Elternverbände aus mehreren europäischen Ländern werden am Dienstag in Straßburg eine Pressekonferenz abhalten, um gegen aus ihrer Sicht exzessive Praktiken der Inobhutnahme von Kindern durch deutsche Jugendämter zu protestieren. (Foto: reuters)
Für
Empörung bei Elternverbänden aus mehreren europäischen Staaten hat die
Entscheidung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments
ausgelöst, trotz einer Einladung durch MdEP Philippe Boulland (EVP) die
Erörterung einer Petition zum Gebaren von Jugendämtern nicht zu
behandeln.
Die betroffenen
Elternverbände hatten am 26. Februar per E-Mail eine Einladung erhalten,
ihre Fälle am 1. April 2014 vor dem Petitionsausschuss des Europäischen
Parlaments vorzubringen. In der Mail soll es geheißen haben:
„Benachrichtigen Sie alle Medien, damit die an diesem Tag ins Parlament
kommen, so dass wir nachhaltigen Druck auf die heutigen europäischen
Behörden ausüben können. Bitte, kommen Sie zu diesem Treffen und bringen
Sie ihre ganze Erfahrung und Analyse mit“.
Die
deutschen Abgeordneten Peter Jahr und Rainer Wieland vom
Petitionsausschuss haben den Termin allerdings in der Vorwoche
storniert, angeblich, weil schon so viele Petitionen zu diesem Thema
besprochen worden seien und insbesondere die in Rede stehende bereits
Gegenstand einer Anhörung gewesen sei. Diese Darstellung wird aus den
Reihen italienischer Abgeordneter bestritten. Auch sei MdEP Boulland im
Vorfeld nicht über die Stornierung informiert worden.
Im
Jahr 2012 nahmen die Jugendämter den Angaben der Verbände zufolge mehr
als 40 000 Kinder und Jugendliche in Obhut. Jedes vierte Kind habe dabei
keine deutsche Staatsangehörigkeit. Die Tendenz sei steigend. Das wäre
gegenüber dem Vergleichswert von 2007 eine Steigerung um 43%. Damals
wären es 28 192 Fälle gewesen, berichtete die FAZ im August 2013.
Die
Jugendämter argumentieren, in den Fällen, da man zur Inobhutnahme
greife, seien die Eltern oft überfordert, in anderen Fällen seien
Beziehungsprobleme die Ursache. Kritiker sehen das anders. So warf der
Vorsitzende des Polnischen Verbandes Eltern gegen Diskriminierung der
Kinder in Deutschland e.V., Wojciech Pomorski, in einem Gespräch mit der
Stimme Russlands dem Hamburger Jugendamt vor, aus willkürlichen Gründen
seine beiden Töchter weggenommen und ihm das Besuchsrecht untersagt zu
haben. Es sei den Töchtern unter anderem verboten worden, die polnische
Sprache zu sprechen.
Besondere Härte gegenüber Einwandererfamilien?
Pomorski
sieht finanzielle Eigeninteressens seitens der Sozialbürokratie als
Ursache für die vermehrten Kindeswegnahmen. Für jedes Kind könne das
Jugendamt mit einem Etat zwischen 3000 und 14 000 Euro monatlich
rechnen. Eine Verringerung der Inobhutnahmen würde auch Kürzungen im
Budget zur Folge haben.
Andere wittern
politische und ideologische Gründe hinter der zunehmenden Anzahl an
Interventionen der Jugendämter – und werfen ihnen vor, insbesondere
gegenüber Eltern aus Einwandererfamilien und solchen, die religiösen
Minderheiten angehören, mit besonderer Rücksichtslosigkeit zu agieren.
Neben
polnischen und türkischen Elternverbänden sind es auch russische
Einwandererfamilien, die über Willkür der Jugendämter klagen,
beispielsweise im Zusammenhang mit russischen baptistischen
Brüdergemeinden, die daran Anstoß nehmen, dass Schulbehörden durch die
Präsentation anstößiger Inhalte im Schulunterricht – beispielsweise im
Rahmen staatlicher „Sexualaufklärung“ - ihre elterlichen
Erziehungsrechte verletzen. Elena Svidnitskaja vom russischen
Elternverband „Juvenile Justice“ spricht von einer „Verletzung des
Rechts auf Kindheit“ und schildert auf der Webseite des Verbandes, wie
in mehreren Fällen Jugendämter Eltern auf ihre Verweigerungshaltung hin
bedroht oder sogar gegen diese Maßnahmen ergriffen hätten. In Darmstadt
wurde kürzlich sogar ein Fall bekannt, wonach das Jugendamt Kinder in
ihre Obhut genommen habe, weil die Eltern planten, zum Zwecke des
Homeschoolings den Wohnsitz der Familie nach Frankreich zu verlegen.
Politiker wollen Befugnisse der Jugendämter noch stärker ausweiten
Nun
wollen Politiker die Befugnisse der Jugendämter sogar noch erweitern,
berichtet die „Rheinische Post“. Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele,
der die SPD-geführten Länder in den Bereichen Arbeit, Soziales und
Familie koordiniert, wolle dies auf dem Wege der „Verankerung der Rechte
der Kinder“ im Grundgesetz erreichen. Diese könnten dann gegen die
Eltern ins Spiel gebracht werden.
Der
Staat solle leichter „gefährdete Kinder dauerhaft in Obhut nehmen“ und
ihnen ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie geben können. „Wir müssen
dafür sorgen, dass auch Pflegekinder mit einem hohen Maß an Sicherheit
und Beständigkeit aufwachsen können“, sagte Scheele. Nur so hätten sie
die Chance, sich gut zu entwickeln. „Dafür müssen wir die rechtliche
Stellung des Kindes und der Pflegeeltern stärken.“
Bislang
ist im Grundgesetz verankert, dass die Pflege und Erziehung der Kinder
das „natürliche Recht der Eltern“ sei. Dies soll auch so bleiben. Ein
eigenes Kinderrecht soll dafür sorgen, dass der Staat sich gegen Mütter
und Väter durchsetzen kann, die ihre Kinder misshandeln oder
verwahrlosen lassen.
Beschwerden türkischer Eltern bis nach Ankara durchgedrungen
Etwa
60% der Kinder, die durch das Jugendamt in Obhut genommen werden,
kehren den Initiatoren der Elternpetition zufolge nie in ihre Familien
zurück. Den Verbänden zufolge seien in mehr als zwei Dritteln der Fälle
die Gründe für die Wegnahme der Kinder nur vorgeschoben. Man befürchtet,
es solle ein Vorwand geschaffen werden, um angesichts der Kinderarmut
deutscher, säkularer Familien Kinder aus stärker religiös geprägten
Einwandererfamilien an Erstere „umverteilen“ zu können.
Auch
der türkische Premierminister Erdoğan hatte im letzten Jahr
angekündigt, sich über die Vorgehensweise der deutschen Jugendämter
genauer auf dem Laufenden halten lassen zu wollen. Mittlerweile haben
türkische Verbände auf die Situation reagiert und Eigeninitiative
ergriffen, um selbst Pflegeplätze anbieten und so einer kulturellen
Entfremdung von Kindern gegensteuern zu können.
Einer
italienischen Quelle zufolge soll nun am 1. April im Raum PHS 0A50 des
Europäischen Parlaments in Straßburg um 15 Uhr eine Pressekonferenz
stattfinden.
Philippe Boulland hat es geschafft, sie wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Näheres z.B. auf der Seite http://www.Archeviva.com
Bruxelles 1er avril 2014, commission des pétitions contre le Jugendamt
https://www.youtube.com/watch?v=AWTWkf8E2CI