In Verfahren nach §
1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht
gezwungen werden, sich körperlich oder psychiat-risch/psychologisch
untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu
erscheinen (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2009, 944 f.; 2004, 523 f.).
b) Verweigert in Verfahren nach § 1666
BGB ein Elternteil die Mitwirkung an der Begutachtung, kann dieses
Verhalten nicht nach den Grundsätzen der Be-weisvereitelung gewürdigt
werden.
c) In Betracht kommt allerdings, den die
Begutachtung verweigernden Elternteil in Anwesenheit eines
Sachverständigen gerichtlich anzuhören und zu diesem Zweck das
persönliche Erscheinen des Elternteils anzuordnen und gegebe-nenfalls
gemäß § 33 FGG durchzusetzen (vgl. auch § 33 FamFG).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling
beschlossen:
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling
beschlossen:
1. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf
Entpflichtung ihres Verfahrensbevollmächtigten und Beiordnung eines
neuen Verfahrensvollmächtigten im Rahmen der bewilligten
Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
2. Auf die Rechtsbeschwerde der
Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 4. Zivilsenats – Familiensenat –
des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 26. März
2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung
und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe:
A.
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des
am 11. Dezember 2000 nichtehelich geborenen Kindes. Sie lebte zunächst
mit dem Kind im Haus ihrer Eltern. Nachdem es innerhalb der Familie zu
Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sich die Mutter Anfang 2007 an
das beteiligte Jugendamt (im Folgenden: Jugendamt) mit der Bitte um ein
Beratungsgespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurde für die
Mutter eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 wechselte die
Mutter gemeinsam mit ihrem Kind mehrfach ihren Aufenthaltsort, wobei sie
sich abwechselnd in A. und M. aufhielt. Das Kind besuchte in dieser
Zeit die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort. Ab dem 19. Dezember
2007 blieb das Kind dem Schulunterricht unentschuldigt fern. Jedenfalls
in der Zeit vom 27. Dezember 2007 bis zum 3. Januar 2008 hielt sich die
Mutter mit dem Kind in Österreich auf. In der Folgezeit reiste sie mit
dem Kind nach Bolivien.
Auf eine Anregung des Jugendamts vom 20.
Dezember 2007 hat das Familiengericht der Mutter mit Beschluss vom 21.
Dezember 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur
Heilfürsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB
VIII vorläufig entzogen. Zur Begründung hat es insbesondere auf
Wahnvorstellungen verwiesen, unter denen die Mutter leide. Sie habe
ihren Umzug gegenüber der Familienhelferin damit begründet, dass sie im
Jahre 2008 einen atomaren Vernichtungsschlag befürchte und im Falle
eines solchen Angriffs mit ihrem Kind in einem Salzbergwerk vor der
Strahlung Zuflucht finden wolle. Diesen Beschluss hat das
Familiengericht am 10. Januar 2008 um einen Herausgabebeschluss und am
11. Januar 2008 um einen Durchsuchungsbeschluss erweitert. Mit Beschluss
vom 1. April 2008 hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung
“in der Hauptsache bestätigt“. Zur Begründung hat es auf die
vorangegangenen Beschlüsse verwiesen und ergänzend ausgeführt, die
Vorgehensweise der Mutter, das Kind von einem Tag auf den anderen aus
der Schule zu nehmen und seinem bisherigen Umfeld zu entreißen,
entspreche nicht dem Kindeswohl.
Aufgrund des Beschlusses vom 1. April
2008 hat das Jugendamt das Kind am 12. April 2008 nach der Rückkehr aus
Bolivien in Obhut genommen. Nachdem es zunächst in einer Pflegefamilie
gelebt hatte, befindet sich das Kind gegenwärtig in einer Kinder- und
Wohngemeinschaft.
Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat
sich die Mutter geweigert, an einer sachverständigen Begutachtung
mitzuwirken. Außerdem haben beide Großeltern des Kindes von ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Auf die Beschwerde der Mutter hat das
Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. April 2008
aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht
angeordnet. Mit der – vom Beschwerdegericht zugelassenen –
Rechtsbeschwerde begehrt das Jugendamt die Aufhebung des Beschlusses und
die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Mutter
wendet sich mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde gegen die
Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts.
B.
Die Rechtsbeschwerde des Jugendamts ist
begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht. Dies begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
Die – in jeder Lage des Verfahrens von
Amts wegen zu prüfende – internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates
über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche
Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000
(Brüssel IIa-Verordnung = EuEheVO, vgl. EuGH FamRZ 2008, 125, 126). Nach
Art. 8 EuEheVO sind – vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 EuEheVO –
für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die
Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der
Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann der gewöhnliche
Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden, sind vorbehaltlich
Art. 12 EuEheVO gemäß Art. 13 Abs. 1 EuEheVO die Gerichte des
Mitgliedsstaats zuständig, in dem sich das Kind befindet. Danach war die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls im
Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts gegeben.
Hierbei kann offen bleiben, ob, wie die
Mutter geltend macht, am 20. Dezember 2007 noch vor Eingang der Anregung
des Jugendamts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in
Österreich begründet war oder sich das Kind zumindest – nach Aufgabe des
gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland – dort befand. Denn das Kind
hält sich seit Mitte April 2008 wieder in Deutschland auf und ist dort
familiär und sozial integriert (vgl. insoweit EuGH FamRZ 2009, 843, 845;
Senatsbeschluss vom 18. Juni 1997 – XII ZB 156/95 – FamRZ 1997, 1070).
Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts war
daher ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben. Auch ein erst
während des Verfahrens begründeter gewöhnlicher Aufenthalt führt indes
zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO,
wenn nicht zuvor ein ausländisches Gericht in derselben Rechtssache
angerufen wurde. Dass Art. 8 Abs. 1 EuEheVO auf den Zeitpunkt der
Antragstellung abstellt, hat lediglich die Bedeutung, dass ein einmal
angerufenes Gericht international zuständig bleibt, auch wenn das Kind
während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen
neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (sog. perpetuatio fori). Im
umgekehrten Fall eines erst im Verlaufe des Verfahrens erworbenen
gewöhnlichen Aufenthalts im Staat des angerufenen Gerichts verbleibt es
hingegen bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach die
Zuständigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen
müssen. Eine andere Sichtweise hätte die der Prozessökonomie
widersprechende Folge, dass sich das Gericht zunächst gemäß Art. 17
EuEheVO für unzuständig erklären müsste, aber im Anschluss angesichts
des nunmehr bestehenden inländischen Aufenthalts sogleich ein neues
Verfahren einleiten könnte (Geimer/Schütze/Dilger Internationaler
Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 8 EheVO Rdn. 7 und vor
Art. 3 EheVO Rdn. 66; HK-ZPO/Dörner 3. Aufl. Art. 8 EheGVVO Rdn. 7;
Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Bd. 1 Art. 8 Brüssel
IIa-VO Rdn. 5; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1411).
II.
In der Sache hat das Oberlandesgericht
Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt. Dazu hat es im Wesentlichen
ausgeführt, eine Gefährdung des Kindeswohls, die einen Eingriff in die
elterliche Sorge der Mutter notwendig mache, sei derzeit nicht mit
Sicherheit festzustellen, obwohl der Senat nachhaltig versucht habe, den
zugrunde liegenden Lebenssachverhalt aufzuklären und die der
Antragstellung des Jugendamtes und der Entscheidung des Amtsgerichts
zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen zu verifizieren.
Zwar habe die Zeugin G. von einem
Gespräch berichtet, in welchem die Mutter die Wirtschaftskrise in den
USA angesprochen und diese als Indiz dafür gewertet habe, dass ein
atomarer Vernichtungsschlag drohe. Laut der Zeugin sei die Mutter nach
M. gereist, weil dort die Möglichkeit bestünde, sich in einen
Salzstollen zu flüchten. Auch habe die Zeugin – ebenso wie die
Vertreterin des Jugendamts, die Pflegerin und die Verfahrenspflegerin –
Bedenken hinsichtlich der psychischen Verfassung der Mutter angemeldet.
Das daraufhin in Auftrag gegebene
psychiatrische Gutachten habe indes keinen ausreichenden Aufschluss
gegeben. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar
Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit bei der Mutter
vorlägen, eine spezifische diagnostische Einordnung ohne persönliche
Untersuchung der Mutter aber nicht möglich sei und eine Beurteilung der
Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht erfolgen könne. Die
Mutter habe jedoch eine persönliche Untersuchung durch den
Sachverständigen verweigert, eine zwangsweise Durchsetzung von Terminen
beim Sachverständigen komme nicht in Betracht.
Auch das gegenüber dem Amtsgericht
erstattete psychologische Gutachten, das zum Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens gemacht worden sei, ermögliche keine ausreichenden
Feststellungen. Dieses komme zwar zu dem Ergebnis, dass eine Bewertung
der rudimentären Daten auf eine erhebliche Einschränkung der
Erziehungsfähigkeit der Mutter hindeuteten. Der Sachverständige habe
jedoch seiner Begutachtung teilweise unzutreffende Anknüpfungstatsachen
zugrunde gelegt. Ob und inwieweit das Gutachten daher
ergänzungsbedürftig bzw. verwertbar sei und ob und inwieweit die
Begutachtung des Kindes ohne Einverständnis der Mutter zulässig gewesen
sei, sei aber nicht verfahrensrelevant. Entscheidend sei, dass auch nach
dem psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage nicht ohne
Einholung eines psychiatrischen Gutachtens möglich sei. Letzteres sei
jedoch nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen vorliegend
ohne persönliche Untersuchung der Mutter nicht denkbar.
Weiter hätten die Großeltern des Kindes
von ihrem Aussageverweigerungs- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch
gemacht, so dass auch insoweit eine weitere Aufklärung des zugrunde
liegenden Sachverhalts nicht möglich sei.
Im Ergebnis lägen zwar Hinweise für eine
psychopathologische Auffälligkeit der Mutter vor. Art und Umfang der
Auffälligkeiten und die Auswirkungen auf die Erziehungsfähigkeit könnten
jedoch auch nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden
Ermittlungsmöglichkeiten nicht weiter aufgeklärt werden. Nachdem im
Rahmen des § 1666 BGB eine objektive Feststellungslast zu Ungunsten der
Mutter nicht bestehe, müsse eine Maßnahme nach § 1666 BGB unterbleiben,
wenn der gesetzliche Tatbestand dieser Norm nicht festgestellt werden
könne.
Nachdem die Mutter durch ihren
permanenten Ortswechsel unter ständiger Herausnahme des Kindes aus dem
bisherigen Umfeld zum Verfahren Veranlassung gegeben habe, sei es
billig, wenn sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage.
III.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111
Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht
anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden
ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 – XII ZR 50/08 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
2. Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das
Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl
eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der
Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr
erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt
insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung
als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in
Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine
gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der
weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen
oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen
lässt (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 – FamRZ 2005, 344, 345 m.w.N.).
Die Frage, ob im Falle der Rückkehr des
Kindes zu seiner Mutter eine derartige Gefahr gegeben ist, hat das
Beschwerdegericht zu Unrecht als nicht weiter aufklärbar angesehen. Ihm
war es deswegen verwehrt, ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts die
in Rede stehenden Maßnahmen nach § 1666 BGB zu unterlassen.
3. Nicht zu beanstanden ist allerdings,
dass das Oberlandesgericht davon abgesehen hat, eine Untersuchung der
Mutter durch den psychiatrischen Gutachter zu erzwingen. Eine derartige
sachverständige Exploration berührt den Schutzbereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
GG), welches grundsätzlich vor einer Erhebung und Weitergabe von
Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den
Charakter schützt. Dieses Recht ist zwar nicht absolut geschützt,
vielmehr sind Eingriffe grundsätzlich zulässig, sofern nur der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Allerdings erfordern
Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine klare und
unmissverständliche gesetzliche Grundlage. In Ermangelung einer
derartigen Ermächtigungsgrundlage kann – von hier nicht einschlägigen
Sonderbestimmungen abgesehen – niemand gezwungen werden, sich körperlich
oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem
Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.
Als gesetzliche Grundlage können weder §
1666 BGB noch die §§ 12, 15 Abs. 1 FGG oder § 33 FGG herangezogen
werden. § 33 FGG setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche
Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung
bzw. Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat. Aus § 33 FGG
selbst kann diese nicht hergeleitet werden (BVerfG FamRZ 2009, 944 f.;
2004, 523 f. m.w.N.; BGH Urteil vom 24. April 1952 – IV ZR 156/51 – LM §
32 EheG Nr. 3; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132 ff.; Jansen/Briesemeister
FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 89).
4. Ebenso zutreffend ist der
Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass im vorliegenden Verfahren
keine materielle Feststellungslast zu Lasten der Mutter besteht.
Vielmehr müssen, wenn in einem Verfahren nach § 1666 BGB die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht festgestellt werden
können, entsprechende Maßnahmen unterbleiben (BVerfG FamRZ 2009, 944,
945; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 214).
An dieser Feststellungslast des Staates
vermag der Umstand, dass die Mutter die Begutachtung verweigert hat,
nichts zu ändern. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war
dieser Umstand auch nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung im
Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG FamRZ 2009,
944, 945; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2006, 282; OLG Koblenz FamRZ 2000,
1233; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1479, 1480).
Die Grundsätze der Beweisvereitelung können zwar auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar sein, ohne dass dem der Amtsermittlungsgrundsatz entgegenstünde (Senatsbeschluss vom 1. April 2009 – XII ZB 46/08 – FamRZ 2009, 1130, 1132 zum Versorgungsausgleich; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1095, 1096; OLGZ 1967, 74, 79 jeweils zum Erbscheinverfahren; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 216; zum neuen Prozessrecht vgl. Prütting/Helms/Prütting FamFG § 27 Rdn. 10). Danach kann es Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweis- bzw. Feststellungslast zur Folge haben, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht (BGH Urteil vom 23. Oktober 2008 – VII ZR 64/07 – NJW 2009, 360, 361 f. m.w.N.). Dabei vermag aber nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten den Vorwurf der Beweisvereitelung zu tragen, also ein Verhalten, das wider Treu und Glauben erfolgt und nach dem allgemeinen Rechtsempfinden als verwerflich erscheint (BGH Beschluss vom 26. September 1996 – III ZR 56/96 – NJW-RR 1996, 1534; Senatsurteil vom 27. Januar 1988 – IVb ZR 82/86 – FamRZ 1988, 482, 485).
Im vorliegenden Verfahren können diese
Grundsätze indes nicht herangezogen werden. Darin, dass die Mutter die
Mitwirkung an einer Begutachtung verweigert hat, kann kein
missbilligenswertes Verhalten gesehen werden. Wie vorstehend ausgeführt
wurde, berührt eine sachverständige Exploration das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen, weshalb sich die Weigerung der
Mutter letztlich als Ausübung ihrer Grundrechte darstellt. Würde ihre
Weigerung als missbilligenswertes Verhalten gewertet, welches
beweisrechtliche Nachteile nach sich zöge, läge in dieser Würdigung
zugleich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Mutter (Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; vgl. auch
BVerfGE 89, 69, 84).
5. Das Oberlandesgericht hat jedoch noch
nicht alle gebotenen Ermittlungsansätze ausgeschöpft und damit seine
Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG; jetzt § 26 FamFG) verletzt.
Der Amtsermittlungsgrundsatz
verpflichtet das Gericht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur
Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen. Zwar
braucht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgegangen zu werden.
Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht jedoch insoweit, als
das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei
sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst
dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches,
die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist
(BGH Beschlüsse vom 24. November 1993 – BLw 53/92 – WM 1994, 265, 266
und BGHZ 40, 54, 57; Rahm/Künkel/Schneider Handbuch des
Familiengerichtsverfahrens Rdn. III B 58; Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl.
§ 26 Rdn. 16 f.).
Besondere Anforderungen an die
tatrichterliche Sachaufklärung gelten in kindschaftsrechtlichen
Familiensachen und insbesondere in Verfahren betreffend die Entziehung
der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB. Denn die verfassungsrechtliche
Dimension von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG beeinflusst auch das
Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das
gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven
Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung
stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden
müssen (BVerfG FamRZ 2009, 399,
400; FamRZ 2002, 1021, 1023). Das bedeutet nicht nur, dass die
Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr
steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu
dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2
Satz 2 GG verpflichtet ist (Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61;
Leibholz/Rinck Grundgesetz Art. 6 Rdn. 637 ff.). Die Gerichte müssen ihr
Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage
einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400).
Sind demnach in Kindschaftsverfahren die
Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert,
so kann insbesondere die Weigerung eines Beteiligten, an der Aufklärung
des Sachverhalts mitzuwirken, nicht ohne Konsequenzen für das Verfahren
bleiben (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1166,
1168). Vielmehr ist das Tatgericht hier in besonderer Weise gehalten,
die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und auf diese
Weise nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sich die Grundsätze der
Feststellungslast zu Lasten des Kindes auswirken (vgl.
Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61).
Diesen gesteigerten Anforderungen an die Amtsermittlung ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden.
a) Das Beschwerdegericht hat es
versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen – und auch
eines psychologischen – Sachverständigen gerichtlich anzuhören und
hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzuordnen und
gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vorgehen wäre
vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere
ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig. Der Senat
schließt sich insofern der ganz herrschenden Meinung in der
obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre an (KG OLGZ 1988, 418,
421 ff.; BayObLG BayObLGZ 1972, 201, 204; 1970, 114, 116; OLG Hamm OLGZ
1968, 239, 242 f.; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Böhm
DAVorm 1985, 731, 733, 736; Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 33 Rdn. 7;
Keidel/ Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rdn. 49; Säcker FamRZ
1971, 81, 83; Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; a.A. noch Jansen FGG 2.
Aufl. § 12 Rdn. 68). Zwar ist auch mit einer Erzwingung des persönlichen
Erscheinens vor Gericht zum Zwecke der Anhörung in Anwesenheit eines
Sachverständigen ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen
des Betroffenen – insbesondere in dessen Allgemeines
Persönlichkeitsrecht – verbunden. Allerdings ist dieser Eingriff
vorliegend gerechtfertigt, insbesondere ist hierfür eine gesetzliche
Grundlage vorhanden.
aa) Während der Betroffene mangels
gesetzlicher Grundlage nicht gezwungen werden kann, vor einem
Sachverständigen zum Zwecke der Exploration zu erscheinen (vgl. die
Ausführungen unter III 3), steht dem Gericht eine Ermächtigungsgrundlage
zur Verfügung, wenn es das persönliche Erscheinen des Betroffenen zum
Zwecke der gerichtlichen Anhörung erzwingen will (so die ganz
herrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Lehre,
vgl. OLG Zweibrücken MDR 2008, 570; OLG Bremen FamRZ 1989, 306; KG OLGZ
1988, 418, 422; BayObLG BayObLGZ 1970, 114, 117 f.; OLG Hamm OLGZ 1968,
239, 242; Bumiller/Winkler aaO § 33 Rdn. 7;
Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 191,
Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt aaO § 50a Rdn. 16;
Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 71; a.A. Jansen/Briesemeister FGG
3. Aufl. § 12 Rdn. 95). Für seit dem 1. September 2009 eingeleitete
Verfahren regelt § 33 FamFG ausdrücklich die Anordnung und Durchsetzung
des persönlichen Erscheinens. Aber auch das bis zum 31. August 2009
gültige Verfahrensrecht enthält insoweit eine den verfassungsrechtlichen
Anforderungen gerecht werdende Grundlage. Die zum 1. Juli 2008 in Kraft
getretene Vorschrift des § 50e FGG sieht insbesondere in Verfahren
wegen Gefährdung des Kindeswohls eine Anordnung des persönlichen
Erscheinens der Beteiligten vor. Wird einem Beteiligten durch
gerichtliche Verfügung aufgegeben, persönlich zu erscheinen, kann sich
diese gerichtliche Verfügung daher auf eine gesetzliche Grundlage
stützen, weshalb sie ihrerseits mit den Mitteln des § 33 FGG zwangsweise
durchgesetzt werden kann (vgl. zu dieser Voraussetzung des § 33 FGG
BVerfG FamRZ 2004, 523).
bb) Darüber hinaus ist ebenfalls eine
gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht gegeben, welcher darin liegt, dass das Gericht die
Anhörung zwar in Anwesenheit eines Sachverständigen, allerdings ohne
Befragung durch den Sachverständigen durchführt und dass es mit Hilfe
des Sachverständigen aus den Äußerungen und dem Verhalten des
Betroffenen Rückschlüsse auf dessen Erziehungseignung zieht. Eine
derartige gesetzliche Grundlage ist in § 50e FGG i.V. mit dem Grundsatz
der freien Beweiswürdigung zu sehen (§ 286 ZPO), der über § 15 FGG auch
im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet
(Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 15 Rdn. 20;
Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 und § 15 Rdn.
63; vgl. jetzt § 37 FamFG). Danach gehört es im Verfahren der
Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu den Aufgaben des Tatrichters, den
gesamten Verfahrensstoff zu würdigen, wozu nicht nur die Ergebnisse der
Beweisaufnahme, sondern insbesondere auch die Erklärungen und
Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten sowie der von ihnen
hinterlassene persönliche Eindruck gehören
(Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 m.w.N.; vgl.
auch Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Aufl. § 37 Rdn. 9). Der Richter ist
folglich unter anderem befugt, aus den Äußerungen und dem Verhalten
eines Beteiligten im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung – ebenso wie
aus sonstigen unstreitigen oder festgestellten Umständen – Schlüsse zu
ziehen, welche seine Erziehungseignung betreffen. Fehlt indes dem
Richter die notwendige Sachkunde, um diese Schlüsse selbst zu ziehen,
umfasst der Grundsatz der freien Würdigung auch die Befugnis, sich
insoweit der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Dieser ist
lediglich Gehilfe des Richters, der ihm die notwendige Sachkunde
vermittelt. Der mit der Würdigung einhergehende Eingriff in die Rechte
des Beteiligten wird durch die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht
intensiviert. Ein mit einer Exploration vergleichbarer Eingriff ist
damit nicht verbunden.
cc) Schließlich verstößt der Eingriff in
die Rechte der Mutter, welcher in der Anordnung und Erzwingung des
persönlichen Erscheinens und in ihrer Anhörung in Anwesenheit eines
Sachverständigen zu sehen ist, auch nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass
ein Beteiligter im Rahmen der gerichtlichen Anhörung nicht zur Äußerung
gezwungen werden kann (OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 243; Bassenge/Roth FGG
11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Säcker FamRZ 1971, 81, 83), weshalb der Eingriff
in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht weniger schwer wiegt. In
diesem Umfang tritt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines
Elternteils jedenfalls dann hinter dem mit Verfassungsrang
ausgestalteten staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zurück,
wenn dieser in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls die Mitwirkung
an der Begutachtung verweigert, ohne Einbeziehung dieses Elternteils
aber – wie das Oberlandesgericht meint – keine ausreichende Grundlage
für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1666 BGB gewonnen werden
kann. Denn in solchen Fällen stellt die gerichtliche Anhörung des
Elternteils in Anwesenheit des Sachverständigen eine wichtige
Möglichkeit für das Gericht dar, der aus § 12 FGG folgenden
Aufklärungspflicht nachzukommen und dem Wächteramt des Staates auch
verfahrensrechtlich gerecht zu werden.
Der Eingriff ist auch nicht mangels
Eignung unverhältnismäßig. Zwar hat der psychiatrische Sachverständige
ausgeführt, eine diagnostische Einordnung etwaiger psychopathologischer
Auffälligkeiten setze eine psychiatrische Untersuchung voraus, ohne eine
solche könne die Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht
beurteilt werden. Jedoch hat der Sachverständige sein Gutachten bislang
nur auf der Grundlage von der Mutter verfasster Schriftstücke erstattet.
Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sachverständige
nach einer gerichtlichen Anhörung der Mutter in seiner Anwesenheit und
unter Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes zu einer ausreichenden
Grundlage für die Begutachtung gelangt oder zumindest dem Gericht die
Sachkunde vermitteln kann, die es benötigt, um selbst unter Würdigung
der gesamten unstreitigen und festgestellten Umstände und unter
Einbeziehung auch eines familienpsychologischen Gutachtens (vgl. dazu
unten c) zu einem ausreichenden Grad an Überzeugung zu gelangen. Gerade
weil in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche
Sachverhaltsaufklärung gesteigert sind, ist es dem Tatgericht verwehrt,
sich mit einer entsprechenden sachverständigen Äußerung zufrieden zu
geben, ohne sie zu hinterfragen und ohne noch vorhandene
Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
b) Ergänzend zur Anhörung der Mutter in
Anwesenheit des Sachverständigen war das Beschwerdegericht aufgrund
seiner Amtsermittlungspflicht gehalten, den Sachverständigen zu einer
Begutachtung auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffes zu
veranlassen. Hiervon konnte nicht deshalb abgesehen werden, weil
insoweit sachdienliche Erkenntnisse nicht zu erwarten waren (zu dieser
Einschränkung der Amtsermittlung BGH Beschluss vom 24. November 1993 –
BLw 53/92 – WM 1994, 265, 266). Vielmehr sind – neben den seitens des
psychiatrischen Sachverständigen bislang berücksichtigten Umständen –
noch weitere Anknüpfungstatsachen vorhanden, denen nicht von vornherein
die Eignung abgesprochen werden kann, Rückschlüsse auf die
Erziehungsfähigkeit der Mutter zuzulassen.
Zu nennen ist insoweit insbesondere das
Verhalten der Mutter anlässlich der begleiteten Umgangstermine. Unter
anderem hat die Mutter, wie sie selbst einräumt, ihrem damals 7-jährigen
Kind aus Gesetzen und juristischen Kommentaren vorgelesen, um ihm
aufzuzeigen, dass ihm Unrecht geschehe. Dieses Verhalten hätte Anlass
geben müssen, mit sachverständiger Hilfe zu klären, ob die Mutter in der
Lage ist, die altersgemäßen Bedürfnisse ihres Kindes einzuschätzen und
danach zu handeln, wobei auf der anderen Seite auch zu problematisieren
gewesen wäre, ob dieses in einer existenziellen Krisensituation zu
beobachtende Verhalten auch Rückschlüsse auf die Erziehungseignung der
Mutter unter “normalen” Verhältnissen – also insbesondere nach
Rückführung ihrer Tochter – zulässt. Dasselbe gilt für die Verweigerung
begleiteten Umgangs durch die Mutter mit der Folge, dass ein Kontakt
zwischen Mutter und Kind über längere Zeit hinweg nicht zustande
gekommen ist. Auch die Verweigerungshaltung, die die Mutter im Verfahren
eingenommen hat, kann hier berücksichtigt werden. Insbesondere könnte
diese Haltung die Schlussfolgerung nahe legen, dass die Mutter ihre
eigenen Bedürfnisse über das Wohl des Kindes stellt.
Als weitere Anknüpfungstatsachen wären
etwaige Wahnvorstellungen der Mutter in Betracht zu ziehen gewesen, die
möglicherweise Beweggrund für die anfänglichen Aufenthaltswechsel waren.
Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass insoweit eine
weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Vielmehr ergeben sich
nach Aktenlage insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass der Wohnungsgeber
in M. (Herr K.) Angaben werde machen können. Außerdem wäre noch zu
klären gewesen, ob der Interneteintrag vom 8. März 2008 von der Mutter
herrührt, in welchem die Einwohner Siebenbürgens vor einem möglichen
Krieg in Deutschland gewarnt und aufgefordert werden, sich Dosen und
Trinkwasser zu kaufen. Das Beschwerdegericht war hier gehalten, nach
Vornahme ergänzender Ermittlungen dem Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG,
404a Abs. 3 ZPO mitzuteilen, welche Anknüpfungstatsachen er der
Begutachtung zugrunde legen solle.
Entsprechendes gilt für den
Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen des Kindes vor seiner
Inobhutnahme, die beispielsweise – wie die Mutter angeregt hat – durch
Vernehmung der ehemaligen Kindergarten-Erzieherinnen des Kindes in
Anwesenheit der Sachverständigen ermittelt werden können. Auch Aussagen
über den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen unmittelbar nach der
Inobhutnahme hätten insoweit einbezogen werden müssen, wenn auch
zusätzlich zu klären gewesen wäre, ob und inwieweit sich die
Verhaltensweisen lediglich als Reaktion auf die Inobhutnahme darstellen.
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht
die im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahme unterlassen, ein
neues familienpsychologisches Gutachten einzuholen.
Im Ausgangspunkt zu Recht hat das
Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste
Stellungnahme des psychologischen Sachverständigen, wonach das Kind aus
psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter
zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse
der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die
Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise
unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt
hatte. Vor allem aber war das Gutachten deshalb nicht verwertbar, weil
die psychologische Begutachtung des Kindes erfolgt war, ohne dass die
erforderliche Zustimmung der Mutter vorgelegen hätte (vgl. OLG Frankfurt
FF 2000, 176; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Vogel FPR 2008,
617) und ohne dass von Seiten des Gerichts Maßnahmen ergriffen worden
wären, die eine Begutachtung gegen den Willen der Mutter ermöglicht
hätten. Insbesondere war zum Zeitpunkt der psychologischen Begutachtung
des Kindes am 18. November 2008 der Beschluss des Amtsgerichts vom 5.
Juni 2008, mittels dem der Mutter vorläufig die gesamte elterliche Sorge
entzogen worden war, bereits durch das Oberlandesgericht aufgehoben
worden.
Dass das seitens des Amtsgerichts
eingeholte psychologische Gutachten nicht verwertbar war, hatte indes
nicht zur Folge, dass die Ermittlungsmöglichkeiten des
Beschwerdegerichts insofern ausgeschöpft waren. Vielmehr hätte das
Beschwerdegericht seinerseits ein neues psychologisches Gutachten in
Auftrag geben müssen, nachdem es selbst nicht über die nötige Sachkunde
verfügte, um die Frage nach der Gefährdung des Kindeswohls aus
psychologischer Sicht beurteilen zu können. Als Anknüpfungstatsachen
wären hierbei unter anderem die vorstehend dargelegten Umstände (vgl.
5b) einzubeziehen gewesen, wobei das Beschwerdegericht wiederum gehalten
gewesen wäre, den Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO
anzuleiten. Auf diese Weise hätte insbesondere vermieden werden können,
dass die Begutachtung erneut auf der Grundlage unzutreffender
Anknüpfungstatsachen erfolgt. Einer erneuten Begutachtung stand auch
nicht entgegen, dass laut dem bisher vorliegenden psychologischen
Gutachten eine gesicherte Aussage zur Erziehungsfähigkeit der Mutter
ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nicht möglich war. Wie
bereits dargelegt wurde (vgl. 5a cc), war nicht ausgeschlossen, dass
eine ergänzende psychiatrische Begutachtung noch ausreichende
Erkenntnisse erbringen würde.
Einer erneuten psychologischen
Begutachtung hätte die fehlende Zustimmung der Mutter zur Exploration
des Kindes nicht entgegengestanden. Zunächst war nicht ausgeschlossen,
dass ein psychologischer Sachverständiger auch ohne Exploration des
Kindes eine ausreichende Grundlage hätte gewinnen können, um zur Frage
der Kindeswohlgefährdung aus psychologischer Sicht Stellung nehmen zu
können. Dies lag insbesondere deshalb nahe, weil das Beschwerdegericht
vorliegend auch gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter befugt
gewesen wäre, das Kind in Anwesenheit und unter Mitwirkung des
Sachverständigen gerichtlich anzuhören (OLG Frankfurt FF 2000, 176, 177;
OLG München FamRZ 1997, 45). Hiermit verbundene Eingriffe in das
Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes und in das Elternrecht der
Mutter wären dabei auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 15 FGG, 286 ZPO
erfolgt. Insoweit können die zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des
Sachverständigen angestellten Erwägungen entsprechend herangezogen
werden (vgl. oben 5a bb). Zudem wäre auch im Ausgangspunkt der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt gewesen.
Falls ohne psychologische Untersuchung
des Kindes keine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts möglich
gewesen wäre, hätte darüber hinaus die Möglichkeit bestanden, die
Zustimmung der Mutter gemäß § 1666 Abs. 3 BGB zu ersetzen (vgl. OLG
Brandenburg OLGR 2008, 692, 693 = FamRZ 2008, 2147 (LS); OLG Karlsruhe
FamRZ 2002, 1210, 1211; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73;
Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rdn. 224; Vogel FPR 2008, 617).
Müsste das Gericht ohne psychologische Begutachtung des Kindes von
Maßnahmen nach § 1666 BGB absehen, obwohl es eine Kindeswohlgefährdung
nicht ausschließen könnte, wird eine Begutachtung regelmäßig zur Abwehr
einer Kindeswohlgefährdung erforderlich sein (zu dieser Voraussetzung
des § 1666 Abs. 3 BGB vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693; OLG
Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; OLG Frankfurt FF 2000, 176).
IV.
Der angefochtene Beschluss kann danach
keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache
abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der
Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht
zurückzuverweisen, damit dieses noch weitere Feststellungen treffen und
insbesondere die aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen kann.
Nachdem die Aufhebung des Beschlusses auch die Kostenentscheidung des
Beschwerdegerichts betrifft, ist die Anschlussbeschwerde gegenstandslos.
Für das weitere Vorgehen weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Sollte die gerichtliche Anhörung der
Mutter in Anwesenheit der Sachverständigen keine weiteren Erkenntnisse
bringen, wird das Beschwerdegericht dennoch nicht davon entbunden sein,
die sonstigen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten noch auszuschöpfen.
Im Anschluss daran wird das Oberlandesgericht unter Würdigung aller
Umstände zu prüfen haben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer
Entziehung insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegeben sind
oder nicht. Lediglich wenn das Beschwerdegericht weiterhin keine
hinreichende Überzeugung gewinnen kann, wird eine Entscheidung auf der
Grundlage der Feststellungslast in Betracht kommen.
2. Sollte das Beschwerdegericht im
weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die seitens
des Amtsgerichts beschlossenen Maßnahmen gemäß § 1666 BGB im
Ausgangspunkt nicht (mehr) gerechtfertigt sind bzw. dass insoweit keine
hinreichenden Feststellungen getroffen werden können, wird außerdem –
gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen sein, ob anstelle
der Trennung des Kindes von seiner Mutter Maßnahmen geringerer
Eingriffsintensität gerechtfertigt sind (vgl. § 1666a BGB). Vor allem
aber wird zu erwägen sein, ob eine nahtlose Rückführung des Kindes zur
Mutter dessen Wohl gefährdet. Dies dürfte – wie die Rechtsbeschwerde zu
Recht geltend macht – insbesondere dann nahe liegen, wenn bis zur
Entscheidung des Beschwerdegerichts weiterhin kein (regelmäßiger)
Kontakt zwischen Mutter und Kind zustande gekommen sein sollte.
Bejahendenfalls wird zu erwägen sein, auf welche Weise einer derartigen
Gefährdung begegnet werden kann, ob etwa die Rückführung des Kindes zur
Mutter durch zunehmende Umgangskontakte vorbereitet werden sollte.
3. Weiter wird im Falle eines Erfolgs
der Beschwerde der Mutter von einer Kostenerstattung zugunsten der
Mutter nicht mit einer Begründung abgesehen werden können, die – wie die
Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss – auf ein vorwerfbares
Verhalten der Mutter abstellt. Sollte das Verhalten der Mutter vor
Einleitung des Verfahrens bei objektiver Betrachtung in Kenntnis aller
Umstände nicht geeignet gewesen sein, eine Entziehung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts zu rechtfertigen, oder kann dies nicht
festgestellt werden, so kann der Mutter dieses Verhalten nicht
vorgeworfen werden, um auf diese Weise die Kostenentscheidung zu
begründen.
V.
Der Antrag der Mutter, die Beiordnung
ihres Verfahrensbevollmächtigten aufzuheben und einen neuen
Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, war zurückzuweisen.
Dabei kann offen bleiben, ob der Mandant
– ebenso wie der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO – das
Recht hat, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen (zum Streitstand
vgl. Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl. § 121 Rdn. 24). Jedenfalls fehlt es
hier an dem dafür erforderlichen wichtigen Grund.
Insbesondere vermag der Hinweis der
Mutter, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe nicht alle von ihr
aufgezeigten Gesichtspunkte vorgebracht, ihrem Antrag nicht zum Erfolg
zu verhelfen. Denn es entspricht der Aufgabe des beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalts, den Streitstoff auf diejenigen
Gesichtspunkte zu konzentrieren, die nach seiner besonderen Sachkunde
für eine dem Mandanten günstige Entscheidung Bedeutung haben können (BGH
Beschluss vom 23. September 2009 – IV ZR 259/08 – juris Tz. 5). Ebenso
wenig kann ein wichtiger Grund in dem Umstand gesehen werden, dass der
Verfahrensbevollmächtigte der Mutter keine Sachstandsanfragen an den
Bundesgerichtshof gerichtet hat.
BGH, Beschluss vom 17.02.2010
AG Augsburg, Entscheidung vom 01.04.2008
408 F 3674/07
408 F 3674/07
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 26.03.2009
4 UF 161/08
4 UF 161/08
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