Weil sie ihre Kinder im Scheidungskrieg jeweils für ihre Sache instrumentalisierten, hat ein Lausanner Gericht nun die Eltern bestraft. Ein Novum in der Schweiz.
Hilfsangebote für zerstrittene Eltern sind beschränkt
In der Schweiz ist dies ein Präzedenzfall. Die Genfer Anwältin und Autorin des Buches «Im Namen des Kindes» (Originaltitel: «Au nom de l'enfant») begrüsst das Urteil: «Endlich erkennt ein Gericht das Leiden der Scheidungskinder. Es gibt so viele Scheidungsfälle, in denen ein Elternteil versucht, die Kinder gegen den Partner auszuspielen. Meist wird das Leiden der Kinder dabei unter den Teppich gekehrt. Wenn Eltern ihre Kinder in Auseinandersetzungen miteinbeziehen, ist es gerecht und notwendig, dass ihnen die Justiz zu verstehen gibt, dass sie kein Recht haben, dies zu tun.»
Das besagte Waadtländer Paar befand sich lange in einer schwierigen Situation und suchte Hilfe, wie der Anwalt der Mutter, Matthieu Genillod, erklärt: «Sie nahmen das Leiden ihrer Töchter ernst, haben sich an den Jugendschutz und Kinderpsychiater gewandt und mittels Mediation und Therapien nach Lösungen gesucht. Sie haben alles versucht, fanden sich aber mit Spezialisten wieder, die unfähig waren, ihnen zu helfen.» Für die Anwältin Anne Reiser ist dies keinesfalls überraschend: «Unsere Gesellschaft ist so organisiert, dass die Eltern die Schuld tragen. Es gibt keine Struktur, die ihnen im Notfall dabei hilft, Trennungskrisen zu überwinden. Auch gibt es keine rechtliche Lösung, die Kinder aus den Konflikten heraushält, die bei einer Trennung automatisch entstehen.»
Scheidungskinder leiden lange unter der Trennung ihrer Eltern
Während der Scheidung entstandene Konflikte können zur sogenannten Eltern-Kind-Entfremdung führen, zu einer psychischen Störung, bei der das Kind vom einem Elternteil dazu gebracht wird, das andere Elternteil abzulehnen: «Das Kind wird als Waffe gegen den Ex-Partner eingesetzt», erklärt Kinderpsychiater Nahum Frenck. «In solchen Fällen kommt es automatisch zu psychischer Misshandlung, die Kinder stehen vor einem Loyalitätskonflikt und fühlen sich nirgends wohl, weder beim Vater noch bei der Mutter. Sie verlieren das Vertrauen in die Erwachsenen.» Diese Einschätzung teilt auch Anne Reiser: «Oft ist es ein Elternteil, der mehr unter der Situation zu leiden scheint. Das Kind wendet sich oft automatisch der leidenden Person zu – so beginnt die Eltern-Kind-Entfremdung.»
Obwohl sich Kinder laut Psychiater Nahum Frenck von der Scheidung ihrer Eltern «erholen können», wirken sich solche Konflikte oft nachhaltig aus: Studien aus den USA zeigen, dass Kinder, die solchen psychischen Misshandlungen ausgesetzt waren, öfter soziale Phobien oder Suchtverhalten entwickeln und stärker suizidgefährdet sind. Ganz abgesehen vom Leidensdruck der Eltern, die sich wegen hartnäckiger Scheidungskriege oft selbst in einer verzweifelten Lage wiederfinden.
(Übersetzung und Bearbeitung: cor) (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
(Erstellt: 21.03.2013, 12:19 Uhr)
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