13.11.12

Jugendämter/Jugendwohlfahrt als soziales Minenfeld

Justiz soll Jugendämter bei Kindesabnahmen stärker kontrollieren.


Fremduntergebracht: 

Noch nie waren in Oberösterreich seit den Wirren der direkten Nachkriegszeit so viele Kinder und Jugendliche in Heimen oder in Pflegefamilien wie heute. 1462 Minderjährige, die den Eltern von der Behörde abgenommen wurden, weil das Wohl des Nachwuchses – aus der Sicht der Jugendämter – akut gefährdet war. Seelische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Verwahrlosung und Missbrauch in der Familie. Die vielfältigen Gründe für die Abnahme von Kindern spiegeln recht gut die Schattenseiten der modernen Leistungs- und Konsumgesellschaft wider, die auf Dauer mehr Verlierer als Sieger hervorbringt.

Dass die Kinder „heutzutage immer gestörter“ werden würden, ist genauso eine untaugliche Erklärung für das Phänomen steigender Kindesabnahmen wie das Argument, die jungen und „antiautoritären“ Erziehungsberechtigten würden vor der „Verhaltensoriginalität“ ihres narzisstischen, Facebook-geschädigten Nachwuchses kapitulieren. Ein treffenderer Grund ist auch die zunehmende Sensibilität der Bevölkerung für das Wohl von Kindern. Steigende Anzeigen erhöhen die Zahl der Kindesabnahmen in der Statistik und sind ein Signal für das Überwinden von feiger Ignoranz. Leiden Kinder, wird in Schulen oder in der Nachbarschaft nicht mehr so schnell weggeschaut wie früher.

Die Jugendämter sind dabei in einer undankbaren Rolle. Im Dickicht komplizierter Familienverhältnisse muss abgewogen werden, was für den Nachwuchs das Beste ist, ob bereits „Gefahr im Verzug“ vorliegt. Kindesabnahmen sind ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Eltern. Gelindere Mittel sind stets zu prüfen. Ein Problem: Für die Jugendämter sind meistens Sozialarbeiter und keine Juristen tätig. Wird „zu viel“ interveniert (etwa im Fall einer Oberösterreicherin, die ihren Enkel wegen nichtbezahlter Strafzettel abgeben musste), ist der Aufschrei groß. Gerät ein Fall ans Tageslicht, in dem das Jugendamt schon viel früher hätte handeln müssen, ist die Kritik noch größer – siehe den Tiroler Fall des zu Tode missbrauchten Kleinkindes Luca. 



Das Justizministerium will die Tätigkeit der Jugendämter künftig strenger und vor allem rascher kontrollieren. 

Das dürfte der Jugendwohlfahrt gar nicht unrecht sein. Mehr Kontrolle würde den Kreis der Verantwortlichen erweitern. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.


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