Justiz soll Jugendämter bei Kindesabnahmen stärker kontrollieren.
Fremduntergebracht:
Noch nie waren in
Oberösterreich seit den Wirren der direkten Nachkriegszeit so viele
Kinder und Jugendliche in Heimen oder in Pflegefamilien wie heute. 1462
Minderjährige, die den Eltern von der Behörde abgenommen wurden, weil
das Wohl des Nachwuchses – aus der Sicht der Jugendämter – akut
gefährdet war. Seelische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit,
Verwahrlosung und Missbrauch in der Familie. Die vielfältigen Gründe für
die Abnahme von Kindern spiegeln recht gut die Schattenseiten der
modernen Leistungs- und Konsumgesellschaft wider, die auf Dauer mehr
Verlierer als Sieger hervorbringt.
Dass die Kinder „heutzutage immer gestörter“
werden würden, ist genauso eine untaugliche Erklärung für das Phänomen
steigender Kindesabnahmen wie das Argument, die jungen und
„antiautoritären“ Erziehungsberechtigten würden vor der
„Verhaltensoriginalität“ ihres narzisstischen, Facebook-geschädigten
Nachwuchses kapitulieren. Ein treffenderer Grund ist auch die zunehmende
Sensibilität der Bevölkerung für das Wohl von Kindern. Steigende
Anzeigen erhöhen die Zahl der Kindesabnahmen in der Statistik und sind
ein Signal für das Überwinden von feiger Ignoranz. Leiden Kinder, wird
in Schulen oder in der Nachbarschaft nicht mehr so schnell weggeschaut
wie früher.
Die Jugendämter sind dabei in einer undankbaren
Rolle. Im Dickicht komplizierter Familienverhältnisse muss abgewogen
werden, was für den Nachwuchs das Beste ist, ob bereits „Gefahr im
Verzug“ vorliegt. Kindesabnahmen sind ein massiver Eingriff in die
Grundrechte der Eltern. Gelindere Mittel sind stets zu prüfen. Ein
Problem: Für die Jugendämter sind meistens Sozialarbeiter und keine
Juristen tätig. Wird „zu viel“ interveniert (etwa im Fall einer
Oberösterreicherin, die ihren Enkel wegen nichtbezahlter Strafzettel
abgeben musste), ist der Aufschrei groß. Gerät ein Fall ans Tageslicht,
in dem das Jugendamt schon viel früher hätte handeln müssen, ist die
Kritik noch größer – siehe den Tiroler Fall des zu Tode missbrauchten
Kleinkindes Luca.
Das Justizministerium will die Tätigkeit der
Jugendämter künftig strenger und vor allem rascher kontrollieren.
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