Nidderau Nur noch Tränen und ein Foto
Von Jochen Dietz
Jessica und Sascha Krohe aus Ostheim
wissen immer noch nicht, wohin das Jugendamt ihre drei Monate alte
Tochter Leonie verbracht hat, nachdem es sie dem Ehepaar am 21. Januar
mit Polizeibegleitung weggenommen hatte. Begründung: Akute Gefährdung
des Kindeswohls.
Die Eltern sind verzweifelt. „Es
gibt doch ganz andere, neue Lebensumstände. Wir sind weder alkohol-,
noch drogenabhängig“, versichert der 37 Jahre alte Vater, Kfz-Meister
und Rettungsassistent. Er kämpft mit den Tränen, Leonie ist sein erstes
Kind.
Das Amt berufe sich auf Probleme, die
Jessica Krohe vor Jahren mit ihrem damaligen, drogenabhängigen und
gewalttätigen Lebensgefährten und Vater ihrer älteren, heute
fünfjährigen Tochter hatte. Schon dieses Kind war ihr damals, wie sie
meint, unrechtmäßig entzogen worden. Es lebe bei einer Pflegemutter in
Birstein. Dort vermuten die beiden nun auch die kleine Leonie. „Das Amt
beruft sich immer nur stur auf diesen alten Fall“, berichtet der Vater
verzweifelt.
Für völlig absurd und „übergriffig“
hält auch der evangelische, Ostheimer Pfarrer Lukas Ohly das Vorgehen
des Jugendamts. Er hatte sich dem Amt gegenüber als Vermittler
angeboten, um alle an einen Tisch zu bekommen. Doch bislang habe es
keinerlei Reaktion darauf gegeben. Er habe kein Verständnis für ein
derart auf Eskalation ausgerichtetes Vorgehen.
„Das
Jugendhilfegesetz ist doch vom Geist getragen, dass Familie und Staat
als Partner für das gemeinsame Ziel des Kindeswohls im familiennahen
Kontext wirken. Hierzu hat das Jugendamt die Verpflichtung zur
Aufklärung und zur Beratung, etwa zur möglichen Familienhilfe.“ Während
im Strafrecht eine Unschuldsvermutung bestehe, sei in diesem Fall ein
Verdacht ausreichend, um ein Kind seinen Eltern wegzunehmen.
„Wir
brauchen eine öffentliche Diskussion nicht nur darüber, wie Jugendämter
effektiver das Kindeswohl schützen, sondern auch darüber, wie Familien
vor dem umgekehrten Reflex eines übergriffigen Aktionismus geschützt
werden“, sagt Ohly. Auch eine von ihm vorgeschlagene erfahrene
Familienhelferin sei von Amtswegen ignoriert worden. Begründung hier:
Sie arbeite für keinen Träger.
Fall soll erneut geprüft werden
Sozialdezernent
und Kreisbeigeordnete Matthias Zach (Grüne): „Wir können dazu wegen des
Datenschutzes keine Stellung nehmen. Eine Inobhutnahme wird sofort
nachdem sie erfolgt ist, gerichtlich bewertet.“ Widerspreche das
Familiengericht der Entscheidung des Jugendamts, komme das Kind zurück
in die Familie. Ansonsten bleibe es vorerst bei Pflegeeltern, so Zach.
Das
Gericht habe aber in diesem Fall das Jugendamt bestätigt, wogegen die
Krohes Widerspruch eingelegt hätten. Daher werde der Fall erneut geprüft
und richterlich entschieden. Das hätte schon vergangene Woche passieren
sollen, doch der Termin sei geplatzt – das Jugendamt war erschienen,
die Vertreter der Familie aber nicht.
Dem
widerspricht Krohe-Anwältin Marion Schöfer: „Die beiden sind aufgrund
ihrer psychischen Situation nicht verhandlungsfähig“. Der Termin sei
zunächst vom Gericht verschoben worden, dann doch nicht. Mit dem
Ergebnis, dass er auch für sie als Rechtsbeistand des Ehepaars Krohe
geplatzt war. Sie spricht von einem „Missverständnis“ zwischen ihr und
dem Gericht.
Schöfer bereite nun einen Eilantrag
ans Familiengericht auf Herausgabe des Kindes sowie an das
Bundesverfassungsgericht wegen „komplett rechtswidriger Inobhutnahme
eines Kindes“ vor, erklärte sie gestern gegenüber der Frankfurter
Rundschau.
Sie verfüge zudem Erklärungen beider
Großeltern des Kindes, der betreuenden Hebamme sowie des Kinderarztes,
dass es der kleinen Leonie bei ihren Eltern gut gegangen sei. Doch von
ihr bleiben Jessica und Sascha Krohe derzeit nur ein Foto und Hoffnung.
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