09.03.12

Redemanuskript: Kinderrechte in Deutschland umfassend stärken Rede gehalten in der 131. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. September 2011





– Es gilt das gesprochene Wort –


Die Menschenrechte gelten gleichermaßen, ohne Abstriche, für alle Menschen, also
auch für die Kinder. Es sei denn, man wollte die Reichweite der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 in Frage stellen.
Dies geht auch aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.11.1989 zu
den Rechten der Kinder hervor. Darin wird betont, dass das Kind wie jeder Erwachsene
von Anfang an Person ist und eine eigene Würde hat und damit kein Mensch mit
geringerem Rechtsschutz ist.

Damit ist klargestellt, dass wir für den Kinderschutz keine Grundgesetzänderung
benötigen. Das Grundgesetz gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Wer
deshalb die Rechte der Kinder stärken will, kann dies durch einfaches Gesetz erreichen
und benötigt dazu keine Änderung des Grundgesetzes.
Zu dem Übereinkommen vom 20.11.1989 kam es vor allem aufgrund der unmittelbaren
sehr bedrückenden Erfahrung, dass die Kinder immer die ersten Opfer von Epidemien,
Hungersnöten und Konflikten sind. Durch dieses Übereinkommen setzte in vielen
Ländern ein Bewusstseinswandel ein. Es kam zu einer größeren Achtung und


Verteidigung der Rechte des Kindes. Die Staaten wurden aufgerufen und fühlten sich
auch aufgerufen, für einen besseren Schutz der Rechte der Kinder Sorge zu tragen. Es
setzte sich vielerorts die Erkenntnis durch, dass die Sorge um die Kinder zugleich die
Sorge um die eigene Zukunft ist.
Das Übereinkommen stellt klar, dass das Kind kein Erwachsener im Kleinformat ist,
sondern dass es der Erziehung bedarf und der liebenden Zuwendung vor allem der
eigenen Eltern. Den Vertragsstaaten wird deshalb die Verpflichtung auferlegt, die Rechte
der Eltern zu achten und den Vorrang der Familie vor dem Staat und anderen
gesellschaftlichen Institutionen durchzusetzen, das Erziehungsrecht der Eltern
anzuerkennen und den Staat in die Wächterrolle zu verweisen. Nur bei fehlender und
mangelhafter familiärer Sorge hat er die Pflicht, schützend einzugreifen.

Im GG ist dieser Vorrang und diese Verpflichtung der Eltern aber auch die Rechte der
Kinder auf Erziehung durch ihre Eltern in Art. 6 GG grundgelegt. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 01.04.2008 zu Art. 6 GG mit der
nötigen Klarheit festgestellt, dass die Eltern nicht nur ein Recht und die Pflicht zur
Erziehung haben, sondern, dass die Kinder insoweit auch ein einklagbares Recht auf
Erziehung durch die Eltern haben.

Die Familie ist also der erste und wichtigste Ort für die Kinder, an dem sie die Stärke und
Selbstsicherheit erhalten, die sie für ihr Leben brauchen. Deshalb ist es ein
Rechtsanspruch der Kinder, dass der Staat die Familien schützt und die
Erziehungskompetenz der Eltern stärkt. In der öffentlichen Diskussion gewinnt man
manchmal den Eindruck, als müssten die Kinder vor ihren Eltern geschützt werden. Die
Eltern geraten unter den Generalverdacht, als seien sie nicht in der Lage ihre Kinder
selbst zu erziehen. Deshalb müssten die Kinder so früh als möglich in die Kita gebracht
werden. Nur in der Kita und unter staatlicher Aufsicht sei die Erziehung der Kinder
gewährleistet. Das Gegenteil ist richtig. Die Kita kann die Nähe der Mutter und des
Vaters, die das Kind so nötig hat wie die tägliche Nahrung, nicht ersetzen. Niemand
umgibt die Kinder mehr mit einer solch sorgenden Liebe, wie Vater und Mutter. Das ist
die Regel und nicht die Ausnahme. Diese Erkenntnis, wie sie im Übereinkommen der
UNO zum Ausdruck kommt, setzt sich in der ganzen Welt durch, nur nicht bei uns. Aber
wir wissen ja immer alles besser. Dabei gibt es auch bei uns immer mehr Gutachten die
bestätigen, dass die Kinder gerade in den ersten 2 Jahren ihres Lebens für ihre
Entwicklung die Nähe und Sorge ihrer Eltern benötigen. Haben sie diese Nähe, sind sie
lernfähiger als die Kita-Kinder. Wenn wir also über Rechte der Kinder nachdenken, dann
müssen wir dafür sorgen, dass das Recht des Kindes auf Erziehung durch seine Eltern
mehr beachtet wird, als dies derzeit der Fall ist. Im Gegenteil, wir erleben insoweit eine
Verletzung dieser Rechte des Kindes und zwar auf Grund eines aus der Sicht des Kindes
falschen Familienbildes. Aus einer Studie des Roman Herzog Institutes ergibt sich, dass
Mütter in einem egalitären Modell unzufriedener sind als Mütter aus einem traditionellen
Modell. Dies vorallem deshalb, weil sie spüren, dass ihr Kleinkind unter ihrer
Abwesenheit leidet.
Schließlich fordert dieses Übereinkommen die Staaten auf, alle ihnen möglichen Mitteln
zu ergreifen, um die Kinder vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu schützen.
Seit 2000 haben wir in unserem BGB verankert, dass die Kinder das Recht auf
gewaltfreie Erziehung haben. Dabei ist es keine Frage, dass unter Gewalt nicht schon
ein Klaps auf den Rücken oder eine Ohrfeige zu verstehen sind. Vor allem aber geht es
darum, die Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen.
Der sexuelle Missbrauch
verletzt das Kind in seiner Würde, er verletzt seinen Geist und seine Seele. Der
Missbrauch greift nicht nur die Psyche an und zerstört sie, sondern auch das sittliche
Bewusstsein des Kindes. Diese Verletzungen sind sehr schwer zu heilen. Der
Missbrauch ist ein schweres Verbrechen, das entsprechend verfolgt und bestraft werden
muss.

Der runde Tisch hat insoweit Vorschläge ausgearbeitet, die in den Entwurf des
Bundeskinderschutzgesetzes aufgenommen werden, auf den ich noch zusprechen
kommen werde.

Zunächst möchte ich auf ein neues Vorhaben in den öffentlichen Schulen von Berlin
hinweisen. Dort soll den Kindern in den Grundschulen ein Bild „weg von der klassischen
Vater-Mutter-Kind-Familie“ vermittelt werden. In jeder Schule soll eine Lehrkraft für
sexuelle Vielfalt zur Verfügung stehen. Schüler und Schülerinnen sollen im
Pantomimenspiel sexuelle Erregungen darstellen. Homosexualität soll zum Mainstream
erhoben werden. Diese völlig absurde Vorstellung von der Erziehung der Kinder verletzt
die Rechte der Kinder und die Rechte der Eltern. Ich hoffe, dass diese krankhaften Ideen
mit der Wahl vom letzten Sonntag im Papierkorb landen. Man könnte sonst die Kinder
wirklich nicht mehr in eine öffentliche Schule schicken. Das Recht des Kindes, zu einer
starken Persönlichkeit heranzuwachsen wird auf diese Weise mit Füßen getreten.
Sicher haben wir uns, wie auf allen Rechtsgebieten, auch im Blick auf die Rechte der
Kinder immer wieder die Frage zu stellen, ob die bestehenden Gesetze der Realität noch
entsprechen.

Mit dem Kindschaftsreformgesetz von 1998 haben wir auf dem Gebiet der Gesetzgebung
eine grundsätzliche Neuordnung des Eltern-Kind-Verhältnisses herbeigeführt. Diese
Änderung im Recht der elterlichen Sorge hat zu einer erheblichen Verbesserung der
Rechtsstellung von Eltern und Kindern geführt. Gleiches kann man allerdings nicht vom
neuen Unterhaltsgesetz sagen. Jetzt gilt die Neuregelung, dass eine alleinerziehende
Frau nach dem 3. Lebensjahr des Kindes eine Arbeit aufnehmen muss. Bis zum 3.
Lebensjahr ist die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit für das Kind unzumutbar. Das kann
aber auch nach dem 3. Lebensjahr noch der Fall sein. Deshalb ist die Verpflichtung der
Frau ab dem 3. Lebensjahr des Kindes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen allein am
Wohl des Kindes zu messen. Deshalb muss das neue Unterhaltsrecht überdacht werden.
Das gilt auch für die Fortdauer der vom Staat zu erbringenden Grundsicherung.
Mit dem Gesetzentwurf der Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und
Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz) will der Bund den Kinderschutz in
Deutschland weiter voranbringen.

Die Modellprogramme des Bundes und der Länder für
die frühen Hilfen während der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren sollen nun
gesetzlich verankert werden. Der Schutzauftrag des Jugendamtes bei Gefährdungen des
Kindeswohls soll verstärkt werden. Es soll die Zusammenarbeit der Jugendämter zum
Schutz von Kindern, deren Eltern sich durch Wohnungswechsel der Überwachung
entziehen, gesetzlich verankert werden. Dazu gehört die Befugnis der
Berufsgeheimnisträger, entsprechende Informationen an die Jugendämter
weiterzugeben. Außerdem soll die bessere Qualifizierung des Personals der
Jugendämter gesetzlich geregelt werden.

Die Kinderrechte sind wichtig. Entscheidend aber ist, dass die Gesellschaft sich öffnet für
die Kinder, dass die Kinder in einer sie liebenden Umgebung aufwachsen können. Dies
ist am besten gewährleistet in den Familien, also unterstützen wir die Familien, um so die
Rechte der Kinder zu wahren. Nur wenn wir die Familien in der richtigen Weise
unterstützen, werden unsere Familien auch wieder mehr Kinder haben und wir werden in
einem für Kinder freundlichem Land leben, als dies derzeit der Fall ist.

Norbert Geis
Mitglied des Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
Wilhelmstraße 60, Zi. 434
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Tel: (030) 227 - 73524
Fax: (030) 227 - 76186
Email: norbert.geis@bundestag.de

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