13.11.12

Stellung und Funktion im Strafverfahren



Das Strafverfahren untergliedert sich in mehrere Abschnitte, innerhalb derer die Staatsanwaltschaft jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrnimmt.

Sobald die Staatsanwaltschaft von einer möglichen Straftat Kenntnis erlangt, sei es aufgrund einer bei ihr oder der Polizei angebrachten Anzeige oder von Amts wegen, prüft sie, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkt für eine verfolgbare Straftat, der sog. Anfangsverdacht, vorliegen und damit Anlass besteht, förmliche Ermittlungen einzuleiten.

Sind Ermittlungen aufgenommen worden, hat die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ im sog. Vor- oder Ermittlungsverfahren zunächst die Aufgabe, den Sachverhalt mit den ihr zur Verfügung stehenden strafprozessualen Mitteln (z.B. Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen, Durchsuchungen, Sicherstellung von Beweismitteln, Beauftragung von Sachverständigen) umfassend zu erforschen. Dabei ist sie von Gesetz wegen gehalten, neben den belastenden Tatsachen auch die zu Gunsten eines Beschuldigten sprechenden Umstände zu ermitteln, ist also – wie auch in den weiteren Phasen des Strafverfahrens – trotz ihrer Funktion als Ermittlungs- und Anklagebehörde zu größtmöglicher Objektivität verpflichtet. 

Da Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die umfangreichen Ermittlungsaufgaben nicht allein vornehmen können, stehen ihnen Polizeibeamte, aber auch Beamte anderer Behörden zur Seite und sind als sog. Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft – früher als „Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft“ bezeichnet – gesetzlich verpflichtet, dem Ersuchen und Auftrag der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten. Die den Weisungen der Staatsanwaltschaft unterworfenen Ermittlungspersonen haben ihrerseits im Ermittlungsverfahren besondere exekutive Befugnisse, von denen sie, wenn ein Staatsanwalt nicht zeitnah erreichbar ist, Gebrauch machen dürfen, etwa bei der Anordnung einer Blutentnahme zwecks Untersuchung auf den Blutalkoholgehalt bei Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt.

Bestimmte Ermittlungsmaßnahmen, z.B. die Anordnung einer Durchsuchung oder einer Telefonüberwachung, stehen grundsätzlich unter einem sog. Richtervorbehalt, dürfen also nur durch einen Ermittlungsrichter angeordnet werden. Hiervon gibt es lediglich bei Nichterreichbarkeit des Richters gewisse Ausnahmen. Die Anordnung von Untersuchungshaft setzt hingegen immer eine richterliche Entscheidung voraus, wohingegen die möglicherweise vorangehende vorläufige Festnahme, deren Dauer nicht länger als bis zum Ablauf des Tages nach dem Ergreifen des Verdächtigen dauern darf, durch Beamte der Polizei oder der Staatsanwaltschaft angeordnet werden kann.

Bei Abschluss der Ermittlungen trifft die Staatsanwaltschaft eine Entschließung darüber, ob sie gegen den Beschuldigten die öffentliche Klage erhebt oder eine Einstellung des Verfahrens – etwa weil sich herausstellt, dass die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichend wären oder der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hat – vornimmt. Wird das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, hat der Verletzte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Entschließung im sog. Klageerzwingungsverfahren herbeizuführen. Im Übrigen kann grundsätzlich jeder, der eine Entschließung der Staatsanwaltschaft für unrichtig hält, mittels einer sachlichen Dienstaufsichtsbeschwerde nochmals eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft selbst oder die ihr vorgesetzte Behörde veranlassen.

Auf die im sog. Legalitätsprinzip begründete grundsätzliche Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, Ermittlungen zu führen, folgt zwangsläufig auch die Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung, soweit die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Hiervon gibt es lediglich Ausnahmen im Bereich der sog. Privatklagedelikte, bei denen des sich in der Regel um geringfügige Vergehen handelt, die der Verletzte auch ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft eigeninitiativ strafrechtlich weiter verfolgen kann. Abgesehen von den in der Praxis seltenen Fällen der Privatklage hat die Staatsanwaltschaft aber ein Anklagemonopol, das sich mit dem Sprichwort „Wo kein Kläger, da kein Richter“ passend umschreiben lässt. 

Soweit also nicht eine Verfahrenseinstellung mangels hinreichenden Tatverdachts oder wegen Geringfügigkeit – möglicherweise auch nach Erteilung einer Auflage an den Beschuldigten zwecks Beseitigung des öffentlichen Interesses an der weiteren Strafverfolgung – in Betracht kommt, erhebt die Staatsanwaltschaft die „öffentliche Klage“.
Die Erhebung der öffentlichen Klage setzt immer eine prognostizierbare überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Beschuldigten voraus. Besteht dieser sog. hinreichende Tatverdacht, so kann die Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen Gericht Anklage erheben oder einen Strafbefehl beantragen. Insbesondere in Brandenburg wird von den Staatsanwaltschaften auch oft von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, bei einfacher gelagerten Sachverhalten (z.B. Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr oder Ladendiebstählen) ein beschleunigtes Verfahren zu beantragen, bei dem innerhalb kurzer Zeit eine Hauptverhandlung mit vereinfachter Beweisaufnahme stattfindet.

Nach Erhebung der öffentlichen Klage beginnt das Zwischenverfahren, in dessen Rahmen das Gericht eine Prüfung des gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwurfs anhand der Akten und der Anklageschrift vornimmt. Das Gericht hat dabei die Möglichkeit, die Staatsanwaltschaft um ergänzende Ermittlungen zu bitten, wenn es diese für erforderlich erachtet.

Hält das Gericht im Ergebnis dieser Vorprüfung die Anklageerhebung für begründet, eröffnet es das Hauptverfahren, in dessen weiterem Verlauf auch die mündliche Verhandlung stattfindet. In dieser kommt dem Staatsanwalt die wohl bekannteste Rolle als sog. „Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft“ zu, der zunächst die Anklageschrift verliest, den Angeklagten, Zeugen und Sachverständige befragt, Beweisanträge stellt und am Ende seinen Schlussvortrag, das sog. Plädoyer, hält.
An den Urteilsspruch in der ersten Instanz können sich Rechtsmittelinstanzen anschließen, z.B. wenn der Angeklagte oder die Staatsanwaltschaft Berufung oder Revision einlegen. Dabei kann die Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Pflicht zur Objektivität auch ein Rechtsmittel zu Gunsten eines Angeklagten anbringen, wenn sie z.B. eine vom Gericht verhängte Strafe für zu hoch erachtet.

Schließlich ist die Staatsanwaltschaft nach einer Verurteilung die für die Strafvollstreckung zuständige Behörde. Durch die Staatsanwaltschaft werden etwa Geldstrafen eingezogen und bei unbegründetem Ausbleiben von Zahlungen auch Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet. Ebenso überwacht die Staatsanwaltschaft die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und hat beispielsweise beim Widerruf von Bewährungen im Falle des Bewährungsversagens oder bei der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Teilverbüßung einer Freiheitsstrafe („vorzeitige Entlassung“) ein eigenes Antragsrecht.

Bei der Wahrnehmung der ihr nach dem Gesetz zugewiesenen Aufgaben ist die Staatsanwaltschaft ein gegenüber dem Gericht selbständiges und gleichgeordnetes Organ der Strafrechtspflege. Anders als Richterinnen und Richter, die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit genießen, haben Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jedoch keine unbedingte Entscheidungsfreiheit, sondern sind grundsätzlich weisungsgebunden. Innerhalb ihrer Behörde haben sie Vorgesetzte, nämlich die Abteilungsleiter, die in der Regel Oberstaatsanwälte/-innen sind, und den Leitenden Oberstaatsanwalt als Behördenleiter. Die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften untersteht weiterhin der Dienst- und Fachaufsicht durch die ihr vorgesetzten Behörden.

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