Sind Fehler passiert? Warum hatte das Jugendamt die Kinder nicht früher
aus der Familie genommen? Der Unterausschuss des Kreistages legte heute
einen 20-seitigen Bericht zum Bad Segeberger Kellerkind-Skandal vor.
Wolfgang Schnabel (FDP) spricht von professionellem Versagen der
Behörden.
28.02.2013 19:55 Uhr
Der Bad Segeberger Fall hat bundesweit für Aufsehen gesorgt.
Ein Unterausschuss des Kreistages beschäftigte sich mit dem Fall ausführlich. Im 20-seitigen Abschlussbericht, der heute Abend vorgetragen wurde, gab es so etwas wie einen Freispruch „zweiter Klasse“ für die Behörden.
Das Fazit: „Obwohl keiner der Fallbeteiligten irrtümlich oder zuwiderhandelnd gegen das fachliche Gebotene verstoßen hat, sind wir darin gescheitert, die Familien wirksam zu erreichen und die Kinder umfassend zu schützen.“ Festgestellt wurden „systembedingte Fehler“. Während der Bericht sich meist in diplomatischen Floskeln erschöpft und „Bausteine für ein optimiertes Jugendamt“ vorstellt, gab es Klartext von den Abgeordneten.
Jürgen Kaldewey (Grüne) spricht von einem „Teilversagen“ der Behörden. Man dürfe so etwas nicht in die Hände von Diakonie und profitorientierten Trägern legen. Das koste den Kreis „jeden Monat eine Million Euro“, die an diese Firmen gingen. Auch Henning Wulf (CDU), Vorsitzender des Hauptausschusses, stellte im LN-Gespräch „eklatante Schwächen im System“ fest.
Da seien noch Fragen offen, wenn zum Beispiel in den Protokollen der beauftragten Betreuungsfirma stehe, dass der Dreijährige im vergangenen Jahr vor dem Auffinden im Keller über Wochen nicht gesehen worden sei. Die Formulierungen seien „missverständlich“, heißt es dazu im Bericht. Alle Kinder seien laut Aussage des Trägers laufend gesehen worden, aber nicht alle an einem Termin.
Als sich das Jugendamt in mehreren Verfahren bei den Familienrichtern nicht mit der Forderung durchsetzen konnte, alle Kinder aus der Familien herauszunehmen, hätte die Landrätin das Oberlandesgericht einschalten müssen, kritisierte Wulf. Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schnabel ist der Kellerkind-Fall „ein klassisches Beispiel dafür, wie man formal alles richtig machen kann und trotzdem alles falsch“. Er spricht von „professionellen Versagen“ in einem konkreten Einzelfall. „Daran gibt es für mich nichts zu deuteln.“
Die frühere Feststellung des damals noch stellvertretenden Leiters des Jugendamtes Manfred Stankat – „Das können wir Ihnen nicht erklären“ – sei das Eingeständnis dieses Versagens gewesen. Demgegenüber stellte der Jugendhilfeausschussvorsitzende Gerd-Rainer Busch (SPD) fest, dass im Kinderschutzfall die Ursache nicht „im Verschulden einzelner MitarbeiterInnen des Jugendamtes und der beteiligten Träger“ liege.
Jutta Hartwieg gab gestern zu, dass ihre erste Bewertung, „keine Fehler gemacht zu haben“, selbst ein großer Fehler gewesen sei. „Damit hätten wir deutlich sensibler umgehen müssen.“ Sie stehe dazu, dass die Familiendaten geschützt werden müssten. Doch das Schwärzen von Passagen im Gutachten werde sie als Stilmittel nicht mehr anwenden. Das habe eine fatale psychologische Wirkung gehabt. Jutta Hartwieg: „Ich war nicht gewappnet für die Wucht des Medieninteresses an dem Fall.“
Von Wolfgang Glombik
http://www.ln-online.de/Lokales/Segeberg/Kellerkind-Skandal-Kreis-raeumt-sein-Scheitern-ein
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