25.06.13

23.06.13 Ermittlungen - Brandenburg rollt Fälle um zwei tote Heimkinder neu auf


Zwei Mädchen kamen 2005 und 2008 in unterschiedlichen Kinderheimen in Brandenburg ums Leben. Bislang wurde ein Fremdverschulden ausgeschlossen. Doch nun wurden Vorwürfe über Misshandlungen laut.
Foto: dpa
 

Im Kinderheim „Haus Babenberg“ der Haasenburg GmbH in Jessern starb 2008 ein Mädchen nach einem Sturz aus dem Dachgeschoss
Im Kinderheim "Haus Babenberg" der Haasenburg GmbH in Jessern starb 2008 ein Mädchen nach einem Sturz aus dem Dachgeschoss 
 
 
Nach Misshandlungsvorwürfen gegen Kinder- und Jugendheime lässt die Brandenburger Landesregierung nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" jetzt die Todesumstände zweier Jugendlicher untersuchen.


Wie das Magazin berichtete, wurde eine 15 Jahre alte Bewohnerin im Juni 2005 an einer Schranktür erhängt im Jugendheim Neuendorf gefunden. Im Mai 2008 starb im Kinderheim Jessern ein 16-jähriges Mädchen nach einem Sturz aus dem Dachgeschoss. In beiden Fällen habe die Staatsanwaltschaft damals "keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden oder Pflichtverletzungen durch Erzieher" feststellen können.
Die Tageszeitung "taz" hatte vergangene Woche berichtet, Bewohner der Heime in Jessern, Neuendorf in Unterspreewald (Dahme-Spreewald) und Müncheberg (Märkisch-Oderland) seien bei Verstößen gegen die strengen Regeln mit Gesprächsverbot und Einschlüssen bestraft worden. Bei Fixierungen soll es zu Knochenbrüchen gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft Cottbus prüft in diesem Zusammenhang zwei Strafanzeigen. Der Betreiber, die Haasenburg GmbH, bestreitet die Vorwürfe.


Sondersitzung im Landtag

Koalition und Opposition in Brandenburg streben eine Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag an. Zuvor hatte das Bildungsministerium angekündigt, eine Untersuchungskommission einsetzen zu wollen. Noch in dieser Woche soll das Gremium die Untersuchungen aufnehmen. Dabei soll es auch um die beiden Todesfälle gehen. Zu beiden Vorkommnissen hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Sie konnte aber laut "Spiegel" keine Anhaltspunkte dafür feststellen, dass es ein Fremdverschulden gegeben habe oder Erzieher ihren Plichten nicht nachgekommen seien. Weil im ersten Fall ein Abschiedsbrief des 15 Jahre alten Mädchens gefunden wurde, gingen die Ermittler von einer Selbsttötung aus. Im zweiten Fall habe eine 16-Jährige ein Fenster ihres Zimmers im dritten Stock des Heimes putzen sollen. Dabei habe sie unter Aufsicht eines Erziehers gearbeitet, sei bei den Arbeiten plötzlich aus dem Fenster gesprungen und auf dem schrägen Dach dann abgerutscht.


Heim für Kinder aus schwierigen Verhältnissen

Die Heime der Haasenburg GmbH liegen in Müncheberg im Landkreis Märkisch-Oderland, die anderen beiden idyllisch in Jessern und in Neuendorf im Unterspreewald direkt am See. Doch die Kinder und Jugendlichen, die hier wohnen, sind nicht zur Erholung dort. Sie stammen größtenteils aus schwierigen Familienverhältnissen. Wer hierher kommt, hat meist schon die ganze Jugendhilfe-Palette durchlaufen.
Wer hier Betreuer ist, muss besonders viel Kompetenz mitbringen. Mittlerweile werden immer mehr Vorwürfe laut, wenn auch anonymisiert. Dabei gerät nun auch das Brandenburger Bildungsministerium unter Erklärungsdruck. Denn laut der Protokolle, die der "taz" vorliegen, wusste das Brandenburger Landesjugendamt über "Knochenfrakturen bei drei weiblichen Insassen des Heimes" Bescheid.


Mädchen wurde der Arm gebrochen

Frühere Heimbewohner hatten in der "taz" ohne Nennung ihrer Namen berichtet, Kinder und Jugendliche seien bereits bei kleinen Verstößen drakonisch bestraft worden. Das Anti-Aggressions-Training sei manchmal so brutal verlaufen, dass Knochenbrüche entstanden. Einem Mädchen, das sich wehrte, sei der Arm gebrochen worden. Kinder seien darüber hinaus auf Fixierliegen angeschnallt worden, obwohl dies seit einer Auflage von 2010 verboten sei.
In den drei Heimen in Brandenburg werden derzeit 79 Kinder und Jugendliche ab zehn Jahre betreut, davon 56 Kinder aus 14 Bundesländern nach der sogenannten richterlichen "Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen", also in geschlossener Unterbringung. Nur Schleswig-Holstein und Bremen haben keine Jugendliche geschickt. Aus Brandenburg sind es sechs, aus Berlin drei Kinder.
Quelle: BM/dpa/gma
 
 
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