Die
türkische Regierung ist sich mittlerweile über die Problematik der
Inobhutnahme von türkischen Kindern und Jugendlichen durch deutsche
Jugendämter bewusst. Bekir Bozdağ spricht von Assimilierung und
Missionierung zu Christen, Verbände von einer Industrie
Der Fall einer Mutter beschäftigte lange Zeit die türkischsprachigen Medien
in Deutschland. Inzwischen gehen türkische Elternvereine und Verbände
über, die türkische Regierung auf den Plan zu rufen und die wittert
darin eine Assimilierung von Kindern und Jugendlichen mit türkischen
Migrationshintergrund. Der Vorwurf klingt erst einmal absurd, die
Geschichten um betroffene türkische Eltern sind aber inzwischen Alltag.
Man schätzt, das 23 Prozent der im Jahre 2012 von Jugendämtern in Obhut
genommenen Kindern und Jugendlichen türkischen Ursprungs sind, Tendenz
steigend.
Bekir Bozdağ: "Assimillation und Missionierung"
Der stellvertretende Ministerpräsident Bekir Bozdağ erklärte Mitte
Mai, es befänden sich etwa 4.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland
unter der Obhut von Pflegefamilien, karitativen Einrichtungen oder
Kirchen. Bekir Bozdağ bezeichnete die Zahlen als alarmierend und die
Erfahrungen der türkischen Eltern als ein einziges Drama. Gleichzeitig
erhob er schwere Vorwürfe gegen die Jugendämter und sprach von einer
gesteuerten Assimilierung.
Psychologin Carola Storm-Knirsch: "Wir nennen es Industrie"
Betroffene deutsche Eltern sowie Türkische Elternverbände
bezeichnen die Arbeit der Jugendämter unverhohlen als eine Industrie. Um
lebensfähig zu bleiben und die ihnen vom Haushalt zugesprochenen
finanziellen Mitteln auch im nächsten Jahr zu erhalten, hätten diese
regelrecht eine Industrie aufgebaut und müssten es am Leben erhalten, in
dem sie das "Pensum" erfüllen. Daran verdienen nicht nur Einrichtungen,
sondern Pflegeeltern oder freie Jugendamtsmitarbeiter. Allein in den
letzten fünf Jahren ist die Inobhutnahme von Kindern um 36 Prozent
gestiegen und die Kosten für ein einziges Kind, das in Obhut genommen
wurde, kann bis zu 7.000,- im Monat betragen. Längst fordern Betroffene
und Verbände eine Neuregulierung der Jugendamtsarbeit, um die
menschenünwürdigen "Kindesentführungen" durch Ämter einzuschränken.
Ursula von der Leyen: "Solche Entscheidungen sind für die Jugendämter immer eine Gratwanderung"
Obwohl die ehemalige Bundesfamilienministerin von der Leyen bereits
2009 harte Kritik an der Praxis der Jugendämter übte, hat sich seitdem
nichts verändert. Zwar sei die Inobhutnahme eine kurzfristige Massnahme
der Jugendämter zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die daheim akut
gefährdet seien, aber die Praxis zeige auch, dass es viele Fälle gebe,
die jahrelang andauern würden.
Mangelnde Empathie und schon ist das Kind weg
Für die Inobhutnahme reicht allein schon eine mangelnde Empathie,
die ein vom Jugendamt bestellter Mitarbeiter an der Mutter oder dem
Vater diagnostiziert und schon wird das Kind ohne Ankündigung und
Möglichkeit des Abschieds aus dem Familienkreis entrissen. So ereignete
sich das jedenfalls bei Sevgül Erdal, der damals alleinerziehenden
Mutter von Zwillingen. Da es in der Schule zunehmend Probleme gab; die
Mutter bezeichnete es als Diskriminierung der Kinder durch die
Lehrkräfte, holte sie sich Hilfe vom Jugendamt. Eine folgenschwere
Entscheidung, mit der sie seit zwei Jahr nicht zurecht kommt. Erst hatte
man einen Mitarbeiter des Jugendamtes in der Wohnung, der die Kinder
gleich zu einer Therapie schickte, danach kam die Polizei, die aufgrund
eines Gerichtsbeschluss die Kinder mitnahm.
Seit 2 Jahren kann sie die Zwillinge nicht sehen
Heute, nach 2 Jahren, ist die Mutter verzweifelter denn je, denn
eines der Zwillinge will nicht bei der Pflegefamilie bleiben und
unbedingt zurück, während das andere Kind bereits zum dritten male aus
einer anderen Pflegefamilie ausgebrochen und seitdem verschwunden ist.
Allein schon das Auseinanderreißen der Zwillinge an sich, stellt die
Mutter auf eine große Probe, um nicht vollendst die Fassung zu
verlieren. Die Prozedur zur Inobhutnahme durch Jugendämter sei schlicht
und einfach nur noch als Automatismus zu bezeichnen, verurteilt dabei
eine türkische Familie, die seit mehreren Jahren keinen Kontakt zu dem
eigenen Kind hat. Alle bisherigen Bemühungen, das Kind per
Gerichtsurteil zurück zu bekommen scheiterten demnach und das ist
bisweilen nicht der einzige Fall, der Fragen aufwirft.
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