01.03.14

Weitere Pflegetochter belastet Angeklagte


 
Moers. Der Polizei gelang es, eine weiteres, vom Jugendamt Moers an die Angeklagte vermitteltes Pflegekind zu finden und zu vernehmen. Die junge Frau belastet mit ihrer Aussage die Angeklagte und bestätigt die Aussagen der Nebenklägerinnen. Von Heribert Brinkmann

Mit einer Überraschung wartete gestern Richterin Kraft-Efinger im Berufungsverfahren auf: Sie verlas ein Vernehmungsprotokoll einer weiteren Pflegetochter, das Anfang März beim Gericht einging. Das Landgericht Krefeld wird jetzt die junge Frau als Zeugin einladen. Die Stadt Moers hatte alle Anfragen mit Hinweis auf Datenschutz und Dienstgeheimnis abgeblockt. Nachdem das Jugendamt der Stadt Moers am 27. Februar auf Nachfragen des Gerichts – hat die Angeklagte weitere Pflegekinder zugeteilt bekommen? – grade noch geantwortet hatte, es gebe keine Stammakten zu den jeweiligen Pflegeeltern, damit könnten keine weiteren Kinder der Angeklagten zugeordnet werden, ist das Gericht jetzt einen entscheidenden Schritt weiter. Ja, es hat mindestens diesen weiteren Fall gegeben, dieselbe Mitarbeiterin M. des Jugendamtes war nach Aussage der jungen Frau mit diesem Fall betraut.
Die weitere Pflegetochter, 1983 in Moers geboren, konnte von den Ermittlern der Polizei in Duisburg befragt werden. Richterin Kraft-Efinger verlas gestern das Protokoll. Gegenüber der Polizei gab sie an, sie wäre als etwa Zehnjährige vom Jugendamt von der Schule abgeholt worden und in ein Kinderheim gebracht worden. Ihre eigenen Eltern hätten sich nicht richtig um sie kümmern können. Im Heim kam der Wunsch nach einem Wechsel in eine Pflegefamilie auf. Über die Mitarbeiterin der Pflegedienststelle des Jugendamtes der Stadt Moers sei sie dann mit Mathilde T., der jetzt im Falle der Pflegekinder Aziza und Dunja L. angeklagten Pflegemutter, bekannt gemacht worden. Beim ersten Kennenlernen – beim Eisessen – wäre die Pflegemutter "vertrauenswürdig" gewesen. 1996 sei sie von der Pflegedienststelle Moers in die Familie T. nach Tönisvorst gekommen, damals lebten dort außer der Mutter Mathilde T. noch Tochter Melanie und deren Freund Thilo, zeitweise auch Sohn Christian.
Anfangs sei die Zeit bei der Familie "sehr schön" gewesen, berichtete die heute 30-jährige ehemalige Pflegetochter der Polizei weiter. Sie habe in einer Wohnung in der Nähe eines Plus-Marktes in Tönisvorst-Vorst gelebt und sei in Neukirchen-Vluyn zur Schule gegangen. Geändert habe sich alles nach einigen Monaten, als sie in der Schule einem Klassenkameraden die Brille vom Gesicht heruntergeschlagen habe. Als die Schule einen "blauen Brief" nach Hause schickte, habe die Pflegemutter sie zum Gespräch ins Wohnzimmer zitiert und dort verprügelt. Die Pflegemutter habe ihr mit der flachen Hand "auf den Hintern" geschlagen, so dass sie hinterher nicht mehr habe richtig sitzen können. Danach sei sie für jeden "kleinen Mist" ins Gesicht geschlagen oder beleidigt worden.

In der Vernehmung schildert die junge Frau weiter, dass sie als Kind bei der Pflegemutter im Garten habe mithelfen müssen, die Aufgaben seien immer mehr geworden, was "nicht mehr normal für Kinder" gewesen sei. Nur mit einer dünnen Jogginghose habe sie draußen arbeiten müssen. Als ihr einmal schlecht wurde und sie sich in der Wohnung erbrochen habe, sei sie nach einer Ohrfeige auf ihr Zimmer geschickt worden. Doch auf dem Zimmer habe es kaum Spielzeug gegeben. Als die Mitarbeiterin des Jugendamtes einmal zu Besuch kam, habe die Pflegemutter geschauspielert und sich als "beste Mutter der Welt" präsentiert. Sie selber habe sich nicht getraut, der Frau vom Jugendamt etwas zu sagen. Als diese gemerkt habe, dass die Pflegetochter nicht mehr froh war und der Zustand ihres Zimmers nicht mehr tragbar gewesen sei, wäre sie aus der Pflegefamilie genommen worden und ins Dorotheenheim in Hilden gekommen.

Die Angeklagte, von der Richterin darauf angesprochen, bestritt die Vorwürfe. Sie habe das Mädchen nicht verprügelt, vielleicht mal kräftig hingelangt. Das Mädchen habe damals mal den Pelzmantel ihrer leiblichen Mutter angezündet. Das Jugendamt habe das Mädchen in die Klinik nach Bedburg-Hau gebracht, doch dort habe man nach sechs Wochen Therapie nichts Auffälliges festgestellt. Als ihre Tochter Melanie ihr Baby bekommen habe, sei es ihr zu gefährlich gewesen, ein Mädchen, das mit Feuer hantiere, im Haus zu haben. Sie selber habe das Jugendamt gebeten, das Mädchen aus der Familie zu nehmen.
Quelle: RP
 

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