Da war dieser Anruf. "Ich
würde gern mit Ihnen reden, es geht um Ihren Sohn", sagt die besorgte
Stimme der Mitarbeiterin eines freien Trägers der Hamburger Jugendhilfe.
"Und bitte kommen Sie als Eltern – beide."
Beunruhigend?
Fanden wir nicht. Gespräche über die Kinder pflastern den Weg durch die
Krippen-, Kita-, Grundschuljahre. Zumal, wenn man zwei Jungen erzieht,
zu jenem Zeitpunkt neun und 13 Jahre alt.
Als
wir ein paar Tage später bei Frau Raubal* im Büro saßen, müssen wir
komisch geschaut haben, als sie uns sagte: "Uns liegen Informationen
vor, die den Verdacht nähren, dass Sie Ihren Sohn Liam zu Hause
schlagen..." Wie bitte? Jetzt nur nicht lachen. Das macht verdächtig.
Also etwas sagen.
Hinter
dicken Brillengläsern sah uns eine etwa 55-jährige Frau an, mit der wir
nie zuvor zu tun hatten. Die Chefin der Horts, der in der Schule liegt,
aber von einem freien Träger betrieben wird. Für die Betreuung unseres
Neunjährigen an den Nachmittagen waren zwei andere Erzieherinnen
zuständig.
Ich hatte
umgehend das Gefühl, dass meine Reaktionen beobachtet werden. Ich durfte
mich nicht verdächtig machen. Ich musste etwas sagen. "Ich finde es
gut, dass Sie uns hergebeten haben. Und dass Sie sich des Themas
annehmen. Man muss solchen Dingen nachgehen. Natürlich werden wir alles
tun, um bei der Aufklärung zu helfen. Und ich darf Ihnen versichern:
Meine Frau und ich schlagen unsere beiden Kinder nicht."
Überzeugt von einer gewaltfreien Erziehung
Sara,
meine Frau, mischte sich ein: "Um welche Informationen handelt es sich
denn?" Das hatte ich ganz vergessen zu fragen. Sollte ich jetzt wirklich
betonen, dass wir von einer gewaltfreien Erziehung überzeugt sind? Dass
wir aus diesem Grund auch nie Spielzeugwaffen gekauft haben? Keine
Computerspiele, keine Konsolen? Unser Fernseher ist 15 Jahre alt – und
Anlass für Spott für die Freunde unserer Kinder.
"Wir
haben es von mehreren Seiten gehört. Zudem hat es Liam selbst erzählt.
Er sagte, er werde sogar mit einem Stock verprügelt, regelmäßig." Oh
Gott, jetzt habe ich tatsächlich das Gesicht zu einem Grinsen verzogen.
Das ist zu absurd. Mit einem Stock.
Hatte
Liam etwa von unseren Gefechten mit den Zierbambusstöcken erzählt, die
im Wohnzimmer in einer Vase stehen? Ja, ich hatte ihm mitunter, wenn er
seine Deckung vernachlässigte, damit einen Treffer auf den Hintern
versetzt. Aber das erzählte ich Frau Raubal lieber nicht.
Ich
blickte auf. Frau Raubals Blick haftete auf uns. Ich spürte, dass sie
uns nicht glaubte. Mir fiel Frau Prysselius ein, die "Prusseliese",
diese strenge Erzieherin, die Pippi Langstrumpf ins Heim stecken wollte,
die Heldin meiner Kindheit.
"Ich
denke, das wird sich aufklären", höre ich mich sagen. Ich fragte die
Erzieherin, ob sie mit meinem Sohn darüber gesprochen hat. Sie
verneinte. Sie solle das tun, sagte ich. "Wir kommen Ihnen entgegen und
werden das zu Hause nicht thematisieren, um ihn nicht zu beeinflussen."
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