16.03.12

Ablehnung eines Sachverständigen in Kindschaftssachen wegen Befangenheitsbesorgnis aufgrund polemischer und fachlich nicht begründeter Äußerungen sowie Überschreitung seiner Kompetenzen

OLG Hamm: Ablehnung eines Sachverständigen in Kindschaftssachen wegen Befangenheitsbesorgnis aufgrund polemischer und fachlich nicht begründeter Äußerungen sowie Überschreitung seiner Kompetenzen, indem auf einen Elternteil Druck zur Vornahme bestimmter prozessualer Schritte ausgeübt wurde

Das OLG Hamm hat sich in einer bemerkenswerten Entscheidung mit der Problematik von möglicherweise befangenen Sachverständigen befasst, dies ist insoweit bemerkenswert, als dass das seit September 2009 geltende FamFG den Sachverständigen eine deutliche aktivere Rolle zugedacht hat, die über die klassische Gutachtertätigkeit hinausgeht.

Im vorliegenden Fall führte ein Gutachter in einem Sorgerechtsverfahren mit den Eltern ein von ihm so bezeichnetetes "Nachgespräch". In diesem erklärte er dem Kindesvater gegenüber, dass dieser sich schämen solle, er hätte Schaden in der Seele des Kindes angerichtet und dessen Menschenwürde verletzt. Zu dieser, schon aufgrund der polemischen Ausdrucksweise den Eindruck von Voreingenommenheit und Unsachlichkeit erweckenden Haltung kam der Sachverständige lediglich nach einem relativ kurzen Gespräch mit dem Kind und ungeachtet der Tatsache, dass dem Vater vom ersten Gutachter im Vorverfahren eine uneingeschränkte Erziehungsfähigkeit bescheinigt wurde. Hinzu kam, dass sich der Sachverständige unmittelbar nach dem kurzen Gespräch mit dem Kind eindeutig zum Ergebnis seines Gutachten geäußert hat und dies ohne jegliche fachliche Begründungen. Weiterhin äußerte er sich auch dahingehend, dass es besser wäre, wenn es gar nicht erst zu einer gerichtlichen Entscheidung käme, da das Gericht so oder so seinen Empfehlungen folgen würde: "Gutachter sind eigentlich die heimlichen Richter ...".

Der Gutachter hat beim Kindesvater durch seine "Empfehlung" den Eindruck erweckt, dass er sich nicht wirklich mit der zu beantwortenden Beweisfrage auseinandersetzt, sondern Ziele verfolgt, die außerhalb seines Auftrages liegen. Hier hat das Gericht eine klare Grenze gezogen:

Unabhägig davon, inwieweit ein Gutachter einen sogenannten "lösungsorientierten Ansatz" verfolgt, überschreitet er eindeutig seine Kompetenz, wenn er einem Verfahrensbeteiligten bestimmte prozessuale Schritte nahelegt oder ihn hier sogar massiv unter Druck setzt. Auch wenn das Gericht anordnen kann, dass der Sachverständige bei der Erstellung seines Gutachtens auf die Herstellung des Einvernehmens hinwirken soll, ist es nicht seine Aufgabe, einen Elternteil unter Druck zu setzen, um ein von ihm gewünschtes Ergebnis auch ohne Gerichtsentscheidung herbeizuführen. Die Entscheidung, den Konflikt durch ein gerichtliches Verfahren auszutragen oder in einem außergerlchtlichen Verfahren einvernehmlich beizulegen, ist allein den Eltern vorbehalten.

(OLG Hamm, Beschl. v. 02.09.2010, AZ: 4 WF 111/10)

 

 

 

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