18.03.12

Schadensersatzpflicht des Gutachters bei Pflichtverletzung

Hans-Peter Herrmann, Fachanwalt für Medizinrecht 

Gutachterhaftung bei Falschgutachten neu geregelt

Will ein im Prozess unterlegener Begutachteter gegen den Gutachter wegen falscher Begutachtung vorgehen, hat er folgende neue Regelung als Anspruchsgrundlage zu beachten:

§ 839 a BGB : "Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist dieser zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht."

Für die Erstellung eines unrichtigen,also nicht

1. der objektiv feststellbaren Sachlage und Kausalität

2. der wissenschaftlichen Erkenntnis zum Ereigniszeitpunkt

entsprechenden Gutachtens haftet der Sachverständige gegenüber den Prozessparteien nach § 839 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf Schadensersatz.
Zum 1. August 2002 ist § 839 a BGB als besondere Haftungsgrundlage für den gerichtlichen Sachverständigen in das Bürgerliche Gesetzbuch neu aufgenommen worden. Zuvor haftete der gerichtlich bestellte Sachverständige aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.
Die Neuregelung gilt für Fälle, bei denen das schädigende Ereignis,also die Abgabe des objektiv fehlerhaften Gutachtens, nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist.

Nach § 839 a BGB muss der gerichtliche Sachverständige dann haften und den Schaden ersetzen, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet und die darauf beruhende gerichtliche Entscheidung einem der Verfahrensbeteiligten Schaden zufügt.

Der Gutachter haftet unabhängig von einer Beeidigung auch für Vermögensschäden, wobei er nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Diese Einschränkung soll dem Gutachter die Angst vor der klaren Aussage nehmen, und ausgleichen, dass er nach den prozessualen Verfahrensordnungen regelmäßig zur Übernahme des Gutachtens verpflichtet ist und eine Haftungsbeschränkung mangels Vertragsbeziehung zu den Parteien nicht vereinbaren kann. Die neue Haftungsregel findet allerdings regelmäßig keine Anwendung,
wenn das Verfahren ohne eine gerichtliche Entscheidung, sondern z.B. durch Prozessvergleich oder Klagerücknahme beendet wird, da in diesen
Fällen die Kausalität für einen etwaigen Schadenseintritt in der Regel fehlt.

Soweit
ein Prozessvergleich unter dem Eindruck des unrichtigen Gutachtens geschlossen
wurde, kann dies allerdings zur (Teil-) Unwirksamkeit des Vergleiches (§ 779 BGB) bzw. zur Modifikation des Vergleiches über die Grundsätze
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) führen, wenn die vom Gutachter unrichtigerweise als feststehend deklarierten Tatsachen die Grundlage des Vergleichs bildeten, was in der
Regel der Fall ist.

Zu ersetzen ist der " Urteilsschaden " . Dies ist der Schaden, der auf der durch das unrichtige
Gutachten materiell-rechtlich falschen gerichtlichen Entscheidung beruht, wie etwa ein zu gering angesetztes Schmerzensgeld aufgrund der fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im Gutachten
oder zu hoch angesetzte Prozesskosten.
Nicht erfasst werden Begleitschäden, die unabhängig von dem Verfahrensausgang
entstehen.
Nach der bis 1. 8.2002 geltenden Rechtslage war es aussichtslos, ohne dessen vorgehende strafrechtliche Verurteilung zivilrechtlich gegen einen gerichtlich bestellten Gutachter vorzugehen. Aber auch nach neuer Rechtslage bedarf es erheblichen und schlüssigen Tatsachenvortrages.

Eine Haftung für schlichte Fahrlässigkeit (bloße Sorgfaltspflichtverletzung) kommt also wie früher nur dann in Betracht, wenn der Sachverständige beeidigt wurde, und durch die Eidesleistung den an sein Handeln anzulegenden Verschuldensmaßstab persönlich "erhöht" hat.


§ 893 a BGB stellt eine wesentliche Erweiterung des Haftungsrechts dar. Da Gerichte üblicherweise und oft unkritisch das Ergebnis des Sachverständigengutachtens mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme gleichsetzen und der Entscheidung zugrundelegen, können die Parteien den Prozess über den Umweg der Haftungsklage gegen den Sachverständigen erneut führen, wenn es sich tatsächlich um ein Falschgutachten handelt. Dies ist für den Betroffenen dann die einzige Möglichkeit, materielle Gerechtigkeit zu erlangen (vgl. BT-Drucksache 14/7752, S. 28).

Der Gesetzgeber hat den angegriffenen Sachverständigen allerdings durch erhebliche Hürden geschützt und den Geschädigten "Steine statt Brot" gegeben:

Zuerst muss der Rechtsstreit (in dem das Falschgutachten erstattet wurde) durch die letzte Instanz geführt werden. Entsprechend der in § 839 BGB geregelten Amtshaftung hat der Gesetzgeber nämlich die Haftung des Sachverständigen nach § 839 a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB für den Fall ausgeschlossen, dass es der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels (Widerspruch, Berufung, Revision) abzuwenden. Dass der entstehende Schaden hierdurch u.U. sich durch erhebliche Kosten vergrössert, hat man hierbei offensichtlich nicht berücksichtigt.

Auch ist der Nachweis des Falschgutachtens äußerst schwierig und setzt gleichfalls Sachverständigenkenntnisse und Tatsachenerfahrung - insbesondere bei der Feststellung der tatsächlichen Ereignisse und bei deren Verlauf - voraus.
Daher schlagen wir vor, zunächst das Gutachten durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Die Voraussetzungen eines Beweissicherungsverfahrens liegen nicht vor, wenn der Hauptprozess noch nicht abgeschlossen ist.

Hierzu: BGH, Beschluß vom 28.07.2006 - Aktenzeichen III ZB 14/06

Rechtsschutzbedürfnis für ein selbständiges Beweisverfahren zur Vorbereitung eines Sachverständigenhaftpflichtprozesses


»Ein Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO, der der Vorbereitung eines Sachverständigenhaftpflichtprozesses nach § 839a BGB dienen soll, ist mangels eines rechtlichen Interesses grundsätzlich unzulässig, solange der Vorprozess noch nicht abgeschlossen ist und der Partei dort Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, mit denen sie eine Korrektur des ihrer Meinung nach grob fehlerhaften Gutachtens erwirken kann.«
ZPO § 485 Abs. 2 ; BGB § 839a ;



Wenn Sie ganz sicher gehen wollen, und vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe mehr Sicherheit gewinnen wollen, haben Sie auch die Möglichkeit, auf eigene Kosten ein unabhängiges (Privat-)Sachverständigengutachten einzuholen, mit dem Ihr Rechtsanwalt dann konkret arbeiten kann.





1 Kommentar:

  1. Anonym08:27

    und der Familienrichter hat die Empfehlung der "Sachverständigen" des nachweislichen Falschgutachtens anstandslos übernommen.
    Was kommt jetzt ?
    Das Flensburger Jugendamt hat laut Beschluss ebenfalls der Empfehlung des Falschgutachtens zugestimmt OBWOHL der Mitarbeiter des Jugendamts "dachte" der Fall wäre schon lange beim OLG in Schleswig.
    Was kommt jetzt ?
    Die Mutter hat trotz nachweislicher Auslandsadresse mit Empfehlung der Verfahrensbeiständin der Kinder, Jugendamt, Sachverständigen das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für 2 eheliche Kinder, (Jungen, 6+8 Jahre die zu 5 Verfahrensbeteiligten sagten sie wollen bei Papa wohnen), bekommen.
    Was kommt jetzt ?
    Keine Ahnung, bin total ratlos ! !

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