Jugendamt Endlich wieder vereint
Von Hanning Voigts
Eine glückliche Familie – jetzt sogar mit einer kleinen Wohnung. Foto: Alex Kraus
Ein Bad, ein Zimmer, eine winzige
Küche. Man kann nicht gerade behaupten, dass die Wohnung viel Platz
böte. Doch für Liana und Marius* ist das Mini-Appartement im Frankfurter
Süden ein Geschenk des Himmels. „Uns geht es gut“, sagt Liana, während
sie dem kleinen Felix auf ihrem Schoß das Fläschchen gibt. „Es ist ein
gutes Gefühl, nicht mehr auf der Straße zu sein“, ergänzt Marius, der
mit der 9-jährigen Gabriela auf der Matratze sitzt, die vorerst als Bett
dient. Aber das Wichtigste ist, da sind Marius und Liana sich einig,
dass ihre beiden Kinder bei ihnen sind. Denn ohne die Wohnung wären sie
wohl noch immer in der Obhut des Jugendamts.
Die
Geschichte von Liana und Marius ist eine Geschichte von enttäuschten
Hoffnungen, von Angst und Armut. Vor allem ist es aber auch eine
Geschichte über die Folgen und Grenzen deutschen Behördenhandelns – und
darüber, dass nicht alles gut wird, wenn alle Gesetze und Vorschriften
eingehalten werden.
Vor vier Monaten, so erzählen
es Liana und Marius, sind sie aus Rumänien nach Frankfurt gekommen. Sie
haben im Fernsehen von der EU-Freizügigkeit für Arbeitnehmer gehört, die
seit Januar auch für Bulgaren und Rumänen gilt. Kurz zuvor hat Marius
seinen Job in einer Aluminiumfabrik verloren – und zugleich die Wohnung,
die der Arbeitgeber ihnen stellte. Eine neue Arbeit zu finden sei in
Rumänien unmöglich, sagt Marius, gerade wenn man wie er und Liana zur
Minderheit der Roma gehöre. „Wir haben gedacht, dass es in Deutschland
Arbeit gibt und eine Zukunft für unsere Kinder“, sagt er. „Was hätten
wir sonst tun sollen?“
Doch in Frankfurt ergeht es
den beiden kaum besser als anderen Rumänen, die ohne Plan und mit
naiven Vorstellungen ins reiche Deutschland kommen. Einen Monat leben
sie auf der Straße, schlafen auf Parkbänken – mit Gabriela und dem
kleinen Felix. Dann haben sie Glück: Eine Frau, die aus Serbien stammt
und Rumänisch spricht, bietet ihnen eine Gartenlaube zum Schlafen an.
Als Gegenleistung soll Marius ihr im Garten helfen. Die Hütte sei sauber
gewesen, sagt Marius. Besser als nichts.
"Akute Kindeswohlgefährdung?"
Doch
eines Tages Ende Februar stehen unerwartet Polizisten in der
Gartenlaube. „Sie haben die Hütte fotografiert“, erzählt Marius. „Nach
ein paar Tagen kam das Jugendamt.“ Für die Mitarbeiter des Amtes ist der
Fall eindeutig: Die Kinder können nicht in einer Hütte ohne Strom und
Wasser bleiben, obwohl sie ansonsten gut versorgt sind. Es drohe akute
Kindeswohlgefährdung. Sie nehmen Gabriela und Felix mit und bringen sie
in einem Heim unter.
Für Liana und Marius bricht
eine Welt zusammen. „Es war grausam für mich“, sagt Liana. „Ich habe nur
noch geheult.“ Marius sagt, er habe gar nicht verstanden, warum
fehlender Strom dazu führen könne, dass einem jemand die Kinder
wegnimmt. „Wir hatten Angst, dass wir sie nie wiederbekommen“, sagt er.
Auch für Gabriela ist schwer zu begreifen, warum ihre Eltern sie
plötzlich nur noch besuchen dürfen. „Es war schlecht ohne Mama und
Papa“, sagt das Mädchen.
Dann haben Liana und
Marius wieder Glück. Ein Bekannter schickt sie zum Förderverein Roma, wo
sie auf Gabi Hanka treffen. Die Sozialarbeiterin setzt alle Hebel in
Bewegung und organisiert über private Spender das kleine Appartement,
Möbel, Geld für Nahrungsmittel. Kurze Zeit später erklärt das Jugendamt,
die Kinder könnten zurück zu ihren Eltern. Es sei „alles Notwendige
da“, wie Fachbereichsleiterin Inge Büttner sagt. Sie sei froh, dass die
Lage sich geklärt habe.
Gabi Hanka ist immer noch
verärgert über die Inobhutnahme durch das Jugendamt. „Das Leid der
Familie wurde nicht verkleinert, sondern vergrößert“, sagt sie. „Für die
Kinder ist die Trennung von den Eltern eine traumatische Erfahrung.“
Dass die Familie wieder vereint sei, liege nur an der Solidarität
privater Helfer. „Eigentlich ist das Aufgabe des Sozialamtes“, findet
Hanka. Die zuständigen Behörden würden ihr wohl widersprechen: Solange
nicht geklärt ist, ob Marius und Liana Ansprüche auf Sozialleistungen
haben, kann der Familie nur schwer mit Steuermitteln geholfen werden.
Kindeswohlgefährdung steht eben auf einem ganz anderen Behördenblatt.
Liana
und Marius blicken jetzt in die Zukunft. Gabriela soll bald zur Schule
gehen, Marius hat einen Aushilfsjob als Hausmeister gefunden und sucht
weiter nach einer festen Stelle. Bis dahin will Gabi Hanka die
Aufstockung seines Lohns auf Hartz-IV-Niveau beantragen. Zurück nach
Rumänien will die Familie nicht. Sie wollen sich integrieren, Deutsch
lernen, sagen Liana und Marius. Sie lächeln. So ganz haben sie ihre
Hoffnung auf Deutschland noch nicht aufgegeben.
*alle Namen geändert
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