Köln (ots) - Der ehemalige Jugendamtsleiter der Stadt Gelsenkirchen Alfons Wissmann hat offenbar finanziell von einer Reitfreizeit profitiert, die die Stadt seit 1997 im ungarischen Orfü durchführt. Wie ein Auszug aus dem ungarischen Handelsregister belegt, ist Wissmann Mitbegründer der "Gonda und Partner Reithof GmbH", die für Gelsenkirchen bis heute Vertragspartner für die Unterkunft auf dem Reithof in Orfü ist. Die Freizeiten mit jeweils rund 40 Gelsenkirchener Jugendlichen wurden ausgerechnet von Mitarbeitern des Jugendamts organisiert, das Wissmann leitete. Die Reiterferien wurden von der Stadt seit 1997 finanziell unterstützt. Allein in den letzten acht Jahren sind dafür aus Gelsenkirchen mehr als 400.000 Euro geflossen, also mehr als 50.000 Euro pro Jahr. Von einem Teil dieser öffentlichen Gelder dürfte Wissmann bzw. seine Familie privat profitiert haben.
Wissmann übertrug seinen Anteil an der Gonda GmbH 2004 an seinen Sohn, der bis 2005 Gesellschafter blieb. Bis heute ist die Familie des Jugendamtsleiters zudem Mitbesitzerin der Reiterhof-Immobilie in Orfü. Das belegt ein Auszug aus dem ungarischen Immobilienregister. Wissmann erwarb 1997 einen Eigentumsanteil von elf Prozent, den er bis 2004 behielt. Dann wurde der Eigentumsanteil zunächst an seinen Sohn, dann seine Frau und schließlich an einen weiteren Sohn weitergereicht.
Auch der ehemalige stellvertretende Gelsenkirchener Jugendamtschef Hans-Jürgen Meißner besitzt bis heute einen Teil des Reiterhofs. Immer noch ist Meißner zudem Gesellschafter der Gonda GmbH, dem Vertragspartner der Stadt für die Unterkunft. Diese GmbH hatte Meißner 1996 wie Wissmann mitbegründet.
Wissmann und Meißner könnten darüber hinaus auch an einer weiteren Ferienfreizeit verdient haben, die der Kinderschutzbund Gelsenkirchen im Auftrag der Stadt ebenfalls auf dem Reiterhof in Orfü durchgeführt hat, und zwar seit 1998. Alle Zahlungen der Stadt gingen direkt an den Deutschen Kinderschutzbund. Hier saß bis vor kurzem der ehemalige stellvertretende Jugendamtsleiter Thomas Frings im Vorstand.
Laut Auskunft der Stadt Gelsenkirchen war in der Verwaltung die Beteiligung von Alfons Wissmann und Hans-Jürgen Meißner an der Gonda GmbH und dem Reiterhof in Ungarn nicht bekannt. Jugendamtsleiter Wissmann war - ebenso wie sein Stellvertreter Frings - auch in den Skandal um die von ihnen gegründete ungarische Einrichtung für deutsche Heimkinder in Pecs verwickelt, die in der Nähe des Reiterhofs liegt. Der WDR hatte diesen Skandal aufgedeckt. Die Stadt trennte sich daraufhin von Wissmann und Frings. Mit Wissmann wurde mittlerweile ein Auflösungsvertrag geschlossen, Frings wurde fristlos gekündigt.
Heimkind Paul wieder in Deutschland
Unterdessen ist das elfjährige Heimkind Paul, das mehr als ein halbes Jahr auf Geheiß des Jugendamts Dorsten bei einem Handwerker auf einem einsamen Hof in Ungarn leben musste, wieder in Deutschland. Nach story-Recherchen ist sein Pflegevater nicht wie vom Jugendamt angegeben 63 sondern mittlerweile 74 Jahre alt. Auch wurde er nicht wie vom Jugendamt behauptet an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln für die Behandlung von Trauma- und Bindungsstörungen ausgebildet. Eine solche Ausbildung bietet die Klinik gar nicht an. Damit geraten sowohl die Stadt Dorsten als auch der Bochumer Jugendhilfeträger Life, der Pauls Ungarn-Maßnahme angeboten hat, weiter unter Druck. Paul lebt nun in Deutschland bei Verwandten und kann wieder das Gymnasium besuchen. In Ungarn war er lediglich vier Stunden in der Woche über eine Internetschule unterrichtet worden.
Mehr zu den Recherchen der "story" heute Abend um 22.00 Uhr im WDR Fernsehen in der Doku "Mit Kindern Kasse machen - Auslandsmaßnahmen außer Kontrolle" sowie in der "Aktuellen Stunde", 18.50-19.30 Uhr.
Autorinnen: Nicole Rosenkranz, Naima El Moussaoui Redaktion: Ulrike Schweitzer, Martin SuckowPressekontakt:
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