Liebe kennt keine Grenzen, aber wenn es zur Trennung kommt, wird es
kompliziert. Jedes Jahr betreffen in der EU mehr als zehn Prozent der
Scheidungen Paare, die nicht die gleiche Nationalität besitzen.
Marie Galimard-Geiss: “Ich fühle mich gelähmt, als ob mir ein Bein fehlt, ohne meine Kinder kann ich nicht weiterleben.”
Euronews-Reporterin Anne Devineaux :
“Eine Scheidung ist nie einfach. Aber bei binationalen Paaren kann die
Situation schnell juristisch kompliziert werden, oder sogar zu
dramatischen Konflikten führen, wenn Kinder involviert sind.”
Ein Drama, das diese französische Mutter seit ihrer Scheidung von
ihrem deutschen Ex-Mann vor vier Jahren erlebt. Marie Galimard-Geiss:
“Das ist das Zimmer von Astrid, meiner Tochter, die einmal im Monat am
Wochenende kommt. Es war nicht einfach, das Besuchsrecht durchzusetzen,
aber derzeit bekommen wir es recht gut hin. Auf meinen Sohn dagegen
warte ich bis heute. Hier in seinem Zimmer sind die Schränke voll mit
seiner Kleidung. Sachen, die ich vor zwei Jahren gekauft habe und die er
nie anhatte.”
In der Hoffnung ihre Kinder im Alter von sechs und neun Jahren öfter
zu sehen, ist Marie gerade nach Saarbrücken gezogen. Die deutsche
Behörde hat ihr gerade unter Berufung auf die Gefahr einer Entführung
das Sorgerecht entzogen. Denn der Vater hatte wegen eines Urlaubs, den
sie ohne seine Zustimmung mit den Kindern in Frankreich verbracht hatte,
eine Beschwerde eingereicht.
Marie Galimard-Geiss: “Seit 18 Monaten kämpfe ich darum, meine
Kinder wenigstens zu sehen. Jedes Mal, wenn ich versucht habe, mich
ihnen zu nähern, wurde entweder von der Schule, der Familie oder von
anderen die Polizei gerufen. Man befürchtete, dass ich die Kinder
entführen will.”
Am Ende fühlte sich Marie von der deutschen Justiz diskriminiert.
Marie Galimard-Geiss: “Statt zu helfen, die Dinge zu klären, hatte
ich den Eindruck, dass die deutsche Justiz die Eltern, die ja sowieso
bereits Probleme haben, noch mehr ins Unglück treibt. Man hatte
wirklich den Eindruck, egal was man macht, man ist immer zum Scheitern
verurteilt.”
Die geografische Trennung, die Unkenntnis von Gesetzen und
Mentalitäten eines fremden Landes verschärfen häufig die Konflikte.
Gerade im Bereich des Familienrechts sind die Gesetze der verschiedenen
Kulturen sehr unterschiedlich. Deshalb wurden gesetzliche Regelungen
geschaffen, um grenzüberschreitende Fälle zu klären.
Kindesentführung
durch einen Elternteil ist besonders durch das Haager Übereinkommen und
die “Brüssel IIa-Verordnung” geregelt.
Der deutsch-französische Anwalt Jean-Patrick Revel aus Berlin
erklärt: “Die Zuständigkeit liegt bei dem Gericht des Ortes, wo das
Kind, wo die Familie vor der Entführung lebte. Und ein Richter dieses
Landes wird eine Anhörung in der Sache verfügen, um über den
gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zu entscheiden. Oder es gibt eine
Sozialanamnese, bei der man versucht herauszufinden, was das Beste für
das Kind ist.”
Die in Brüssel ansässige Organisation “Child Focus” ist mit diesen
Problemen vertraut. In Belgien betreut sie die europäische Notrufnummer
116 000 für vermisste Kinder. In etwa jedem vierten Fall geht es um eine
Entführung durch einen Elternteil.
Hilde Demarré, Projektmanagerin bei Child Focus: “In Deutschland zum
Beispiel gab es im vergangenen Jahr 700 Entführungsfälle. Das ist ein
Problem, das in ganz Europa immer größer wird. Und aufgrund der
Tatsache, dass es in der EU jedes Jahr etwa 170.000 Scheidungen mit
Auslandsbezug gibt, kann man davon ausgehen, dass dieses Problem weiter
wachsen wird.”
“Child Focus” unterstützt Elternteile, die zum Opfer wurden, wie
diesen Vater von drei Kindern. Der Deutsche wohnte mit seiner
ukrainischen Frau in Belgien, bevor die Ehe zerbrach.
Gerd Blömer-Pohl:
“Ich kam zurück aus Köln, ich hatte noch Arbeit in Köln, freitags. Die
Wohnung war leer, die Möbel waren noch da, aber die Kinder waren weg,
die Frau war weg und ich wusste überhaupt nichts. Das Telefon war
ausgeschaltet und einige Tage war ich verrückt.”
Es dauerte mehrere Monate die Mutter aufzuspüren, die von Belgien
nach Deutschland gezogen war. Um diese Art von Konflikten zu lösen, sind
einvernehmliche Lösungen oft effektiver als gerichtliche Mittel.
Deshalb hat Hilde Demarré gerade ein europäisches Netzwerk von
Familien-Mediatoren ins Leben gerufen: “Wir suchen Familien-Mediatoren
oder Mediatoren in jedem EU-Land, aber auch in einigen Bewerberländern,
um sie zu gemeinsam zu schulen. Sie kommen alle nach Brüssel und
absolvieren hier ein 60 oder 80 Stunden Training, bei dem sie lernen in
der Mediation grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Wir haben ein
Modell der Co-Mediation, das funktioniert mit einem Mediator aus jedem
Land, die lernen, wie man nach einem einzigen Modell zusammenarbeitet.”
In Berlin unterstützt der gemeinnützige Verein Mikk das Projekt.
Mediation bei internationalen Fällen von Kindesentführung ist sein
Spezialgebiet. Der Rechtsanwalt und Mediator Christoph Paul steht an der
Spitze von Mikk: “Es sind die Eltern, die eine Lösung finden müssen,
die für das Kind verantwortlich sind. Sie sind die Experten für ihr
Kind.”
Der internationale Aspekt der Mediation erfordert spezifische
Fähigkeiten. Christoph Paul: “Es geht nicht nur um Kenntnisse im Bereich
der Mediation. Sie müssen auch mit den kulturellen Unterschieden
vertraut sein, wissen, wie Sie damit umgehen. Und man muss auch mit den
rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa vertraut sein. Wenn Sie
beispielsweise einen deutsch-belgischen Fall haben, müssen Sie sich
nicht nur mit den rechtlichen Regelungen in Belgien und Deutschland,
sondern auch mit dem internationalen grenzüberschreitenden
Rahmenbedingungen auskennen.
Euronews-Reporterin Anne Devineaux: “Fünfzehn europäische Länder
haben eine verstärkte Zusammenarbeit beschlossen, um die Scheidung von
binationalen Paaren zu erleichtern. Die europäische Rom-III-Verordnung ermöglicht den Paaren, das anwendbare Recht im Fall einer Trennung selbst auszuwählen.”
Eine Spanierin und ein Franzose, die in Italien wohnen, haben zum
Beispiel die Wahl nach italienischem, spanischem oder französischem
Recht geschieden zu werden. Von den 27 EU-Ländern haben bisher nur 15
diese Regelung übernommen, die Ende Juni in Kraft trat.
Bruno Langhendries von ADDE: “Die Rom III-Verordnung
hatte nicht das Ziel, ein gemeinsames Scheidungsverfahren zu schaffen.
Denn die Vorstellungen über das Familienleben sind sehr unterschiedlich
in der Union. Die Verordnung soll der Harmonisierung von Regeln dienen
und Rechtssicherheit schaffen. Sie soll die Gerichte entlasten und auch
davor schützen, dass ein Ehegatte schnell vor Gericht eines EU-Landes
zieht, das vielleicht seine oder ihre Interessen besser schützen würde.”
Je besser man über ausländisches und grenzüberschreitendes Recht
Bescheid weiß, je besser die Fachleute der verschiedenen Länder
zusammenarbeiten, desto mehr Wege gibt es, die vielfältigen
Schwierigkeiten eine Scheidung mit Auslandsbezug zu meistern.
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