13.08.12

Das große Schweigen In der ARD-Dokumentation "Kinder des Lebensborn" berichten Frauen und Männer über ihre Erinnerungen

Sa, 11. August 2012
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.
von: Monika Herrmann-Schiel (KNA)
  1. Geschichte im Ersten: Wir Kinder im Lebensborn". Foto: WDR/mauritius images


Quelle des Lebens – "Lebensborn" nannte Heinrich Himmler die Institution, mit der der SS-Führer "wertvollen arischen" Nachwuchs fördern wollte. Der eigentlich positive Begriff steht bis heute für die menschenverachtende Rassezuchtpolitik der Nationalsozialisten. Etwa 20 000 Kinder wurden in den "Lebensborn"-Heimen geboren, um die sich mannigfaltige Gerüchte rankten. Viele Kinder, die man hier betreute, waren von ihren Müttern getrennt worden. Ihre Väter kannten sie nicht.

Zwei Frauen und ein Mann, die im "Lebensborn" geboren wurden, berichten in "Geschichte im Ersten: Kinder des Lebensborn" von ihren Erinnerungen und darüber, was diese Herkunft für ihr Leben bedeutet. Der von Bruno Schneider und Rainer Brumme gedrehte Film wird kommenden Montag in der ARD ausgestrahlt.


Im Dezember 1935 rief Himmler in Berlin den Verein "Lebensborn" ins Leben, dessen erstes Heim im Sommer 1936 in Steinhöring bei München eröffnet wurde. Acht weitere in Deutschland und zwölf im besetzten Ausland folgten. Schwangere Frauen, die nachweisen konnten, dass sie selbst und der Vater ihrer ungeborenen Kinder arisch im Sinne der nationalsozialistischen Rassegesetze waren, konnten hier anonym entbinden. Die Kinder wurden versorgt und meist zur Adoption oder in Pflegefamilien vermittelt. Fast die Hälfte der Kinder war unehelich. Bis heute belastet diese Herkunft, die ihnen zunächst verschwiegen wurde, die Kinder von damals.

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Für Heilwig Wegers Mutter war die Entbindung im "Lebensborn" eine große Hilfe. Für das Kind aber erwuchs aus den Umständen seiner Geburt eine riesig große Bürde. Heilwig blieb zwar im Kinderheim, aber die Mutter kümmerte sich liebevoll und besuchte sie. Dadurch lernte sie schließlich Himmlers Mitarbeiter Oswald Pohl kennen, der verantwortlich war für die wirtschaftliche Organisation der Konzentrationslager. Nach der Heirat adoptierte Pohl Heilwig. Das Mädchen liebte Pohl, den es für den eigenen Vater hielt und besuchte den in den Nürnberger Prozessen zum Tode Verurteilten im Gefängnis. Wer ihr wirklicher Vater war, erfuhr Heilwig erst, als sie schon erwachsen war.

Auch Helga Kahraus Mutter hüllte sich in Schweigen. Helga wuchs bis zum Kriegsende bei einem am Holocaust beteiligten Nazifunktionär auf. Von ihrer Mutter erfuhr sie nur, dass ihr Vater Soldat gewesen sei. Erst als sie in den 1970er-Jahren eine TV-Dokumentation über den "Lebensborn" sah, kam sie auf die Spur. Auch Michael Sturm erlebte das große Schweigen. Selbst als er als Jugendlicher Briefe eines Mannes an seine Mutter fand, verweigerte man ihm die wahrhaftige Auskunft. Erst vor wenigen Jahren konnte er aufdecken, dass der Verfasser der Briefe sein Vater gewesen ist.


Bruno Schneider und Rainer Brumme erzählen in ihrem Film drei beispielhafte Geschichten. Die Geburt im "Lebensborn" hat bei allen Dreien tiefe Spuren hinterlassen. Sie habe das Gefühl, "irgendwie Schuld zu haben an irgendwelchen Dingen, an denen ich im Grunde nicht Schuld habe", sagt Heilwig Weger. Mit großer Ehrlichkeit erklärt Helga Kahrau, wenn sie heute SS-Uniformen und die Hakenkreuzfahne sehe, dann habe sie "immer noch ein positives Gefühl". Das seien ja die ersten Kindheitserinnerungen. "Und dann erst setzt der Verstand ein."

– ARD, Montag, 23.30 Uhr: "Geschichte im Ersten: Kinder des Lebensborn"

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