BIELEFELD
Bielefelder Kita-Erzieherinnen fixieren Dreijährige
Eltern stellen Strafanzeige / Von-Laer-Stiftung stellt Methode sofort ein: "Verhalten war unmöglich"
VON JENS REICHENBACH
Bielefeld. Die Zwillinge von
Sophie und Michael Kloss sind fast vier Jahre alt - temperamentvolle
Jungs, längst keine Babys mehr. Zwei Erzieherinnen einer Kita in
Bielefeld-Sieker setzten die beiden sowie zwei weitere störende Kinder
in Babyhochstühle, um damit für Ruhe zu sorgen. In dem engen Stühlchen
fixiert mussten sie mit dem Rücken zur Gruppe ausharren. Die Eltern
haben die jungen Erzieherinnen jetzt wegen Nötigung und Körperverletzung
angezeigt, Kita-Träger und Jugendamt haben bereits reagiert.
"Uns haben erschrockene Eltern aus der Gruppe Anfang Dezember darauf hingewiesen", berichtet die Mutter. "Uns hat davon niemand berichtet." Umso erstaunter war die 27-Jährige, als die beiden Erzieherinnen die sogenannte "Pause auf dem Stuhl" kleinlaut einräumten. Sie seien überfordert gewesen und hätten sich nicht anders zu helfen gewusst, sagten sie. Von-Laer-Geschäftsführer Bernhard Kuhn wurde sofort tätig, als er durch die Rechtsanwältin der Familie erstmals von dem Vorfall erfuhr. "Eine traurige Sache."
"Die jungen Erzieherinnen wussten sich nicht anders zu helfen, als die Kinder zu fixieren und dann auch noch wegzudrehen", erklärte er am Freitag auf Anfrage. "Dieses Verhalten ist unmöglich und mit unseren pädagogischen Grundsätzen nicht vereinbar." Auch wenn es laut Kuhn nur drei- bis viermal für maximal fünf Minuten geschehen sein soll, "solche Methoden wenden wir nicht an", betonte er. Bei einem Elternabend klärte Kuhn die Eltern der Kitagruppe offen über den Vorfall auf und versicherte, dass so etwas nicht mehr passieren werde. Vertreter von Jugendamt und Landesjugendamt führten erst Freitag ein Gespräch mit den Verantwortlichen: "Wir haben bewertet und angemessen reagiert", so ein Sprecher.
Während ein betroffener Junge in der Gruppe blieb, wollte Sophie Kloss ihre Kinder sofort aus der Einrichtung herausholen. Die von-Laer-Stiftung machte innerhalb von wenigen Tagen einen Wechsel in eine eigentlich nicht offene Betriebskita für die Zwillinge frei. "Wir wollten nicht, dass der Familie Nachteile entstehen."
Alpträume und panische Reaktionen
Trotz Alpträumen und panischen Reaktionen beim Anschnallen hätten die Zwillinge ihren Eltern nichts von dem Babystuhl erzählt, sagt Kloss. Weil die Erzieherinnen den Kindern gesagt haben sollen, dass es ihr gemeinsames Geheimnis bleiben solle - offenbar auch innerhalb der Kita. Denn Kuhn wechselte später die Kita-Leiterin aus, weil diese "nicht über den Vorgang informiert war". Die Gruppenleiterin soll in den drei Monaten im Herbst, in dem die Vorfälle passierten, krank gewesen sein.
Nach den Gesprächen und dem schnellen Kitawechsel erhofften sich die Eltern noch Hilfe des Trägers angesichts der psychischen Probleme der Kinder. "Die haben doch Psychologen und Familienberater. Aber es kam nichts." Tatsächlich schätzte die Kinderärztin der Jungs es als "dringend notwendig" ein, einen Kinderpsychiater einzuschalten, um zu beurteilen, "ob eine längere Therapie notwendig ist". Die Eltern zeigten daraufhin die Erzieherinnen, die weiterhin in der Gruppe tätig sind, wegen Nötigung und Körperverletzung an und baten das Jugendamt um einen Kitawechsel.
Kuhn ist über diese jüngsten Entwicklungen erstaunt: Er habe der Familie trotz Strafandrohung stets Gesprächsbereitschaft signalisiert. In eigener Sache aktiv zu werden, hätte aber ohnehin ein Geschmäckle gehabt, erklärte Kuhn, warum er externe Experten empfehle: "Pädagogisch akzeptiere ich den Vorfall natürlich nicht, aber strafrechtlich wird in dem Verfahren nichts herauskommen", sagt der Geschäftsführer.
Er glaube vielmehr, dass das Ehepaar nun einen Sündenbock suche und dafür alle Register ziehe. Andere Eltern hätten die Offenheit des Trägers gelobt.
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