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Toter Junge aus Lenzkirch
Welche Verantwortung hat das Jugendamt?
Nach dem Prügeltod
eines Dreijährigen im Schwarzwald herrscht Entsetzen bei den
Verantwortlichen. Das Regierungspräsidium prüft nun, ob das Jugendamt
den Schutzauftrag für den Jungen erfüllt hat.
02:25 min | 21.1. | 19.30 Uhr
| Landesschau aktuell Baden-Württemberg
| SWR Fernsehen in Baden-Württemberg
Dabei geht es um die Frage, warum das
Jugendamt den Dreijährigen trotz einer Warnung der Uniklinik Freiburg
wieder in die Obhut seines mutmaßlich gewalttätigen Stiefvaters gegeben
hatte. Der zuständige Referatsleiter Oliver Morlock erklärte am
Donnerstag im Gespräch mit dem SWR, dass das Regierungspräsidium
Freiburg als Aufsichtsbehörde untersuche, ob die Behörde rechtmäßig
vorgegangen sei.
Auch die
Staatsanwaltschaft Freiburg untersucht, ob der Tod des Jungen durch die
Behörden hätte verhindert werden können. Allerdings gebe es bislang
keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behörden gegen Strafrecht verstoßen
haben, teilte ein Sprecher mit.
Der
Junge sei 2013 und 2014 in der Uniklinik Freiburg in Behandlung
gewesen, teilte diese am Mittwoch mit. Dabei sei eindeutig festgestellt
worden, dass er schwer körperlich misshandelt worden war. Darüber sei
das Jugendamt informiert worden. Die Uniklinik habe im August 2014 die
Behörden dringend davor gewarnt, das Kind zurück in die Familie zu
geben, sagte eine Sprecherin der Klinik. Dieser Rat sei nicht befolgt
worden.
"Wir sind zutiefst
erschüttert und sprachlos", sagte der Ärztliche Leiter des
Kinderschutzzentrums, Karsten Häffner. Er hatte den Jungen bei seinen
beiden Klinikaufenthalten behandelt. Das Kind selbst habe sich ihm
gegenüber nicht zu möglichen Misshandlungen geäußert: "Bei einem zwei-
bis dreijährigen Kind ist nicht allzu viel verbale Kommunikation zu
erwarten", so der Arzt. Dennoch seien die Hinweise eindeutig gewesen.
Klinik erstattete Strafanzeige
So
eindeutig, dass die Klinik eigenen Angaben zufolge Strafanzeige
erstattete - was nur sehr selten geschehe. Die Ermittlungen gegen den
Lebensgefährten der Mutter wurden allerdings aus Mangel an Beweisen im
Oktober 2014 eingestellt. Der dreijährige Junge starb am vergangenen
Freitag, nachdem er offenbar von diesem verprügelt worden war.
Warum
der Junge trotz Warnungen gestorben ist, sei nun eine Frage, die das
Jugendamt beantworten müsse, sagte die Ärztliche Direktorin der Kinder-
und Jugendmedizin, Ute Spiekerkötter. Mit der Weitergabe des Patienten
an den Jugendschutz endet den Angaben zufolge der Zuständigkeitsbereich
der Klinik. "Deshalb ist jetzt die Aufgabe zu recherchieren: Wie
arbeiten wir zusammen, damit für uns eindeutige Fälle nicht so enden?
Irgendwas muss schiefgelaufen sein, an irgendeiner Stelle, sonst wäre
der Junge nicht verstorben."
Zwei Tage vorher begann die Familientherapie
Die
Behörden weisen jeden Vorwurf zurück. Es sei immer eine
Abwägung: "Braucht das Kind jetzt Schutz oder die Familie Unterstützung,
um den Erziehungsauftrag durchzuführen", sagte die Sozialdezernentin
des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald, Eva-Maria Münzer, am Mittwoch. Die
Tat sei nicht abzusehen gewesen, die Eltern hätten kooperiert. Es habe
"noch nie einen solchen Fall" gegeben, so Münzer - und das bei mehr als
200 Kindeswohlgefährdungen pro Jahr.
Münzer
zufolge hatte das Jugendamt zeitweise eine Kontaktsperre zwischen dem
Mann und der Familie verhängt. Auch habe es eine regelmäßige ärztliche
Kontrolle des Jungen, eine Betreuung der Familie sowie eine
Familientherapie angeordnet. Diese begann zwei Tage vor dem tödlichen
Zwischenfall.
Rückendeckung bekam das Jugendamt von der Landrätin des Kreises, Dorothea Störr-Ritter (CDU). Im SWR sagte sie,
die Mitarbeiter der Behörde hätten gewissenhaft entschieden. Dennoch
wolle sie die Abläufe noch einmal unter die Lupe nehmen, um ähnliche
Tragödien in Zukunft zu verhindern. Allerdings seien dabei auch
rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten.
Mann wollte Tat wohl vertuschen
Der 32-jährige Lebensgefährte der Mutter
hatte das leblose Kind am Freitag in Titisee-Neustadt zu einem Arzt
gebracht und berichtet, es sei eine Treppe hinuntergefallen.
Wiederbelebungsversuche halfen nichts mehr. Nach weiteren Ermittlungen
der Polizei kamen Zweifel an der Darstellung auf. Sie geht davon aus,
dass der 32-Jährige den Jungen am Freitag geschlagen und so getötet hat.
Auch die Obduktion bestätigte,
dass der Dreijährige nicht an den Folgen eines Treppensturzes starb. Der
Mann sitzt in Untersuchungshaft und hat inzwischen ein Teilgeständnis
abgelegt. Nach Angaben des Staatsanwaltes hat er die jüngsten Schläge
zugegeben, beharrt aber auf der Version des tödlichen Treppensturzes.
Stand: 22.01.2015, 14.06 Uhr
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