LINZ/WIEN. 1462 Minderjährige befinden sich in Oberösterreich nicht mehr bei ihren Eltern, sondern sind in Heimen oder bei Pflegefamilien „fremduntergebracht“, weil ihr Wohl zu Hause akut gefährdet wäre.
So viele wie noch nie in den vergangenen zehn
Jahren. Gewalt, Missbrauch, Alkohol, Verwahrlosung: die Gründe für die
behördlichen Abnahmen von Kindern seien vielfältig, sagt
Jugendwohlfahrts-Landesrat Josef Ackerl (SPÖ). 858 Minderjährige leben
in Wohngruppen, 604 bei Pflegefamilien.
Teilweise erkläre sich der Anstieg durch die
statistische Zusammenführung der Zahl von Pflegekindern nach dem
Sozialhilfe- und dem Jugendwohlfahrtsgesetz. Das Plus seit 2001 betrage
dennoch mehr als 15 Prozent. Für die Landes-Jugendwohlfahrt ist die
laufende Suche nach zusätzlichen Betreuungsplätzen eine Herausforderung.
So eröffnete etwa gestern in Leonding ein neues Kompetenzzentrum des
„Vereines Pflege- und Adoptiveltern“ für die Krisenbetreuung von
Minderjährigen mit zusätzlichen zwölf Plätzen.
Mehr abgenommene Kinder bedeuten mehr Ausgaben
für das Sozialbudget. Ein Platz pro fremduntergebrachtem Kind kostet 150
bis 200 Euro – pro Tag. Die Zeit der Unterbringung dauert in vielen
Fällen Monate. „Wobei wir uns gegen den Vorwurf verwahren, wir würden
die Kinder von ihren Eltern entfremden. Unsere Mitarbeiter haben immer
nur das Kindeswohl im Auge“, sagt Ackerl.
Österreichweit ist das Handeln der Jugendämter in
den vergangenen Jahren in die Kritik geraten: die Jugendämter würden
einerseits „zu lax“ handeln, in anderen Fällen aber weit übers Ziel
hinausschießen. Das Justizministerium plant ein Familienrechtspaket, um
die Verfahren zu beschleunigen und den betroffenen Eltern einen besseren
Rechtsschutz zu ermöglichen.
Straßburger Richter befasst
„Es ist für die Eltern ein Riesen-Unterschied, ob
ihre Kinder für mehrere Tage oder mehrere Monate wegkommen“, sagt ein
Sprecher von Ministerin Beatrix Karl (ÖVP). Künftig soll es zur Klärung
der Rechtmäßigkeit erfolgter Kindesabnahmen bereits vorläufige
Gerichtsentscheide geben, auch wenn noch keine Gutachten über den Fall
vorliegen. Anlass für die Reaktion des Ministeriums dürfte ein beim
Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg anhängiger Tiroler Fall
sein. Das Jugendamt nahm den Eltern die Kinder weg mit der Begründung,
es bestehe Missbrauchsverdacht. Was sich im Nachhinein aber als falsch
erwies. Monate verstrichen, ehe die Justiz die Vorwürfe entkräftete.
Jugendwohlfahrt
1462 Minderjährige leben in Oberösterreich
nicht bei ihren Eltern, sondern in Heimen oder bei Pflegefamilien.
Insgesamt gibt es in Oberösterreich rund 268.000 Kinder und Jugendliche
unter 18. Der Anteil der „Fremduntergebrachten“ beträgt rund 0,5
Prozent. Gegenüber 2001 stieg diese Zahl um mehr als 15 Prozent.
383 Pflegefamilien betreuen in Oberösterreich
604 Pflegekinder im Rahmen der „Maßnahme der vollen Erziehung“. In einer
Pflegefamilie leben im Schnitt ein bis zwei fremde Kinder. Auch
gleichgeschlechtliche Paare kommen als Pflegeeltern in Frage. Die
Jugendwohlfahrt prüft in jedem Fall die Eignung der Pflegeeltern: neben
der sozialen Situation wird auch der Leumund kontrolliert.
6100 Gefährdungsmeldungen prüfen die Jugendämter pro Jahr. In jedem Fall wird geschaut, ob tatsächlich Kinder in Gefahr sind.
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