Auslöser ist Kindesabnahme in Innsbruck
Anlass für die geplante Reform ist ein Fall, der beim Menschenrechts-Gerichtshof in Strassburg anhängig ist. Einem Ehepaar in Innsbruck wurden vor sieben Jahren wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs zwei Kinder abgenommen. Die Kinder wurden von der Schule abgeholt.Erst drei Monate später, nach einem Gutachten und einem Gerichtsverfahren, war der Verdacht entkräftet und die Kinder kamen zurück. Aber ob die ursprüngliche Kindesabnahme gerechtfertigt war, konnte nach der Gesetzeslage in Österreich nicht nachträglich überprüft werden, kritisiert der Anwalt der Familie, Laszlo Szabo.
„Die Kernkritik ist, dass die Jugendwohlfahrt tun und lassen kann, was sie will, ohne dass diese Maßnahmen nachträglich gerichtlich überprüft werden können“, so der Anwalt. Bei jedem Parkzettel oder Polizeiübergriff sei dies sehr wohl möglich, aber bei den Jugendämtern gehe das nicht.
Künftig Prüfung im Nachhinein
Das Justizministerium will nun nicht mehr abwarten, ob der Menschenrechts-Gerichtshof Österreich verurteilt. Man plane unabhängig davon eine Verbesserung, erklärt Michael Stormann, Leiter der Familienrechtsabteilung im Justizministerium. Nach aufgehobenen Kindesabnahmen soll es künftig möglich sein, dass das Kind bzw. die Personen, die die Obsorge haben, bei Gericht einen Antrag auf Überprüfung stellen, ob die Maßnahme unzulässig war. Dies sei eine Verbesserung des Rechtsschutzes, so Stormann.Verbleib binnen Monatsfrist klären
Geplant sei noch ein zweiter Reformschritt. Derzeit kann es vor allem wegen nötiger psychologischer Gutachten mehr als ein Jahr dauern, bis ein Gericht entscheidet, ob vom Jugendamt abgenommene Kinder aus einem Heim zurück nach Hause kommen. Künftig soll es viel rascher zumindest eine vorläufige Gerichtsentscheidung geben, erklärt Stormann. „In Zukunft soll es auf Antrag der Eltern oder des Kindes möglich sein, dass eine vorläufige Entscheidung ergeht, ob das unzulässig ist oder ob es weiterhin zulässig ist. Diese Entscheidung ist innerhalb von vier Wochen zu verhandeln, wird das Gesetz vermutlich sagen.“Innsbrucker Reaktionen
Die Innsbrucker Jugendamtschefin Gabriele Herlitschka steht dieser geplanten Änderung positiv gegenüber. Rasche vorläufige Entscheidungen seien ein Wunsch der Jugendwohlfahrt an die Justiz, so Herlitschka. Im Justizministerium sieht man in dieser Haltung Qualitätsbewusstsein. „Wenn man qualitativ arbeitet“, so Stormann, „hat man Kontrolle nicht zu fürchten.“Kritischer als die rasche Entscheidung über den Verbleib, sieht die Innsbrucker Jugendamtschefin die nachträgliche Kontrolle für Kindesabnahmen. Gabriele Herlitschka befürchtet Schadenersatz- oder Amtshaftungsklagen, sollte ein Gericht der Ansicht sein, dass ein Jugendamt zu Unrecht Kinder weggenommen hat. Justiz-Experte Stormann ist da optimistischer. Er meint, es gehe vor allem darum, dass die Jugendämter aus den künftigen Gerichtsentscheidungen lernen und ihre Arbeit optimieren.
Publiziert am 04.09.2012
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