Bei diesen beiden scheint die Welt in Ordnung. Für Erich B. ist sie es nicht.
Foto: dpa
Tobias* muss sich entscheiden, immer wieder. Mama
oder Papa? Beide kann er nicht haben. Was dem Sachverständigen, was dem
Verfahrensbeistand, was der Richterin erzählen? Kann ein Zwölfjähriger
die Folgen einschätzen? Tobias Eltern könnten ihm das abnehmen, es war
ihre Entscheidung, vor Gericht zu ziehen. Jetzt ist die Situation
festgefahren.
Die Mutter, so steht es in den Unterlagen, sagt, das Kind wolle nicht zum Vater. Der Vater sagt, die Mutter habe das Kind manipuliert und entfremdet. Die Richterin sagt: Vater und Kind haben sich aus welchen Gründen auch immer so lange nicht gesehen, dass sie kein Verhältnis mehr haben. Sie hat dem Vater das Umgangsrecht weitgehend entzogen. Drei Stunden im Monat darf Erich B.* Tobias sehen.
Eigentlich darf das 14-tägige Umgangsrecht nur im Notfall, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, entzogen werden.
Vor 30 Jahren lernten sich B. und seine Frau kennen, vor 20 Jahren die Hochzeit, zwei Kinder. Vor gut zweieinhalb Jahren trennten sich Tobias Eltern. Tobias und seine ältere Schwester blieben bei der Mutter. Eine Absprache bezüglich des Umgangsrechts gab es nicht. Zu Weihnachten strengte B., der Vater von Tobias, ein erstes Verfahren an, es ging nur um den Umgang in den Ferien und über die Feiertage. Weitere Absprachen gab es nicht, keiner bestand darauf. Und so wurde aus einem Verfahren ein zweites, aus dem zweiten ein drittes.
Seit
eineinhalb Jahren dauert der Rechtsstreit inzwischen an. Und Tobias?
„Er ist in einem Loyalitätskonflikt“, sagt B. Er habe eine klare Meinung
geäußert, heißt es seitens der Mutter, der Gutachterin und der
Richterin in den Unterlagen. Er wolle den Vater nicht sehen. Die
Schuld dafür läge aber bei der Mutter, die den Umgang verhindern wolle
und den Jungen manipuliere, sagt B.. Tobias ist sauer, sagte er vor
Gericht, er fühle sich vom Vater nicht ernst genommen, weil dieser
ständig betonte, er sei manipuliert.
Zu Beginn telefonierten B. und Tobias wöchentlich. Als die Mutter die Nummer wechselte, gab sie diese für drei Monate nicht weiter. B. konnte Tobias nicht erreichen. Einmal nahm B. Tobias Schlüssel, um aus der gemeinsamen Wohnung, aus der er längst ausgezogen war, Sachen zu holen. Der Junge fühlte sich missbraucht. Im richterlichen Beschluss wird nur der Fehler von B. mit dem Schlüssel thematisiert.
Tobias hat Migräne. Die Eltern streiten darüber, wie der Junge behandelt wird. Der Vater will pflanzliche Präparate, die hätten geholfen, sagt der Vater. Die Mutter habe sie abgesetzt, weil sie im Verdacht stünden, Leberschäden zu verursachen. Der Junge habe nur Migräne, wenn er vom Vater käme, heißt es in einem Schreiben von der Mutter an das Gericht. B. widerspricht. Die Mutter beantragt 2011 die alleinige Gesundheitssorge. Sie bekommt Recht, muss aber einen monatlichen Bericht abgeben. Inzwischen ist auch die Berichtspflicht gekippt.
B.
unterstellt seiner Ex-Frau Kalkül. „Sie lenkt das Kind ab.“ Als er
Tobias noch zweiwöchentlich sehen durfte, sei Tobias mal auf eine
Angeltour gefahren, mal auf ein Schachturnier, mal habe die Mutter ihn
zu einer Schul-AG angemeldet. „Ich will ihn nicht ausbremsen“, sagt B.
Aber muss all das in seinen Besuchszeiten sein? Übernachten wolle er
beim Vater nicht, sagte Tobias der Gutachterin, der Vater sei so
bestimmend. Einmal, so berichtet es der Vater, habe Tobias zu ihm
gesagt: „Heute ist der blödeste Tag der Woche, weil ich zu dir kommen
muss.“
Im Februar ermahnte die Richterin die Mutter. Sie solle es unterlassen, negativ über den Vater zu sprechen und Tobias positiv auf Telefonate und Treffen einstimmen.
Tobias Schwester Matilda*, 20, arbeitet in der Firma der Mutter. „Ich versuche, Interesse zu signalisieren, aber wir haben kaum Kontakt“, sagt B.. Tobias sei über das gestörte Verhältnis verunsichert, sagte die Richterin in einem Verfahren, er erinnere sich nicht an positive Dinge mit seinem Vater. B. sieht das anders, Tobias sei entfremdet, er leide an PAS (Parental Alienation Syndrome), das sei der Grund dafür. Als der Anwalt das in einem Schreiben formulierte, soll die Mutter laut B. Tobias den Brief gezeigt haben. Der war sauer, dass der Vater ihn für einen „Psycho“ hielt.
Aus Verzweiflung, seine Kinder zu verlieren, wird bei B. übereifrig. Er schickt Begründungen und Gegendarstellungen ans Gericht, er spricht mit Experten, sucht Betroffene. Aber hilft es, Juristen und Psychologen in Schreiben als inkompetent zu bezeichnen oder sich diffamierend zu äußern?
Geht es um Kinder, wird auch in einem gleichberechtigten Deutschland meist für die Mutter entschieden. Väter können manchmal nur zuschauen, wie ihnen das Kind entgleitet. Die Unterhaltszahlungen hat B. erst einmal eingestellt. Auch das, davon geht er aus, wird vermutlich gegen ihn verwendet werden. Tobias ist zwölf, B. weiß, dass die Zeit gegen ihn läuft. Mit 13 darf Tobias selbst Einspruch gegen den Beschluss einlegen. Möglicherweise setzt Tobias dann durch, dass er gar nicht mehr zu seinem Vater muss.
Der Beschluss von Ende Juli steht jetzt erst einmal. Das Gericht folgt darin dem Gutachten. Auch ein manipulierter Kindeswillen sei als Kindeswillen zu akzeptieren, so die Richterin. Tobias sei alt genug, sich eine Meinung zu bilden. Jede Form von Erziehung sei auch Beeinflussung. Dabei übernehmen Kinder oft die Haltung des Elternteils, von dem sie emotional abhängig sind, sagt der Soziologe Wolfgang Englert aus Wehrheim.
Drei Stunden pro Monat darf B. Tobias sehen. Nun kämpft er weiter, er bereitet eine Klage beim Oberlandesgericht vor. Seine älteste Tochter hat er verloren. Mit Tobias soll das nicht passieren.
*Alle Namen und einige Details der Biographien sind geändert, damit die Personen nicht erkennbar sind.
Die Mutter, so steht es in den Unterlagen, sagt, das Kind wolle nicht zum Vater. Der Vater sagt, die Mutter habe das Kind manipuliert und entfremdet. Die Richterin sagt: Vater und Kind haben sich aus welchen Gründen auch immer so lange nicht gesehen, dass sie kein Verhältnis mehr haben. Sie hat dem Vater das Umgangsrecht weitgehend entzogen. Drei Stunden im Monat darf Erich B.* Tobias sehen.
Eigentlich darf das 14-tägige Umgangsrecht nur im Notfall, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, entzogen werden.
Vor 30 Jahren lernten sich B. und seine Frau kennen, vor 20 Jahren die Hochzeit, zwei Kinder. Vor gut zweieinhalb Jahren trennten sich Tobias Eltern. Tobias und seine ältere Schwester blieben bei der Mutter. Eine Absprache bezüglich des Umgangsrechts gab es nicht. Zu Weihnachten strengte B., der Vater von Tobias, ein erstes Verfahren an, es ging nur um den Umgang in den Ferien und über die Feiertage. Weitere Absprachen gab es nicht, keiner bestand darauf. Und so wurde aus einem Verfahren ein zweites, aus dem zweiten ein drittes.
Tobias ist sauer
Zu Beginn telefonierten B. und Tobias wöchentlich. Als die Mutter die Nummer wechselte, gab sie diese für drei Monate nicht weiter. B. konnte Tobias nicht erreichen. Einmal nahm B. Tobias Schlüssel, um aus der gemeinsamen Wohnung, aus der er längst ausgezogen war, Sachen zu holen. Der Junge fühlte sich missbraucht. Im richterlichen Beschluss wird nur der Fehler von B. mit dem Schlüssel thematisiert.
Tobias hat Migräne. Die Eltern streiten darüber, wie der Junge behandelt wird. Der Vater will pflanzliche Präparate, die hätten geholfen, sagt der Vater. Die Mutter habe sie abgesetzt, weil sie im Verdacht stünden, Leberschäden zu verursachen. Der Junge habe nur Migräne, wenn er vom Vater käme, heißt es in einem Schreiben von der Mutter an das Gericht. B. widerspricht. Die Mutter beantragt 2011 die alleinige Gesundheitssorge. Sie bekommt Recht, muss aber einen monatlichen Bericht abgeben. Inzwischen ist auch die Berichtspflicht gekippt.
Nicht negativ über den Vater sprechen
Im Februar ermahnte die Richterin die Mutter. Sie solle es unterlassen, negativ über den Vater zu sprechen und Tobias positiv auf Telefonate und Treffen einstimmen.
Tobias Schwester Matilda*, 20, arbeitet in der Firma der Mutter. „Ich versuche, Interesse zu signalisieren, aber wir haben kaum Kontakt“, sagt B.. Tobias sei über das gestörte Verhältnis verunsichert, sagte die Richterin in einem Verfahren, er erinnere sich nicht an positive Dinge mit seinem Vater. B. sieht das anders, Tobias sei entfremdet, er leide an PAS (Parental Alienation Syndrome), das sei der Grund dafür. Als der Anwalt das in einem Schreiben formulierte, soll die Mutter laut B. Tobias den Brief gezeigt haben. Der war sauer, dass der Vater ihn für einen „Psycho“ hielt.
Aus Verzweiflung, seine Kinder zu verlieren, wird bei B. übereifrig. Er schickt Begründungen und Gegendarstellungen ans Gericht, er spricht mit Experten, sucht Betroffene. Aber hilft es, Juristen und Psychologen in Schreiben als inkompetent zu bezeichnen oder sich diffamierend zu äußern?
Geht es um Kinder, wird auch in einem gleichberechtigten Deutschland meist für die Mutter entschieden. Väter können manchmal nur zuschauen, wie ihnen das Kind entgleitet. Die Unterhaltszahlungen hat B. erst einmal eingestellt. Auch das, davon geht er aus, wird vermutlich gegen ihn verwendet werden. Tobias ist zwölf, B. weiß, dass die Zeit gegen ihn läuft. Mit 13 darf Tobias selbst Einspruch gegen den Beschluss einlegen. Möglicherweise setzt Tobias dann durch, dass er gar nicht mehr zu seinem Vater muss.
Schwere Vorwürfe gegen Gutachterin
B. macht der Gutachterin, die im Fall B. eingesetzt ist, große Vorwürfe.
„Die Mutter traf sie zu einem langen Gespräch, mich rief sie erst kurz
bevor sie das Gutachten schrieb, an“, kritisiert B. Die Gutachterin
sagte gegenüber der FR, sie erinnere sich nicht an einen Fall, wo sie
eine Person traf, mit der anderen nur telefonierte, „es sei denn, der
Klient hätte ein Treffen abgelehnt“. Der Beschluss von Ende Juli steht jetzt erst einmal. Das Gericht folgt darin dem Gutachten. Auch ein manipulierter Kindeswillen sei als Kindeswillen zu akzeptieren, so die Richterin. Tobias sei alt genug, sich eine Meinung zu bilden. Jede Form von Erziehung sei auch Beeinflussung. Dabei übernehmen Kinder oft die Haltung des Elternteils, von dem sie emotional abhängig sind, sagt der Soziologe Wolfgang Englert aus Wehrheim.
Drei Stunden pro Monat darf B. Tobias sehen. Nun kämpft er weiter, er bereitet eine Klage beim Oberlandesgericht vor. Seine älteste Tochter hat er verloren. Mit Tobias soll das nicht passieren.
*Alle Namen und einige Details der Biographien sind geändert, damit die Personen nicht erkennbar sind.
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