Erziehungsheime - Methoden wie in Konzentrations-Lagern
Historiker ziehen über die Wiener Heimerziehung fürchterliche Bilanz: Das gesamte System habe versagt.
In Erziehungsheimen
waren keine schwer erziehbaren Kinder“, sagt der Sozialhistoriker
Reinhard Sieder. „Die Eltern haben versagt, teils aus wirtschaftlichen
Gründen.“ Vor allem alleinerziehenden Müttern, meist aus bildungsferner
Schicht, wurden Kinder von der Fürsorge abgenommen.
Sieder, Smioski: „Der Kindheit beraubt – Gewalt in den Erziehungsheimen der Stadt Wien“, Studienverlag
Sieder präsentierte am Dienstag gemeinsam mit seiner Co-Autorin Andrea
Smioski das Buch „Der Kindheit beraubt“. Es handelt sich um den von der
Stadt Wien in Auftrag gegebenen – und 2012 veröffentlichten –
Historikerbericht über die Fürsorgeerziehung in der Zeit von 1945 bis
etwa 1985.Dem Versagen der Eltern folgt, das wird in Sieders Buch deutlich, ein Versagen des gesamten Systems. Verwaltung, Politik, Ärzteschaft, Justiz, Polizei ... Die Heime wurden so gut wie nicht kontrolliert.
Sadisten
Gewalt, sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch seien in vielen
Wiener Heimen an der Tagesordnung gestanden. Bei der Buchpräsentation
schilderte eine Frau, wie sie als junges Mädchen im Kinderheim
Wilhelminenberg von einem Hausarbeiter sexuell missbraucht worden sei:
„Ich musste mich danach immer übergeben.“
Auch Kinderprostitution in Wiener Heimen ist wieder ein Thema.
Erstmals berichtete der KURIER am 16. Oktober 2011 über
Serienvergewaltigungen, die in den 1970er-Jahren auf dem Wilhelminenberg
stattgefunden haben sollen. Zwei Schwestern berichteten über Missbrauch
durch unbekannte Männer.
Nicht entkräftet
Die Untersuchungskommission von Barbara Helige, die die Vorkommnisse
in diesem Heim durchleuchtet, kann die Vorwürfe bisher nicht entkräften.
Beim KURIER haben sich mehrere Frauen gemeldet, die ebenfalls von
fremden Männern berichten, die sie im Heim vergewaltigt haben sollen.
Nach wie vor gibt es „nur“ Aussagen von Opfern, die den sexuellen
Missbrauch untermauern. Beweise, wie Kollegen von anderen Medien oft
einfordern, sind 40 Jahre nach den geschilderten Vorfällen nahezu
unmöglich zu erbringen.
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