24.10.12

"Das Kind kriegst du nicht"

von Katja Gundlach

"Warum habt ihr das nicht anders hinbekommen? Warum hast du nicht gemerkt, wie sehr ich gelitten habe? Warum hast du dich nicht mehr darum gekümmert, mich zu sehen?" Fragen, die vielen Scheidungs- oder Trennungskindern durch den Kopf gehen. 

Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, in Großstädten wie Hannover, Hamburg oder Kiel sogar oft jede zweite. Wenn Eltern sich trennen, leiden besonders die Kinder. Denn dann beginnt meist der Kampf um den Nachwuchs: Auch wenn beide Seiten sich das Sorgerecht eigentlich teilen - manchmal wollen Mütter oder Väter mit aller Macht verhindern, dass der Partner die Kinder sehen darf. Etwa eine Million Kinder in Deutschland sehen ihre Väter oder Mütter nicht, weil der andere Elternteil das verhindert. 

Die NDR Autoren Gesa Berg und Uta König zeigen in ihrem Film "Das Kind kriegst du nicht", (Sendedatum: 15.10.; 23.40 Uhr) was das für die Kinder bedeutet und wie betroffene Väter und Mütter damit umgehen, wenn ihnen der Kontakt zum Nachwuchs verwehrt wird.


Der Film in der Mediathek

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"Das Kind kriegst du nicht"

Ihr habt die Dokumentation im Ersten verpasst? In der ARD Mediathek findet ihr die ganze Sendung zum Nachschauen. MEHR


Kinder können sich gegen Manipulation nicht wehren

Einige Eltern fangen an, ihre Kinder zu manipulieren: Sie erzählen ihnen, dass der Papa die Mama schlägt oder, dass die Mama sie nicht mehr sehen möchte. Oft hat das traurige Folgen: psychische Erkrankungen oder ein langfristig gestörtes Selbstwertgefühl.
Kinder können sich nicht wehren, wenn sie manipuliert werden. Und sie vergessen nicht. Der Hamburger Psychologe und Gerichtsgutachter Carsten Unger hat für eine Studie erwachsene Scheidungskinder befragt. Er schildert einen oft geäußerten Vorwurf:
Warum hast du mich eigentlich über Jahre von meinem Vater ferngehalten? Und wenn dann von den Müttern kommt: 'Aber du wolltest doch nicht!', sagen diese dann erwachsenen Kinder: 'Du hättest mehr dafür tun müssen. Das ist euch nicht gelungen.'


"Richter hat ein gutes Werk getan"

Besser ist es bei den 16-jährigen Zwillingen Gina und Jason gelaufen. Ihre Mutter Elvira wollte den Vater aus dem Leben der Kinder ausgrenzen. Doch der Familienrichter verhinderte das, indem er anordnete, dass die Eltern zu einer Beratungsstelle gehen mussten. "Da hat der Richter schon ein gutes Werk getan, dass er meine Mutter dazu gezwungen hat", erzählt Gina.


Wünsche von Trennungskindern

Psychologe Carsten Unger hat mit Trennungskindern gesprochen und zusammengefasst, was sie sich gewünscht hätten:
  • Niemals nur wegen den Kindern zusammenbleiben.
  • Die Trennung altersgerecht erklären.
  • Eltern sollen respektvoll miteinander umgehen.
  • Kinder nicht manipulieren, instrumentalisieren.
  • Kindern ermöglichen, zu beiden Eltern Kontakt zu halten.
  • Den andern Elternteil oder neue Partner nicht abwerten.
  • Sich als Eltern Beratung holen.
  • Dem erwachsenen Trennungskind später die Möglichkeit geben, die Trennung aufzuarbeiten. 
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"Wenn meine Mutter uns von Anfang an erzählt hätte, dass mein Vater ein schlechter Mensch ist, dann hätte ich ihr das natürlich auch geglaubt. Als Kind glaubt man ja auch alles, man ist ja abhängig von der Mutter." Ihre Mutter ist heute froh, dass sie nicht den Vorwurf von ihren Kindern hören muss: "Mama, du bist schuld, dass wir unseren Vater niemals kennen und lieben lernen durften".


Trennungskinder haben öfter Verlustängste

In ihren eigenen Partnerschaften haben Trennungskinder später eine höhere Wahrscheinlichkeit, Trennungs- und Verlustängste zu entwickeln. "Da gibt es eine gewisse Bindungsunsicherheit, mangelndes Vertrauen in die Beziehung", sagt Psychologe Unger. "Das, was ich als Kind erlebt habe, dass das plötzlich alles auseinanderflog, hat den Glauben in solche Beziehungen erschüttert".
Seiner Erfahrung nach sind es eher Frauen, die dann lieber eine Beziehung beenden, bevor sie selber verlassen werden. Wenn sie sich mit ihrem Partner streiten, ist das Vertrauen so gering, dass sie schnell die gesamte Beziehung infrage stellen. Die größte Verletzung, die sie erlebt haben, soll sich nicht wiederholen. "Sie haben auf diesem Gebiet eine erhöhte Verletzlichkeit. Das ist wie eine Narbe, die auch nach Jahren immer noch wehtun kann", vergleicht Unger.


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