Nach Strafanzeigen ist ein Gerichtsgutachter ins Visier von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft geraten. Der Psychologe soll in Obsorgeprozessen Zeugen-Aussagen und Psychotests verfälscht und mit kopierten Textbausteinen „Fließband-Expertisen“ erstellt haben.
Den OÖN liegen Gutachten des Psychologen zu verschiedenen Fällen vor, die über ganze Passagen inklusive Rechtschreibfehlern ident sind. „Also entweder sind wir alle geklont, oder der Gutachter hat einfach nur einen Textbaustein kopiert und in das nächste Gutachten eingefügt“, sagt ein Betroffener.
Für die Untersuchten kassiert der Sachverständige
für derartige Expertisen im Schnitt jeweils 3000 Euro für rund 100
Seiten Gutachten. Laut Angaben des Justizministeriums erstellte der
Gutachter rund 60 Expertisen pro Jahr in Pflegschaftsprozessen.
Ein
Mediziner aus Oberösterreich fand es seltsam, dass ihm der Psychologe
eine „krankhafte narzisstische Persönlichkeitsstörung“ attestiert hatte.
Der Arzt ersuchte einen Statistiker der Linzer Uni, die Auswertungen
des streng normierten „MMPI-2“-Psycho-Tests nachzurechnen. Ergebnis: der
numerische Parameter „68“ – dieser läge im Normbereich – wurde durch
das „Fließband-Gutachten auf „80“ verwandelt. Dieser Wert attestierte
dem Mediziner jedoch einen „abnormen Geisteszustand“. Ein weiterer
Betroffener hinterfragte die in dem Gutachten angeführten, angeblich
durchgeführten psychoanalytischen Interview-Methoden. „Ich war maximal
eine Stunde in der Praxis des Gutachters“, sagte der Salzburger vor der
Polizei.
Der deutsche Facharzt für Psychiatrie, Wolfgang
Tress aus Düsseldorf, ist der Meinung, dass derartige Testgespräche mit
dem Untersuchten rund fünf Stunden dauern müssten. Wie könne der
Sachverständige da „nach einer einzigen Sitzung Aussagen über
Testergebnisse machen?“, gab der Salzburger bei der Polizei fragend zu
Protokoll. Solche Fragen stellen sich nicht nur die Betroffenen.
„Wir
führen Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Salzburg durch“,
sagt Rudolf Keplinger vom Landeskriminalamt Oberösterreich. Barbara
Feichtinger von der Salzburger Staatsanwaltschaft bestätigt, dass ein
strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Gutachter anhängig sei.
Der Psychologe wurde bei der Kripo unter anderem wegen des Verdachts des
Betruges, falscher Beweisaussage und Kurpfuscherei angezeigt.
Der
Gutachter weist im OÖN-Gespräch die Vorwürfe zurück. Zum aktuellen
Strafverfahren wolle er nichts sagen, Testfälschungen weist er zurück:
„Das ist eine tendenziöse Kampagne gegen mich.“
Nachrichten.at 05.05.2012
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