Anmerkungen zum psychologischen Gutachten
im Familienrechtsverfahren
Der Psychologe wird durch gerichtlichen Beweisbeschluss zum
Sachverständigen bestellt; er hat die Stellung eines Gerichtsgehilfen.
Seine Aufgabe ist, die im Beweisbeschluss enthaltene Beweisfrage zu
beantworten, um damit zu der dem Gericht obliegenden Wahrheitsfindung
beizutragen. Dies verlangt ein meist schriftlich gefordertes
Gutachten, das nach § 410 ZPO „unparteiisch und nach bestem Wissen
und Gewissen“ zu erstatten ist.
Weil vor Gericht nur Beweise und keine Behauptungen gelten, hat
der Sachverständige in seinem Gutachten die von ihm festgestellten zur
Beantwortung der Beweisfrage führenden und als beweiserheblich zu
würdigenden Tatsachen zu liefern. Beweiserheblich ist eine Tatsache,
wenn sie sich auf objektive und überprüfbare Argumente gründet.
Subjektive Meinungen oder Ansichten zur Sache und solche, die nicht
überprüfbar sind, wie etwa angebliche und nicht bezeugte Aussagen,
taugen nicht als beweiserhebliche Tatsachen.
Die an den Sachverständigen gerichtete Forderung, dem Gericht
beweiserhebliche Tatsachen zu liefern, hat zunächst den Grund, dass
nur solche Tatsachen zur Beschlussbegründung taugen. Warum aber ?
Das Gericht hat, wie erwähnt, die Aufgabe der Wahrheitsfindung, im
Bewusstsein dessen, dass wir Menschen die reine Wahrheit nicht
erfassen können, denn sie liegt hinter dem, was wir mit unserem
Verstande fassen können, weswegen wir uns der Wahrheit nur mit einen
zuweilen recht hohen Grade an Wahrscheinlichkeit annähern können.
Weil aber der Beweis das Kennzeichen der Wahrheit ist, ist er für die
Rechtsprechung von erheblicher Bedeutung.
Weil die Psychologie eine Humanwissenschaft ist, hat der
Psychologe bei der Ausübung seines Berufes eine humanitäre Aufgabe
zu erfüllen, so wie etwa ein Arzt. Das bedeutet, für die Kinder und
Erwachsenen, denen er bei der Begutachtung zur Erstattung des von
ihm verlangten Gutachtens begegnet, hat er stets deren Wohl im Blick.
Er ist zwar Gehilfe des Gerichts, aber dennoch nach wie vor seiner
eigenen Berufsethik verpflichtet. Das heißt, während das Gericht die
Aufgabe hat, den Rechtsfrieden zu bewahren oder wiederherzustellen,
um damit das Rechtsverfahren abzuschließen, hat der Psychologe den
Seelenfrieden der am Verfahren beteiligten Kinder und Erwachsenen im
Sinn. Nun lässt sich der Seelenfrieden nicht anordnen, denn den muss
ein jeder für sich finden.
Aber den Weg dahin kann der Sachverständige
durch sein die Zukunftsperspektiven aufzeigendes Gutachtenergebnis
ebnen, aber auch, besonders wenn er sich zum Schiedsrichter zwischen
den Erwachsenen macht, erschweren.
Quelle:
© Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Klenner / Juli 2008
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