprüfen könne. „Egal, was wir
vorschlugen, damit man uns Sally nicht wegnimmt, es war zwecklos“,
berichtet er BILD.
Laut Sozialgesetzbuch (SGB VIII), das die
Aufgaben des Jugendamtes regelt, soll das Jugendamt Familien möglichst
nicht auseinander reißen, sondern Eltern, die überfordert sind, bei der
Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Natürlich sollen die Jugendämter
Kinder, die misshandelt werden, vor ihren Eltern in Sicherheit bringen.
„Ein
Mann vom Jugendamt hat uns gesagt, dass wir uns den Anwalt sparen
können“, schrieb Sascha Keller an „BILD kämpft für Sie!“. Er nahm sich
trotzdem einen Anwalt. Ohne Erfolg. „Wir haben ein Gutachten von der Uni
Frankfurt, aus dem hervorgeht, dass wir Sally nicht vernachlässigt
haben, aber der Richter hat es nicht gelesen oder nicht verstanden.“
Sie
verloren auch vor dem Oberlandesgericht. Jetzt möchte der junge Vater
vors Bundesverfassungsgericht. Obwohl die juristischen Hürden dort ganz
andere als auf dem normalen Rechtsweg sind, hätte sein Fall sogar eine
Chance, meint sein Anwalt. „Aber ich habe das Geld nicht mehr“,
resigniert der Gebäudereiniger.
Sally ist auch heute ein zartes
Kind. Die Eltern fahren alle vier Wochen knapp 70 Kilometer nach
Darmstadt, wo sie in einer Pflegefamilie im „Klemmenhof“ untergebracht
ist. Zusammen mit drei weiteren Pflegekindern und vier leiblichen
Kindern der Pflegefamilie. Im Klemmenhof wohnen mehrere Pflegfamilien.
„Die Pflegemutter bringt uns Sally immer zum Stadion, das ist für sie nicht so weit“, sagte Sascha Keller dem BILD-Redakteur.
„Die Pflegemutter bringt uns Sally immer zum Stadion, das ist für sie nicht so weit“, sagte Sascha Keller dem BILD-Redakteur.
Das
Jugendamt Main-Kinzig-Kreis, von „BILD kämpft für Sie!“ um eine
Stellungnahme gebeten, antwortete, dass es „in dieser Familie intensive
Hilfe in Form Sozialpädagogischer Familienhilfe“ leiste. Sally könne
aber „aufgrund des sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarfs“ noch nicht
zu ihren Eltern zurück. Unsinn, meint der Vater, sie würden für Sally
alles tun, was nötig und sinnvoll ist.
„Wenn wir uns mit
Sally für BILD fotografieren lassen, haben sie uns beim Jugendamt
gedroht, dann ist es ganz vorbei mit den Besuchen“, sagt Sascha Keller
am Telefon, „aber schlimmer als jetzt kann es nicht werden.“
Bei
Regen, Schnee und Kälte können Sallys Eltern mit ihr nur ins Hallenbad
oder ins Kaufhaus gehen. „Wir dürfen nicht mal auf den
Indoor-Spielplatz, das ist angeblich zu aufregend für sie.“ Schikane?
Sally
hat inzwischen eine kleine Schwester, Leonie (14 Monate). Sie gedeiht
und wächst normal und durfte von Anfang zu Hause bleiben. Offenbar
besteht in ihrem Fall nicht der Verdacht, dass sie von den Eltern nicht
gut versorgt würde.
Diesen ungewöhnlichen Fall hat „BILD kämpft für Sie!“
lange zurück gehalten und bisher auch noch nicht gelöst. Doch Sascha
Keller kann nicht mehr. Er wollte nicht länger warten und die Geschichte
in die Öffentlichkeit bringen. BILD will deshalb seinen Lesern das
Schicksal von Sally nicht länger vorenthalten. BILD bleibt dran und wird
Sie weiter informieren.
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