Erstellt 18.06.2013
Eine Aufnahme aus dem Kindergarten des Sülzer Waisenhauses um 1923. Foto: Archiv
Bei einer Feierstunde mit ehemaligen und aktuellen Bewohnern präsentierte die Leiterin des Hauses Lie Selter auch die Chronik zur Geschichte des Sülzer Kinderheims. Anlass von Chronik und Ausstellung ist die Aufgabe des Geländes am Sülzgürtel und der Umzug in das neue Kids-Zentrum. Fast 100 Jahre war das Kinderheim am Sülzgürtel beheimatet und beherbergte zeitweise mehr als 1000 Kinder – und war somit Europas größtes Waisenhaus.
Die Erziehung übernahmen Ordensschwestern
Die Ausstellung zeigt auf 26 großformatigen Schautafeln die Geschichte des Hauses von seinen Anfängen bis heute. Die Tafeln stehen in alten metallenen Säuglingsbetten. „In den Dingern habe ich als Kind noch gelegen“, sagt Werner Küpper, der in den 1950er Jahren im Waisenhaus lebte. „Ich war fast 20 Jahre im Heim, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da gab es gute und natürlich auch schlechte Zeiten. Wichtig ist aber nur, dass diese Geschichte nicht vergessen wird.“ Im Jahr 1917 zogen die städtischen Kinderheime auf das rund 40 000 Quadratmeter große Gelände in Sülz.
So sah das Kinderheim vor einigen Jahren aus, bevor es abgebrochen wurde. Die Kapelle blieb stehen.
Foto: Hennes
Foto: Hennes
Diese gegensätzlichen Erfahrungen spiegeln sich auch in Erinnerungen ehemaliger Bewohner wider, von denen Selter berichtet. Ein Betroffener hatte ihr es so geschildert: „Für mich bot diese Einrichtung, die ja in gewisser Weise ein Ghetto war, einen für mich erforderlichen Schutz. Später igelte ich mich immer mehr ein, fühlte mich entsprechend einsam.“
22500 Kinder lebten bis 2010 in der Einrichtung
Deshalb sind die derzeit rund 300 betreuten Kinder und Jugendlichen bei Kids auf 30 Wohngruppen im gesamten Stadtgebiet verteilt. Die kleineren Einheiten ermöglichen besseren Kontakt ins öffentliche Leben und damit eine bessere Integration. Auch der geänderte Name, weg vom Kinderheim hin zum Kids-Zentrum, soll vermeiden, dass die Bewohner diskriminiert werden. Auch die dunklen Seiten der Kinderheim-Historie werden in der Chronik nicht ausgespart. So gibt es ein Kapitel über die Zeit des Nationalsozialismus und dem damaligen Direktor Friedrich Tillmann, der am Euthanasie-Programm der Nazis mitgewirkt hat.
Auf einem großen Banner im Ausstellungsraum sind zudem alle 22 500 Namen der Kinder aufgelistet, die bis 2010 in der Einrichtung gelebt haben. „Wir sind es den Bewohnern schuldig, die Wurzel des Heims zu erhalten“, sagt Lie Selter.
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