Familiengerichte:
Welche Macht haben die Gutachter?
Gutachter an Familiengerichten sind in die Schlagzeilen geraten: zu
unwissenschaftlich, zu schnell und zu schlampig seien ihre Gutachten,
monieren Kritiker. Häufig sind die Kritiker jene Eltern, die im
Familienverfahren unterlegen sind - auch auf der Grundlage eines
psychologischen Gutachtens. Die Macht der Gutachter scheint unbegrenzt:
78 Prozent aller Richter folgen ihren Empfehlungen, ergab eine Umfrage
bei Gericht. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn ein Richter schaltet
Gutachter in jenen Fällen ein, in denen er alleine nicht weiter kommt.
Wer hat Recht in hochstrittigen Fällen?
Paare in Scheidung - am häufigsten werden Gutachter in "hochstrittigen Fällen" eingeschaltet.
Pflicht ist die Beauftragung eines psychologischen Gutachters immer
dann, wenn es um den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung geht, etwa bei
psychischen Erkrankungen der Eltern oder bei möglichem sexuellem
Missbrauch. Pflicht ist ein psychologisches Gutachten auch, wenn ein
Ehepartner vom Umgang oder von der elterlichen Sorge ausgeschlossen
werden soll. Besonders häufig aber wird der Gutachter dann
eingeschaltet, wenn ein Scheidungspaar sich partout nicht einigen kann,
bei welchem Elternteil das Kind leben soll. In diesen sogenannten
"hochstrittigen Fällen" hat der Richter einerseits zu wenig Einblick in
die Familien. Andererseits ist er als Jurist kein Fachmann für die
Frage: Wo ist das Kindeswohl eher gewährleistet?
Wie arbeiten die psychologischen Gutachter?
In der Regel entscheidet der Richter nach den Empfehlungen des
Gutachters. Dazu ist er gemäß der Rechtssprechung auch angehalten - wenn
er nicht gewichtige Gegenargumente anführen kann.
"Das Abweichen von einem fachpsychologischen Gutachten bedarf einer
eingehenden Begründung und des Nachweises eigener Sachkunde des
Gerichts. Außerdem muss das Gericht dann anderweitig über eine möglichst
zuverlässige Grundlage für die am Kindeswohl orientierte Entscheidung
verfügen."
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2007
Psychologische Gutachter sprechen mit den beiden Elternteilen, mit
den Kindern und - wenn nötig - noch mit anderen Menschen, die die
Familie kennen: Großeltern, Lehrer oder Vertreter des Jugendamtes.
Meist sieht er die Eltern und Kinder sowohl zu Hause als auch in seinen
Praxisräumen. Wie die Sachverständigen ihre Gutachten verfassen, steht
ihnen frei. Es gibt dafür keine Standards. Entsprechend unterschiedlich
gehen Gutachter vor, entsprechend unterschiedlich kann auch ihre
Empfehlung ausfallen.
Kritik am Gutachterwesen der Familiengerichte
Die Scheidung ist durch - aber wo soll das Kind leben?
Kritiker der psychologischen Gutachter klagen über ihren großen
Einfluss auf den Ausgang familienrechtlicher Verfahren. Dabei kommen
zwei Faktoren zusammen: Die Familienrichter sind zwar als Juristen
kompetente Fachleute, um das gerichtliche Verfahren zu führen. Bei
Familienstreitigkeiten brauchen sie aber auch psycholgische Kenntnisse -
und daran hapert es in der Praxis oft. Wie wirkt sich die
Trennungssituation auf ein Kind aus? Wie erlebt es das Kind, wenn einem
Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird? Häufig wissen die Richter
zu wenig über die Folgen ihres Handelns Bescheid. Auf der anderen Seite
stehen die psychologischen Gutachter. Ihre Berufsbezeichnung ist nicht
geschützt. Meist arbeiten Psychologen als Sachverständige. Aber ein
Psychologie-Studium ist keine Zugangsvoraussetzung für diese Tätigkeit.
Man findet auch Sozialpädagogen oder Fachfremde wie Heilpädagogen unter
den Gutachtern.
Gesetzesreform 2007: Gutachter als Teil der Lösung
Wo sind die Kinder besser aufgehoben? Wenn sich ein Paar nicht einigen kann, gibt der Gutachter seine Empfehlung ab.
In der Praxis treffen Gutachter - im Auftrag der Richter - häufig
eine Entscheidung, wer der "bessere Elternteil" ist. Diese Art der
Begutachtung führt in der Regel zu noch mehr Spannungen unter den
Eltern. Seit der Reform des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen 2009 können Richter den Gutachtern aber auch einen
lösungsorientierten Auftrag mitgeben. Das bedeutet: Statt die Defizite
der Eltern aufzuzählen, sollen sie sich mit Vater und Mutter an einen
Tisch setzen. Die zerstrittenen Eltern sollen sich hinsichtlich ihrer
Kinder einigen. Der Richter kann dann einfach das von beiden Seiten
ausgehandelte Verhandlungsergebnis übernehmen.
"Die früheren Spielregeln im Verfahren waren: wer es schafft, mit
Hilfe eines guten Anwalts den anderen zu demontieren, hat gewonnen. Das
hat sich geändert. Die neue Regel heißt: En guter Elternteil ist der,
der weiß, wie wichtig der andere Elternteil für die Entwicklung des
Kindes ist, und der diese Beziehung auch fördert."
Ursula Kodjoe, psycholgische Gutachterin und Mediatorin
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