24.05.12

Pflegekinder - Umgang der leiblichen Eltern



Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung sehr ausführlich und sehr grundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie, wann und ob ein (leiblicher) Vater Umgang mit seinem Sohn verlangen kann, der in einer Dauerpflegestelle lebt. Die Entscheidung zwingt Pflegeeltern zukünftig wesentlich genauer, intensiver und umfassender vorzutragen, wenn sie der Meinung sind, Umgang mit den leiblichen Eltern tut ihren (Pflege-) Kindern nicht gut. Was in den meisten Fällen so sein wird.
Die Entscheidung (in Auszügen). Bundesverfassungsgericht, BVerfG, 1 BvR 3189/09 vom 14.7.2010.


Der Vater eines aus einer kurzen Beziehung mit der damals verheirateten Kindesmutter stammenden, im April 2006 geborenen Sohnes begehrt Umgang. Die Mutter setzte den Jungen unmittelbar nach der Geburt aus. Er kam an seinem 12. Lebenstag in eine Pflegefamilie, in der er seither lebt. Die Mutter ist alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das dem Jugendamt übertragen wurde. Umgangskontakte mit ihrem Sohn lehnt sie ab. Das zuständige Amtsgericht gewährte ihm Umgang einmal im Monat in Anwesenheit des Pflegevaters.
Das sei, so das Bundesverfassungsgericht, rechtswidrig. Aus folgenden Gründen:
Der Vater wird durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

Das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Entsprechendes gilt auch dann, wenn das Kind nicht bei einem Elternteil, sondern in einer Pflegefamilie lebt. Denn in der Regel entspricht es dem Kindeswohl, die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten und das Kind nicht vollständig von seinen Wurzeln zu trennen.

Besteht Streit über die Ausübung des Umgangsrechts, haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Die Umstände des Einzelfalls werden nicht hinreichend berücksichtigt, wenn die Gerichte, ohne konkrete Feststellungen zu treffen, eine bestimmte Umgangsregelung mit ihrer Spruchpraxis in vergleichbaren Fällen begründen. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren.
Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen. Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen. Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden.
Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen; das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen. Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen. Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können.

Diesen Maßstäben sind die Fachgerichte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Die angegriffenen Entscheidungen tragen dem Elternrecht des Beschwerdeführers sowohl materiell als auch in seiner Ausstrahlung auf die Verfahrensgestaltung nicht hinreichend Rechnung.
Zwar gehen die Fachgerichte im Ansatz zutreffend davon aus, dass das Kindeswohl der entscheidende Maßstab für die Umgangsregelung sein muss. Auch führt das Amtsgericht richtig aus, dass darüber hinaus das verfassungsrechtlich garantierte Elternrecht zu berücksichtigen ist. Die angegriffenen Beschlüsse lassen aber nicht erkennen, dass sich die Fachgerichte dem aus den vorstehenden Grundsätzen folgenden verfassungsrechtlichen Gebot bewusst gewesen sind, dem Elternrecht in dem Umfang Rechnung zu tragen, in dem es mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringen ist. Die Entscheidungen enthalten keine Ausführungen dazu, welche Umgangsregelung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls dem Wohl des Kindes entspricht.
Die Ausführungen des Amtsgerichts erschöpfen sich im Wesentlichen in der allgemeinen Feststellung, dass der Junge in einer Pflegefamilie aufwachse und seine Integration in dieses Umfeld nicht gestört werden dürfe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Umgang ursprünglich alle vier Wochen stattgefunden habe. Ob und in welchem Umfang die Umgangskontakte mit dem Vater und ihre etwaige Intensivierung tatsächlich zu erheblichen Störungen in der Beziehung des Kindes zu seinen Pflegeeltern führen, ist der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht zu entnehmen. Weder der Umstand, dass das Kind den Beschwerdeführer noch nicht als seinen leiblichen Vater einordnen könne, noch die Aussage, dass es sich bei den Umgängen nach einer gewissen Zeit – aus nicht näher dargelegten Gründen – wieder dem Pflegevater zuwende, lassen hierauf Rückschlüsse zu. Ebensowenig bietet die in dem amtsgerichtlichen Beschluss zitierte Erklärung des Pflegevaters, die Besuche würden das Kind anstrengen, hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass eine, gegebenenfalls auch nur moderate, Ausweitung des Umgangs dem Kindeswohl schaden werde, zumal die Anstrengung des Kindes auch daher rühren kann, dass der Umgang in Begleitung und damit unter mehrfacher Beobachtung stattfindet.

Der Annahme des Amtsgerichts, der vom Vater gewünschte unbegleitete Umgang jedes Wochenende und an Feiertagen werde der Situation des Kindes nicht gerecht und überfordere es, fehlt daher eine nachvollziehbare Begründung. Vor allem aber berücksichtigen diese Ausführungen nicht, dass das Gericht an den Antrag des Vaters nicht gebunden ist und zwischen dem bisher praktizierten begleiteten Umgang alle vier Wochen eine Stunde in der Pflegekinderstelle und dem von dem Beschwerdeführer beantragten Umgang eine Spannbreite weiterer Regelungsmöglichkeiten eröffnet ist.
Auch die Begründung des Oberlandesgerichts lässt eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, welche Umgangsregelung konkret das Wohl des Kindes erfordert. Das Oberlandesgericht begründet die Zurückweisung der Beschwerde des Beschwerdeführers allein damit, dass derzeit nur die Pflegeeltern als Bezugspersonen des Kindes anzusehen seien und deshalb eine behutsame Ausgestaltung des Umgangs zu seinem leiblichen Vater erforderlich sei. Dabei verweist der Senat auf zwei Entscheidungen und eine Fundstelle in Palandt, BGB, § 1632 Rn. 13 ff., die sich sämtlich nicht mit einer vergleichbaren Fragestellung, sondern der Problematik einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB beschäftigen.

Nähere Feststellungen dazu, in welchem Umfang das Wohl des betroffenen Kindes hier eine behutsame Umgangsregelung erfordert und weshalb ein gegenüber der bisherigen Praxis erweiterter Umgang in jedem Fall dem Kindeswohl nicht mehr gerecht werden würde, finden sich in der Entscheidung nicht. Die Behauptung, dass ein intensiverer Umgang die für das Kind notwendige Stabilität in seinem persönlichen Umfeld gefährden würde, wird weder begründet noch ist sie in irgendeiner Weise belegt. Sie hätte jedoch auch deshalb weiterer Erörterung bedurft, weil das Oberlandesgericht zugleich feststellt, dass auch der Beschwerdeführer seinen Sohn in der Pflegefamilie belassen wolle und es keine Bedenken hinsichtlich seiner Betreuungseignung gebe.


4 Kommentare:

  1. Anonym18:02

    ich finde man sollte die Situation "Pflegekind" abschaffen,

    -weil es für viele Pflegekinder eine zu grosse seelische Belastung ist....,
    -weil es nix halbes und nix ganzes ist, genauso wie 1 Euro Jobs oder
    Leiharbeit....,
    -weil es nicht mehr zeitgemäss ist....,
    -weil der kinderklau gestoppt werden muss...,
    -weil KINDERHANDEL (36300 Inobhutnahmen im Jahr 2010) in der Bundesrepublik Deutschland nach §236 StGB
    verboten ist!!....,
    -weil Rückführungen oft gar nicht stattfinden.....,
    -weil Kinder zu VOLLWAISEN gemacht werden!!!...,
    -weil Pflegekinder um ihre Identität betrogen werden!!...,
    -weil Traumatas oft mit dem Begriff SENSIBEL bagatellisiert werden....,
    -weil Pflegeeltern auch nicht immer nur "lieb und nett" sind....,
    -weil ein Kind keine Ware ist, die man hin und her schieben kann....,
    -weil schlechte Eltern hart bestraft werden müssen!!.....,
    -weil man den Eltern helfen muss,statt Kinder zu entziehen....,
    -weil „Pflegeeltern“, wie Sie sie nennen, professionelle Dienstleister sind, und eben keine Eltern. Sie bieten gegen Bezahlung Kindern, die nicht zur Adoption freigegeben wurden, ein familiäres Lebensumfeld.
    -weil keiner mit Kindern Geld verdienen darf....,
    -weil alleine schon der Begriff "Pflegekind" ein Unwort ist....,
    -weil ein Kind erzogen und nicht "gepflegt" werden muss....,
    -weil schon zuviele Pflegekinder gestorben sind...,
    -weil Adoption vernünftiger ist....,
    -weil die Fehler immer beim Pflegekind gesucht werden ,und nicht bei den Pflegeeltern....,
    -weil Pflegekinder oft ein LEBEN lang traumatisert sind !!!....,
    -weil Pflegekinder entwurzelt, entfremdet werden, und im erwachsenenalter labil ,ambivalent, beziehungsunfähig sind....,
    -weil sich das Pflegekind immer an die Pflegefamilie anpassen muss.....,
    -weil ein Pflegekind IMMER der FREMDE ist....,
    -weil Pflegeeltern oft Drogen nehmen und lügen....,
    -weil Pflegekinder KEINE Erbanschprüche haben....,
    -weil Pflegekinder weniger Rechte haben....,
    -weil Pflegekinder keinen Führerschein und ein Auto von den Pflegeeltern zum 18ten Geburtstag bekommen, wie leibliche kinder,sondern"entsorgt" werden,indem man sich einfach nicht mehr um sie kümmert,mit dem Argument :du bist doch jetzt erwachsen,bezahle deine Bedürfnisse selbst!!!....,
    -weil Kinder kein "Forschungsprojekt" sein dürfen ,wie z.B. bei der Universität in SIEGEN ,
    die da mit Pflegekindern spricht....,
    -weil ich es für unmenschlich,barbarisch und PERVERS halte....,
    -weil die Würde des Menschen unantastbar ist....,
    -weil ICH selbst ein Pflegekind gewesen bin....,

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  2. Anonym05:56

    was steht denn da für schwachsinn? ich bin selbst pflegemutter eines wunderbaren zweijährigen kindes, dass, wenn es bei seiner leiblichen familie geblieben wäre, höchstwahrscheinlich nicht mehr leben würde. ich liebe die kleine wie mein eigenes kind und würde es sofort adoptieren, würde die leibliche familie, die das kind "entsorgt" hat, es freigeben. ich fühle mich als mutter, weil ich auch eine bin und unser pflegekind ist keine fremde, sondern unser mittelpunkt in der familie, so wie jedes kind den mittelpunkt einer familie darstellen sollte.
    übrigens habe ich auch meinem leiblichen sohn zum 18,.geburtstag kein auto geschenkt, sondern "nur" den führerschein. und den wird unser pflegekind auch bekommen, weil wir unsere kinder gleich behandeln und auch gleich lieb haben.

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  3. Anonym16:42

    Traurig... wenn man eine solche Einstellung zum Thema "Pflegekind" bzw. "Pflegefamilie" hat. Ich bin ebenfalls Pflegemutter und bei uns stehen unsere beiden Pflegekinder ebenfalls im Mittelpunkt der Familie. Wir pflegen einen guten Kontakt zu den leiblichen Familien der Beiden und können verstehen, dass diese ihre Kinder nicht selbst aufziehen können. Es sind liebevolle Eltern und Großeltern und wir versuchen gemeinsam für die Kinder da zu sein. Nicht alle Pflegeverhältnisse sind schlecht...

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  4. Wenn ich das oben lese kann ich nur den Kopf schütteln

    Ich bin auch Pflegemutter und Oma

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