Rechtsreferendar Jens Ferner (Diplom-Jurist)
Ein zwar nicht alltäglicher aber keineswegs allzu selten anzutreffender Vorfall: Beim Jugendamt gibt ein Informant Hinweise auf eine Kindesvernachlässigung oder gar sexuellen Missbrauch. Der (zumindest nach außen) anonyme Informant meldet sich dabei zufällig im Rahmen einer laufenden Sorgerechtsauseinandersetzung.
Das Jugendamt darf auf keinen Fall derartige Hinweise auf die leichte Schulter nehmen, das versteht sich von selbst. Insofern ist, nach einem derartigen Hinweis, das weitere Prozedere in jeder Hinsicht für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll: Ärztliche Untersuchungen und ein psych. Gutachten sind jedenfalls üblich, dabei kann es – im Rahmen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs – auch schnell zu einer einstweiligen Einschränkung des Umgangs mit dem Kind kommen.
Nun ergab sich in einem ähnlichen Fall recht schnell, dass der platzierte Vorwurf Unsinn war. Der betroffene Vater wollte das aber nach Abschluss nicht hinnehmen und stellte Strafanzeige, wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Das Problem war nur, dass die Daten des Informanten nicht bekannt waren, beim Jugendamt aber vorlagen, dieses jedoch – unter Verweis auf das Sozialgeheimnis – die Daten nicht raus rückte. Müssen sie aber, sagte das Landgericht Aurich (12 Qs 43/11)
Das Gericht stellte fest – in Übereinstimmung mit dem BVerwG, 5 C 48/02 – dass auch Daten zu Behördeninformanten unter den Begriff der Sozialdaten fallen und insofern grundsätzlich dem Schutz vor unbefugter Offenbarung unterfallen. Aber:
Gleichwohl ist die Durchbrechung des Sozialgeheimnisses gerechtfertigt und damit im Ergebnis die gerichtliche Anordnung auf Auskünfte dieser Sozialdaten zutreffend, da die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 73 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 72 Abs. 1 S. 2 SGB X hierfür gegeben sind. Im vorliegenden Fall führt nämlich die Staatsanwaltschaft Aurich ein Strafverfahren wegen des begründeten Verdachts der falschen Verdächtigung und Verleumdung. Der beim zuständigen Amtsgericht – Ermittlungsrichter – gestellte Antrag bezieht sich dabei lediglich auf die Offenbarung der Personalien des unbekannten Informanten, so dass die gerichtliche Anordnung ohne Rücksicht auf die Bedeutung der zugrundeliegenden Straftat i.S.d. § 73 Abs. 1 SGB X zulässig und begründet ist.
Hintergrund ist die letztendlich vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Geheimhaltungsbedürfnis und dem Offenbarungsbedürfnis. In diesem Fall fiel das zu Gunsten des Offenbarungsbedürfnisses aus, da es um einen erheblichen Vorwurf ging und hier nicht irgendeiner, sondern eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsbedürfnis sieht. Diese – immerhin die objektivste Behörde der Welt – ermittelt nicht ins Blaue, sondern nur bei konkreten Verdachtsstufen, wobei dem Auskunftsverlangen auch noch ein richterlicher Beschluss zu Grunde lag. Dieses Abwägungsergebnis stellt sich insoweit mit dem Gericht auch als verhältnismäßig dar und führt ihm zu Folge, mit folgender Begründung, zu sachgerechten Ergebnissen:
Denn andernfalls entstünde ein strafrechtsfreier Raum, wodurch Denunziantentum unbeschränkt Vorschub geleistet würde.
Wer hin und wieder mit solchen Fällen zu tun hat, kann dem nichts hinzufügen.
Übrigens, wenn es um das Sorgerecht geht, immer daran denken: Wenn zwei sich wirklich streiten, gewinnt hier am Ende keiner.
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