Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen scheint ein massives Problem in einigen Wiener Kinderheimen und Wohngemeinschaften zu sein. SOS-Kinderdorf bestätigte im Gespräch mit Ö1, dass der siebenjährige Bub in einer Wohngemeinschaft in Wien von einem 13-Jährigen sexuell missbraucht worden ist. Über ein Jahr hinweg soll es mehrmals zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Der Siebenjährige teilte sich in der SOS-Wohngemeinschaft ein Zimmer mit dem 13-Jährigen, der selbst als Kind missbraucht worden sein dürfte.
„Problematische sexuelle Spielereien“
Nach ersten Hinweisen auf Übergriffe durch den Älteren kamen die beiden Buben in getrennte Zimmer, blieben aber in derselben Wohngemeinschaft bis es schließlich zum vermutlich schwersten Übergriff im März kam. Laut Alexander Krasser, Anwalt der Familie des Siebenjährigen, der vom Luca-Kinderschutzverein eingeschaltet wurde, handelte es sich bei dem Vorfall um Vergewaltigung. SOS-Kinderdorf-Regionalleiter Josef Lammer spricht hingegen von „problematischen sexuellen Spielereien“.
Nach der Untersuchung in einem Spital kam der Siebenjährige zurück in die SOS-Wohngemeinschaft, der 13-Jährige wurde in eine andere Jugendwohlfahrtseinrichtung in der Steiermark verlegt. Diese Trennung hätte, wie Anwalt Krasser findet, viel früher
erfolgen müssen.
Übergriffe keine Seltenheit
Bei SOS-Kinderdorf und beim Jugendamt hatte man ein halbes Jahr vor dem letzten Übergriff überlegt, die Buben in getrennten Einrichtungen unterzubringen. Aber in Österreich gebe es aus Kostengründen keine therapeutischen Spezial-Wohngemeinschaften für jugendliche Missbrauchstäter, kritisiert der Jugend-Sexual-Therapeut Peter Wanke vom Verein Limes.
Es entspreche der Logik, dass es in Einrichtungen für Kinder, die selbst sexuelle Gewalt erlitten haben, immer wieder zu Übergriffen käme. In Deutschland gebe es darum rund 30 Spezialeinrichtungen, wo intensiv an einer Änderung des Sexualverhaltens gearbeitet werde, sagte Wanke.
Siebenjähriger Bub wieder beim Vater
Auf Drängen ihres Anwalts leben der Siebenjährige und seine Stiefschwester nun seit Schulbeginn wieder bei ihrem Vater. Ihm war nach dem Tod der Mutter vor zweieinhalb Jahren die Obsorge wegen Überforderung entzogen worden.
Den Vorwurf, dass bei SOS-Kinderdorf die Obhut fahrlässig versagt habe, weist Regionalleiter Lammer zurück: Man habe intensiv versucht, Übergriffe durch psychologische Betreuung, Kontrolle und Beobachtung der beiden Buben zu verhindern. Auch die Ermittlungen der Polizei hätten keinen Hinweis auf fahrlässiges Vorgehen erbracht und seien deshalb eingestellt worden.
Auch seien die Pädagogen speziell geschult. Was diesen speziellen Vorfall betrifft, „wurden alle Schritte stimmig und entsprechend unseren Standards gesetzt“, versicherte Elisabeth Hause, Leiterin des Fachbereichs Pädagogik. „Es wurde ordentlich gearbeitet. Wenn wir etwas daraus lernen können, dann, eine räumliche Trennung manchmal noch dringlicher herbeizuführen“, was aus Platzgründen aber nicht immer möglich sei. „Ich würde aber niemals sagen, dass so etwas zu verhindern ist“, sagte Hauser.
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