27.02.15

Jugendamt - Acht Gladbecker Kinder werden in der Fremde betreut - "Mit Kindern Kasse machen" Das große Geschäft mit der Not von Kindern

25.02.2015 | 19:24 Uhr
Acht Gladbecker Kinder werden in der Fremde betreut
Eine komplett neue Kultur, wie sie beispielsweise ein rumänisches Dorf bietet, soll den Kindern helfen, sich im Leben zurecht zu finden.Foto: Kai Kitschenberg
 
Gladbeck.  Ungewöhnliche Hilfe zur Erziehung, wenn nichts anderes mehr hilft. Das Leben in Rumänien, Polen oder Russland als letzte Chance für die Kinder.
Acht Gladbecker Kinder, die vom Jugendamt betreut werden, leben aktuell in Rumänien, Polen oder Russland. Sie wohnen bei Familien in ländlichen Regionen, auf jeden Fall immer fernab von großen Städten und so weit weg wie möglich vom gewohnten Umfeld. Unter den rund 900 Gladbecker Fällen von „Hilfen zur Erziehung“ - ambulante bis stationäre Maßnahmen - zählen die „Auslandsfälle“ wohl zu den ungewöhnlichsten.
 
Und auch die Kinder, die in der Ferne leben müssen, zählen zu den besonderen Fällen. Sie wurden oft früh vom Jugendamt aus ihren Familien heraus geholt, weil sie dort Misshandlung, Gewalt, Ablehnung und Verwahrlosung erfahren haben und dann selbst aus dem Lot geraten sind. Bei ihnen haben die üblichen pädagogischen Mittel, von der Unterbringung in einer Pflegefamilie bis zum Heimaufenthalt, versagt.
Warum so weit weg? „Wir setzen die Kinder zurück auf Anfang“, umschreibt Hartmut Bogdan, Abteilungsleiter im Jugendamt für alle Hilfen zur Erziehung, den pädagogischen Ansatz. Zurück auf Anfang heißt: Die Kinder kommen in eine völlig andere Kultur, die nichts mit der zu tun hat, die sie kennen und zu der sie keinen Kontakt haben sollen. Zwölfjährige, die sich hier ins Koma saufen, als 13-Jährige Drogen nehmen oder sich als 14-Jährige prostituieren und aus jeder Heimunterbringung ausbüchsen, sollen das Leben neu erlernen.

13,5 Mio Euro insgesamt
 
Hilfen zur Erziehung zählen zu den Pflichtaufgaben der Stadt, deren Kostenentwicklung kaum zu beeinflussen ist. Wenn Kinder Hilfe brauchen, muss sie geleistet werden. 13,5 Mio Euro betrug der Etatposten 2014.
Eine Möglichkeit, Spezialunterbringungen vorzubeugen, sind präventive Hilfen für Familien. „Je früher, desto besser“, sagt Hartmut Bogdan, denn die Folgekosten seien meist teurer.
Das funktioniere in weit entfernten Ländern besser als im näheren europäischen Ausland. Archaische Strukturen, etwa auf dem Land in Rumänien, sind eben komplett anders. Bogdan: „Der Jugendliche muss sich einfügen, eine neue soziale Rolle finden und lernen, Menschen zu vertrauen.“ Wer solche Probleme meistern muss, bei dem spielt Schule eher eine Nebenrolle. Sie findet im Fernunterricht statt.


Zusammenarbeit mit Jugendhilfe-Träger

Wie andere Städte arbeitet auch Gladbeck bei den Auslandsfällen mit einem Jugendhilfeträger zusammen. Der sucht je nach Profil des Kindes die Orte und Familien aus, das Jugendamt selbst bleibt aber nah dran an seinen Schützlingen. Es gibt regelmäßige Berichte, zweimal im Jahr fahren die betreuenden Mitarbeiter zu den Kindern und überprüfen die Entwicklung.
Jugendhilfe im Ausland - ein Luxus? Wohl kaum, denn teurer als eine Heimunterbringung ist das nicht. 101 Gladbecker Kinder leben zurzeit im Heim. Das kostet pro Kind 140 Euro bis, im Extremfall bei schwer traumatisierten Kindern, 300 Euro am Tag. Der Preis für einen Auslandsaufenthalt liegt bei 130 bis 180 Euro täglich.
Aber eine Erfolgsgarantie bieten auch die besonderen Maßnahmen nicht. „Manche scheitern“, sagt Bogdan. Wenn es klappt, kommen die Jugendlichen nach einigen Jahren zurück – und werden weiter betreut. So lange, bis sie ein selbstständiges Leben führen können.
Maria Lüning






"Mit Kindern Kasse machen"  
 - Das große Geschäft mit der Not von Kindern

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen